Nach Dreamhack-bedingter Pause meldet sich Lesenswert mit neuen Leseempfehlungen zurück – und es wird politisch: Mit Nazis in neuen Kleidern, mit kapitalistischen Monster Huntern, mit der Ideologie hinter The Division – und wie sie die sieben Todsünden heraufbeschwört – und mit einem Plädoyer für die Ideen Ursula K. Le Guins. Und schließlich der Beweis, dass Spiele immer schon politisch waren.

Oben drauf: Neues von den deutschen Branchenverbänden sowie eine fantastische, so detailierte wie kurzweilige Abhandlung über digitale Coverartworks, ihre Probleme und ihre Möglichkeiten. Fabian Fischers Gamedesign-Analyse des Witcher-Kartenspiels Gwent rundet die Auswahl ab und lädt zu weiteren Lesestunden ein – fungiert er doch als Linksammlung zu Gamedesign-Artikeln der Vergangenheit.

Keine ganz leichte Kost, einige recht lange Beiträge – aber alles auf allerhöchstem Niveau. Viel Freude beim Lesen! [sk]


Die sieben Todsünden von The Division
(polyneux.de, Jannick)

[…] In dieser unheilvollen Konstellation von Ideologie, Spielmechanik und Spielwelt stecken sie, die, die man sonst nirgends erwartet: die sieben Todsünden. Jeder Skepsis zum Trotz lohnt sich ein Blick in diesen Abgrund, in den man zwar niemals fallen, aber unbedingt kurz blicken möchte. Es zeigt sich ein Spiel, das — trotz der Widersprüche — fasziniert und anwidert. […]

Monster Hunter World: Karōshi
(siebenvonzehn.wordpress.com, Marcus Dittmar)

[…] Ich muss vieles wiederholen, damit es einfacher wird. Das Töten gerät zur Fließbandarbeit. Wie eine Fantasy-Variante des Kükenschredderns. Und es ist nie genug. Auf jede erfolgreiche Jagd folgen Aufträge für zehn weitere. Niemand ist hier je zufrieden und ich bin es auch nicht. Es ist die Gier nach Gear, die niemals endet. […] Hin und wieder kaufe ich mir etwas Schönes, um mich für ein paar Minuten gut zu fühlen. Dann kehrt die Unzufriedenheit zurück. Jemand macht ein Foto von mir, wie ich den Schwanz von Karl Marx in die Kamera halte. Ich erkenne mich nicht wieder. […]

Das Cover-Artwork ist tot, lang lebe das Cover-Artwork
(kritischertreffer.com, Pascal Graßhoff)

[…] Es ist wahr, dass heutzutage immer weniger Spiele in klassischen Boxen oder Hüllen verkauft werden. Allerdings fallen die Cover-Artworks dadurch nicht komplett unter den Tisch. Sie tauchen lediglich an einer anderen Stelle wieder auf: Im Menü des Betriebssystems einer Konsole. Es ist mir bis heute schleierhaft, wieso diesem Feature moderner Videospielsysteme so wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. […] Doch was wäre die schönste Anordnung digitaler Covers ohne Artworks, welche das Auge des Betrachters entzücken? Hier liegt der Hund begraben. Es gibt zu viele lieblose digitale Coverartworks. […]

No Politics in Video Games?
(deconstructingvideogames.com, Nick the Gent)

[…] I’ve written at length about the politics of Assassin’s Creed III, which views the American Revolution from a Native American perspective. […] I mean, one of the games is about a terrorist group called the “Sons of Liberty”! […] But it’s impossible to miss the cultural importance of Metroid’s strong woman protagonist. […] Any great movie or novel has a message, and video games are no different. Anything that has a point of view is political. And political views have been part of gaming for a long time. I suspect that what some gamers object to is not that politics have crept into their video games, but that the messages are not ones they want to hear. […]

We Need More Games with Ursula Le Guin’s Idea of Flexible Resistance
(waypoint.vice.com, Cameron Kunzelman)

[…] I have to admit that these games, our bombastic first-person fantasies and gun-based violence simulations, even the ones I love so much in the genres that I play constantly, don’t offer us many ways of changing or even rethinking the world we live in. In Le Guin’s words, these kinds of games fail to offer a space of “flexible resistance.” They give us more of the same: domination by those able to dominate, violence by the violent, horror flipping back and forth between agents. […]

Stauffenberg-Skins und „Saubere Wehrmacht“-Mythen: Der Multiplayer von Call of Duty: WW2 ist eine ideologische Katastrophe
(archaeogames.net, Dom Schott)

[…] Passend zum Thema der kostenpflichtigen Erweiterung, die sich um den internationalen Widerstand gegen den Nationalsozialismus dreht, dürfen die Nazis nun zwischen zwei verschiedenen Skins wählen. Entweder ziehen sie mit ihrer Standard-Uniform in den Kampf – oder sie kleiden sich als den Widerstandskämpfer Claus Schenk Graf von Stauffenberg ein. Ein später Nazi-Gegner und Hitler-Attentäter in spe ist damit der erste optionale Skin für die Wehrmacht-Truppen. Das muss man erst mal sacken lassen. […]

Zusammenschluss von BIU und GAME: Branche spricht nun mit einer Stimme
(spielkultur.ea.de, Martin Lorber)

[…] Die ohnehin in den alten Verbänden nur noch auf dem Papier bestehenden Unterschiede zwischen Entwicklern und Publishern von Games verschwinden zunehmend. Viele BIU-Mitglieder unterhalten auch Entwicklungsstudios in Deutschland, und viele Unternehmen in beiden Verbänden bieten ihre Spiele im Internet direkt den Gamern an. Daher ist die historische Trennung in zwei Verbände inzwischen überholt. […]

Design-Theorie in der Praxis: Gwent
(ludokultur.de, Fabian Fischer)

[…] All diese Faktoren tragen dazu bei, dass viele Gwent-Spieler eine enorme intrinsische Motivation entwickeln: sie erwerben Kompetenz; sie agieren während der Partien und bei der Zusammenstellung ihrer Decks selbstbestimmt; zudem werden sie, auch über das Spiel hinaus, in ein soziales Ökosystem aus unzähligen Diskussionen und qualitativ hochwertigem Content eingebunden. Alles dreht sich um das Lernen, Entdecken und den Austausch, nie um bloße Dominanz. […]

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