Die handverlesenen Videospiel-Leseempfehlungen der Woche – heute mit den neuesten Zahlen aus dem Animal Crossing Pocket Camp. Mit Glory to Mankind, einem wiedererstarkenden Cyberpunk, und recyclingfähigem Nintendo-Punk aus Pappe. Und natürlich mit Kingdom Come: Deliverance. Die Ergebnisse der Lieblingskritiken 2017 gibt’s obendrauf.
Genügend Lesestoff für mindestens zwei Wochen – denn nächsten Freitag fällt Lesenswert aus, dann berichte ich von einem der größten eSports-Events Deutschlands, der Dreamhack in Leipzig. Und falls dort irgendwer von euch zugegen ist: Schreibt mir! [sk]
Für Freunde der Illusion nicht geeignet
(dialogoption.de, Sven Himmen)
[…] In »Pocket Camp« rufe ich Camper zu mir auf meinen Platz, wenn ich besondere Gebäude errichte, weil ich weiß, dass dies ihren Gesamtlevel erhöhen wird. Die Besucher stellen für mich nur noch Zahlen dar, die erhöht werden sollen, keine Charaktere. Und das ist das Schlimmste, was man der »Animal Crossing«-Reihe antun konnte. Ich habe Texte über »New Leaf« geschrieben, in denen es darum ging, dass ich mich von Bewohnern nur schwer trennen konnte, wenn sie den Entschluss gefasst hatten, mein Dorf zu verlassen. Ich fühlte mich mit ihnen verbunden. Sie waren Freunde und Bekannte. Es war mir unmöglich, Warzi gehen zu lassen. Andere schon. Aber erst, wenn sie mir ein Erinnerungsfoto von sich dagelassen hatten. Auch in »Pocket Camp« gibt es besagte Fotos. Um sie zu erhalten, muss ich Freundschaftsstufe zwanzig erreichen. Dieser Satz fühlt sich falsch an. […]
Nintendo Labo: that crazy old Kyoto company wrong-foots us all yet again
(amostagreeablepastime.com, Lucius P. Merriweather)
[…] But like all good ideas, it immediately makes you wonder ‘why didn’t anyone else think of that’? Not only does building carboard houses, pianos and robots seem like a lot of fun in itself, there’s also that added dimension of interactivity afforded by the Switch – I was particularly intrigued by the little insect robot that the Joy-Cons plug into. I mean, look at it – YOU CONTROL THE CONTROLLERS WITH THE SCREEN. The world has turned on its head, and it’s wonderful. […]
#Lieblingskritiken 2017
(indieflock.net, Pascal Wagner et al.)
- Lieblingskritiken 2017: Die besten Videospielartikel des Jahres – Part 1
- Lieblingskritiken 2017: Die besten Audio & Video-Produktionen des Jahres!
- Lieblingskritiken 2017: Die besten Videospielartikel des Jahres – Part 2: Das Finale!
[…] Die Zeit des Wechsels vom alten ins neue Jahr ist oft die einzige, in der wir uns bewusst Gedanken über die nähere Vergangenheit machen und versuchen, daraus zu lernen. Im Bereich der Videospiele ziehen unzählige Seiten daraus die Motivation, die Veröffentlichungen des letzten Jahres noch einmal Revue passieren zu lassen und die besten Spiele des Jahres zu krönen. Mich befremdete das immer ein wenig, denn bei all der Liebe für kürzlich veröffentliche Spiele bekamen all die Produktionen rund um jene Schätze kaum mehr einen zweiten Schub an Aufmerksamkeit, und schon gar keine Jahresendliste. Dabei sind so viele großartig recherchierte Artikel und emotionale Verteidigungen von Spielen langfristig wertvoll; ich würde sogar sagen, nicht weniger für die Ewigkeit als die Medien, mit denen sie sich beschäftigen. […]
Kingdom Come: Deliverance
- Das „authentischste“ Historienspiel aller Zeiten?! Die gewaltige Schräglage von „Kingdom Come: Deliverance“ Personalities – von Jan Heinemann auf lepetitcapo.wordpress.com
- Kingdom Come: Deliverance – Ab wann man Spiele boykottieren sollte von Gudrun Hoffmann-Schoenborn auf fried-phoenix.de
- Kingdom Come: Deliverance – Die Reaktion auf die Rassismus-Vorwürfe von GameStar Redaktion auf gamestar.de
- Kingdom Come: Deliverance – Von Geschichte, Nazis und Gamestar-Nebelkerzen von Tibor Bársony auf t-berium.de
- „Kingdom Come: Deliverance“: Rechte Ideologie durch die Hintertür? von Rainer Sigl auf derstandard.at
[…] Die zerknirschte Entschuldigung Vávras und Distanzierung von der ihm vorgeworfenen Ideologie verhindert nun, dass „Kingdom Come: Deliverance“ von jenen vereinnahmt wird, die tatsächlich dieser Ideologie anhängen. Dass die durch den Artikel Heinemanns ausgelöste Diskussion also nun geführt wurde, ist aber noch aus zwei weiteren Gründen erfreulich: Zum einen, weil Vávra, mit seinen früheren eindeutig zweideutigen Signalen und Provokationen konfrontiert, sich dazu durchringen konnte, sich davon doch noch ausdrücklich zu distanzieren; und zum anderen, weil dadurch auch die Vorfreude auf ein heiß erwartetes Spiel nicht mehr getrübt wird. […]
Why Cyberpunk 2077 Is So Important To The Genre And Modern Society
(gamespot.com, David Rayfield)
[…] Done correctly, cyberpunk can help us experience futuristic worlds, amazing stories and emerge as a wiser person on the other side. It’s a genre that takes the problems of present-day society to troubling, dystopian ends, and explores ways to combat them. […] While unpleasant stories populate our news feeds, technology is bubbling at the surface of innovation quicker than you might expect. Illinois‘ Northwestern University is studying the limits of 3D-printed bones, with human testing about to begin, and Harvard chemists have made new breakthroughs in editing genes at the embryonic level to delete abnormalities in our DNA before we are even born. Billion-dollar startups in China are taking sophisticated face-detection systems into corporate security, rail travel, and criminal detection. […]
Glory to Mankind, Religion und Krieg – Was DOOM und NieR: Automata uns über ein englisches Lehnwort verraten
(languageatplay.net, Pascal Wagner)
[…] Glory! Kurios, wie ein Wort, das gewöhnlich am ehesten in anglikanischen Gottesdiensten und im amerikanischen Geschichtsunterricht zu hören ist, gerade Videospielern dann wohl doch öfter begegnet. Death or Glory von Wise Owl Software brachte den Begriff zum ersten Mal 1987 auf eine Videospielverpackung, auch wenn Sierras Adventurespielreihe Quest for Glory, deren zweiter Teil 1990 den Seriennamen prägte, vielen Spielern heute eher ein Begriff sein dürfte. Die eifrige Nutzung in Videospielen zieht sich dabei bis heute: seit 2016 prügelt sich der DOOM Marine wieder mit sogenannten Glory Kills durch Dämonenhorden, und Yoko Taros in Verbund mit Platinum Games entwickeltes NieR: Automata prägte 2017 wie keine andere Phrase den Satz Glory to Mankind. […]
Lust auf mehr? Die Games-Lesetipps der Woche gibt es jetzt immer freitags bei Spielkritik.com. Die letzte Ausgabe von Lesenswert findet ihr HIER.
Ich muss sagen, dass ich dieses Mal besonders auf deinen Lesenswert-Artikel gewartet habe. Was natürlich, wer ahnt es nicht, an der ganzen Debatte um KCD liegt. Womit ich den Wert der anderen Artikel nicht in Abrede stellen möchte. So ist der Artikel zu Pocket Camp ein ganz toller. Bei den Lieblingskritiken von Indieflock habe ich auch noch einiges zu lesen und der Text zu Nintendo-Labo will auch noch gelesen werden.
Aber das beherrschende Thema ist nunmal KCD und es ist gut mal einen Überblick zu bekommen. Bestimmt hätte jeder Artikel seinen eigenen guten Kommentar verdient. Ich habe aber gemerkt, dass sich meine Meinung zu der Sachlage nicht groß geändert hat. Ich möchte hier gar nichts zum geschichtlichen Aspekt hinter Kingdom Come sagen. Das sollen Menschen tun die sich da besser auskennen. Nur soviel. Wer Realität als sein höchstes Gut für sich beansprucht wird am Ende an diesem Faktor gemessen. Egal welche Gesinnung dahintersteckt.
Viel interessanter und spannender finde ich die Debatte um die Rolle des Spielejournalismus in dieser Sache. Ich mache erstmal keinem Spieleredakteur einen Vorwurf dahingehend, dass sie das Burzim-Shirt nicht erkannt haben. Das habe ich auch nicht.
Die Ideologie eines Vávra hätte aber schon viel früher ins Auge fallen sollen, denn er hat sie ja nie verheimlicht. Und unter diesem Aspekt hätte dann auch die geschichtliche Akkuratesse mehr in den Fokus geraten sollen.
Doch hier sehe ich ein Problem des Spielejournalismus, der zu Eng mit dem Medium verknüpft ist und sich in eine Abhängigkeit begeben hat die ihm nicht gut tut. Das soll keine Verallgemeinerung sein. Es gibt toll recherchierte Beiträge und AutorInnen die immer wieder kritisch hinterfragen und hinter einem Spiel mehr sehen als nur ein Spiel. Nichts ist ohne Kontext oder Ursprung. Man kann ein Spiel nicht ohne kulturellen Kontext sehen und man kann auch den Künstler nicht von seinem Werk trennen. Es gibt immer einen Grund warum ein Werk so aussieht wie es aussieht. Abseits von marktpolitischen Entscheidungen, Quoten oder Verkaufszahlen. Davon kann sich ein Vávra und auch das Entwicklerstudio Warhorse nicht freisprechen. Deswegen ist es auch richtig und wichtig was die Gamestar gemacht hat. Draufhauen und kritisieren ist einfach. Das gilt für beide Seiten. Doch man muss die Chance geben zu reagieren und zu antworten. Das hat die Redaktion der Gamestar getan. Über das Wie lässt sich wie bei so vielem hier Streiten. Reicht es einfach nur die Kommentare einzuholen? Hätte man ein Interview führen müssen um dann Kritisch zu hinterfragen? Wer weiß das? Alles hat seine Vor- und Nachteile. Ich denke mir aber, dass bei solchen Vorwürfen eine Stellungnahme nicht gänzlich unkommentiert sein sollte. Da ist es die Aufgabe einer Redaktion die Aussagen in den Kontext zu stellen und einzuordnen. Einfach nur reden lassen genügt da nicht. Doch wie gesagt, da kann ich durchaus verstehen, dass es da unterschiedliche Meinungen gibt.
Spannend finde ich auch die Argumentation, sowohl in der Stellungnahme der Gamestar und auch allgemein, dass man nach den Vorwürfen gegen Vávra auch die künstlerischen Werke anderer Künstler mit fragwürdiger Ideologie nicht mehr unterstützen dürfe. Genannt wird im Video der Gamestar auch das Werk H. P. Lovecrafts. Ich bin ein großer Fan seiner Werke und habe seine Geschichten mit Freude gelesen. Dennoch war mir immer bewusst was dahintersteht und ich habe mich auch, im Rahmen meiner Möglichkeiten, mit der Person Lovecraft beschäftigt. Und das sollte bei jedem Werk getan werden. Egal ob Spiel, Film, Musik oder Bild. Natürlich darf bei einem Spiel mit mehreren Mitarbeitern nicht verallgemeinert werden. Nicht jeder der mit Vávra zusammenarbeitet folgt seinen Ideen. Nicht jeder der Lovecraft liest folgt seinem Weltbild. Nicht alle die mit Kevin Spacey gearbeitet haben folgen seiner Auffassung davon wie man mit Menschen umgehen sollte. Ein differenzierter und kritischer Umgang mit dem Werk, mit der eigenen Arbeit und auch den Fans ist ohnehin wichtig. Heute aber noch wichtiger geworden. Bei Spielen geht es nicht mehr nur darum wie das Gameplay und die Grafik ist. Wer Kultur will, der muss Kultur auch zulassen. Und wer Kultur zulässt, der muss auch Politik zulassen. Das gilt für alle Beteiligten.
Im Zuge von Cuphead und dem Schwierigkeitsgrad kam die Diskussion auf, ob Spielejournalisten gute Gamer sein müssten. Meines Wissens nach ohne darauf einzugehen was einen guten Gamer ausmacht.
Im Zuge von Kingdom Come Deliverance könnte man vielleicht die Frage stellen, ob Spielejournalisten gute Journalisten sein müssen. Welche Verantwortung haben sie vor ihrem Zielpublikum, also mir als Leser, den Blogs und auch der Spieleindustrie allgemein.
LikeGefällt 2 Personen