Ein Gastbeitrag von Yannic Hertel
im Rahmen des Gastautoren-Specials GASTSPIELER II.
Als mich Sylvio fragte, ob ich nicht Lust hätte mal einen Gastartikel für Spielkritik.com zu schreiben, musste ich nicht lange überlegen und sagte selbstverständlich sofort zu. Mit meiner Zusage wich das „ob“ dem „was“. Über welches Thema sollte ich schreiben? Natürlich gab es hunderte Möglichkeiten und Spielkritik ist ein wahres Füllhorn an tollen Artikeln. Also entschied ich mich, einen Artikel über das Thema zu schreiben, von dem ich wirklich Ahnung habe: Journalismus. Und wir befänden uns nicht auf Spielkritik, wenn es nicht passenderweise um Spielejournalismus gehen würde.
Ich schreibe seit 2014 für Spielewebseiten und studiere im letzten Semester Online-Journalismus. Vorweg sollte gesagt werden, dass ich noch in keiner Spieleredaktion gesessen habe. Alle Redaktionen, in denen ich bisher arbeiten durfte, sind dem „klassischen“ Journalismus zuzuordnen. Meine Überlegungen basieren daher vor allem auf Beobachtungen, Abstraktionen und Gelerntem:
Wenn ich mich in meiner Twitter-Blase umschaue, könnte man meinen, der Spielejournalismus stecke in einer ernsten Krise. Auf der einen Seite seelenlose Listicles und Spieletests mit dem Charme eines Stiftung Warentest; auf der anderen Seite hochanalystische Auseinandersetzung mit Spielen, gesellschaftskritische Fragen und das Bestreben Spiele endlich „ernst“ und „kritisch“ zu behandeln. Natürlich sind die Fronten nicht derart verhärtet, hier wird gerade ein wenig extrapoliert, aber die Grundprämisse ist ohne jeden Zweifel vorhanden.
Und wenngleich ich selbst ein Verfechter der Leitlinie „Spiele in das Feuilleton“ bin, möchte ich mich nicht so recht den Rufen nach „erwachsenen“ Spielemagazinen anschließen. Der Wunsch, dass Spiele durchgehend als Kulturgut betrachtet werden und die Behandlung als Produkt endgültig ihren Zenit überschritten hat, ist so sinnvoll, als würde man verlangen, dass alle Zeitungen auf einmal die Schreibweise und Themenschwerpunkte der FAZ übernehmen sollten. Es gibt ohne jeden Zweifel einen Markt für diese Art der Herangehensweise an Spiele, sowie es auch einen Markt für die reine Produktbewertung gibt – und der darf nicht außer Acht gelassen werden.
Doch auch die Gegner von „Spiele als Kultur“ müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass ihr geliebtes Medium eben nicht in einem luftleeren Raum existiert, in dem Spielmechaniken das einzige sind, was ein Spiel ausmacht und wo jedes Feature gegeneinander aufgewogen werden kann, bis man am Ende, unter hohem Druck, eine solide Zahl – einem Diamanten gleich – herauspressen kann.
Tatsächlich sind die Verfechter der Zahlen sogar diejenigen, die mit den Wertungen am wenigsten zufrieden sind. Kaum eine Kommentarspalte unter einer Review kommt ohne Beschwerden über die „zu hohe“ oder „zu niedrige“ Bewertung aus. Ganz beliebt ist auch der „Und was ist mit“-User, der jedes Mal mit einer beängstigenden Genauigkeit zwei nicht miteinander vergleichbare Spiele gegeneinanderschlägt und Rechtfertigungen von Seiten der Redakteure verlangt.
Womöglich wäre es an der Zeit, einen Cut unter die Bewertungen zu setzen. Noch einmal von vorne anzufangen – Spiele wieder zu bewerten wie „damals“. Natürlich versaut man damit den Schnitt – und ja, einige Entwickler bekommen nur dann Bonuszahlungen, wenn das Spiel eine gewisse Durchschnittswertung erreicht. Aber liebe Spieleredakteue: Das. Ist. Nicht. Euer. Problem.
Man stelle sich vor, Wirtschaftsjournalisten gingen auf einmal zahm mit Managern um, weil diese sonst womöglich ihre Bonuszahlungen verlieren. Ich lese doch auch gerne klassischen Spielejournalismus – aber traut euch endlich was. Schreibt ehrlich, kritisch und wenn ihr Zahlenwertungen vergebt, begründet sie.
Dann haben wir noch die Spielkritiker, die gerne in die Tiefenanalyse gehen. Ich selbst zähle mich auch nur zu gerne zu dieser Art von Kritikern. Aber eines muss ich vorneweg sagen: Nicht jeder geistige Erguss ist es wert in Textform gegossen zu werden. Damit will ich kreative Ideen und Denkansätze nicht abstrafen. Das Schöne an dieser Art des Journalismus ist ja, dass die Gedanken eben frei sind – dass jede Assoziation erlaubt ist. Ich lese beinahe jeden Artikel dieser Art, weil ich selbst immer etwas daraus lerne. Aber: Oftmals ist Kritik um der reinen Kritik willen ebenso zahnlos wie Lobgesänge. Wenn sich eure Artikel lesen, als hättet ihr die Zerrisse vor dem Kamin mit Chardonnay in der Hand geschrieben, verlieren sie an Sprengkraft – weil die Gegner dieser Sichtweise euch vorwerfen, dass ihr abgehoben diskutieren würdet. Versteht mich nicht falsch: Entschiedene Gegner dieser Art von Journalismus werden diese Vorwürfe immer erheben. Aber bitte lasst es nicht soweit kommen, dass ich nachvollziehen kann, woher dieser Gedanke kommt.
Aktuell besteht der deutsche Spielejournalismus bis auf wenige Ausnahmen aus diesen beiden Lagern, die relativ unversöhnlich miteinander um die Deutungshoheit streiten. Was beide Kontrahenten dabei jedoch oft vermissen lassen, ist der kritische Journalismus. Und damit meine ich nicht, dass Spiele nicht kritisch besprochen oder auf ihre Inhalte abgeklopft werden. Spiele sind noch immer Wirtschaftsprodukte. Und so handeln auch die Entwickler – mir fehlt das kritische Nachfragen, das penetrant sein. Viele Publisher sind an der Börse und müssen ihre Papiere offenlegen – es gibt Methoden gewissen Dingen auf den Grund zu gehen. Das wird jedoch leider nur selten getan und zu oft wird mit den Achseln gezuckt. Lootboxen sind kurze Aufreger, aber der Sache genau auf den Grund gehen mag niemand. Natürlich sprechen Entwickler nicht gerne darüber, aber die Beziehungen zur Industrie sind da. Nutzt sie. Nicht die kritischen Journalisten sind das Problem, sondern die netten.
Ob sich dieses Thema so schnell ändern lässt wage ich zu bezweifeln, vor allem da fraglich ist, wie viele Spieler all das wirklich interessiert – und letztlich ist Interesse die Währung des heutigen Journalismus. Kann ich Interesse für mein Produkt generieren, klicken die Leute entweder – was mir Werbegelder einfährt – oder aber sie sind sogar bereit meine Artikel zu kaufen. Und hier sind wir beim eigentlichen Kernthema – heutzutage stehen nur noch wenige Spielezeitschriften für etwas. Während wir bei der klassischen Presse durchaus wissen, was wir bei Spiegel, Zeit, der FAZ, der Süddeutschen und der taz erwarten dürfen, scheint mir die deutsche Landschaft der Spielemagazine relativ einförmig. Letztlich erhalte ich Tests, ab und an eine Reportage, und womöglich bewertet ein Heft kritischer als ein anderes. Doch das reicht nicht mehr.
Bildet ein eindeutiges Profil heraus – steht für etwas. Womöglich müssen auch wir Verfechter des „Spiele in das Feuilleton“ uns eingestehen, dass unsere Texte nur dort hingehören und überleben können. In das Feuilleton der Zeit, auf Spiegel oder auch zu WIRED. Dort landen sie mittlerweile auch immer öfter. Wir müssen akzeptieren, dass sie eben nicht für jedermann etwas sind. Dass die „Masse“ eben kein Interesse daran hat, wie die Psyche von Senua aussieht, sondern wie viele Waffen das neue Call of Duty hat. Das ist legitim. Denn auch Journalismus ist letztlich ein wirtschaftliches Produkt – und für ein solches gilt: Liebe Leser, wenn ihr da draußen tiefgreifende Artikel lesen wollt, die nicht die Masse ansprechen, dann bezahlt dafür. Bewerbt sie, teilt sie mit Freunden, die diese Art von Artikel ebenfalls interessieren könnte. Und kauft auch wieder Spielemagazine. Denn ansonsten müssen Verlage, um weiter überleben zu können, unselige Ehen eingehen. Mit Keysellern; womöglich auch mit Publishern. So stirbt jede Form der Unabhängigkeit. Zeigt den Redakteuren, dass ihre Arbeit euch etwas wert ist.
Und zeitgleich:
Liebe Redakteure. Liebe Kollegen,
nehmt euch nicht so wichtig. Wir sind nicht der Nabel der Welt. Steht für eure Art des Journalismus ein und zieht euch eure Community dafür heran. Seid standhaft, ehrlich und vor allem: transparent. Dass das funktionieren kann, zeigen allen im deutschsprachigen Raum Projekte wie „Auf ein Bier“ und „Insert Moin“. Und letztlich, auch wenn es schmerzt: Ein positiver Artikel über ein Videospiel verkauft dieses heutzutage nicht mehr. Es ist beinahe egal – dank Streamern läuft die Hype-Maschine sowieso schon lange im Voraus und das meiste Geld wird mit Vorbestellern und Tag-1-Käufern gemacht. Es gibt einen Grund, weshalb euer NDA oft erst am Tag der Veröffentlichung oder sogar später fällt. Ihr seid nicht den Firmen zu etwas verpflichtet. Sondern den Spielern – euren Lesern. Informiert sie. Seid kritisch und hechelt nicht jedem Hype-Train hinterher. Das kostet Glaubwürdigkeit und der Schaden, der so entsteht, lässt sich mit ein paar tausend Klicks nicht aufwiegen.
Der Autor: 
Yannic Hertel (@games_newsman)
Podcastet auf Culturevania.com und schreibt auf Videospielgeschichten.de und VRNerds.de.
1991 im Saarland, nahe der Grenze zu Frankreich zur Welt gekommen, bastelte Yannic Super Mario aus Pappe, während er auf sein Nintendo 64 wartete. Seit seiner ersten Ausgabe der GamePro glomm schließlich der Wunsch, über Spiele auch zu schreiben. Es folgten ein Journalismus-Studium, eine Anstellung bei der FAZ und Praktika u.a. bei der Frankfurter Rundschau, bis 2017 auch im Bereich Spielejournalismus alles ganz schnell ging: Mit dem Podcast-Format Culturevania, mit angriffslustigen Gastbeiträgen und neuerdings als zweiter Mann an der Spitze von VSG, erwarb Yannic sich einen Namen als eine der markantesten Stimmen der deutschsprachigen Games-Blogosphäre. [sk]
Wie immer ein toller Gastbeitrag und Yannic schreibt ja sowieso immer sehr gute Artikel.
Ich musste beim lesen direkt an eine der letzten Pixelfrauen-Ausgaben denken. Auch wenn es nicht grundsätzlich um Spielejournalismus ging, ist es doch auch zum Artikel passend. Zudem hab ich dort auch schon etwas zum Thema geschrieben.
https://www.iknowyourgame.de/podcasts/pixelfrauen-folge-9-branchenethik/
Ich möchte trotzdem noch ein wenig mehr schreiben. Ich bin kein Journalist und habe auch nur die Einblicke in den Journalismus den ich als Außenstehender erhalten kann. Gleiches gilt für die Arbeit in der Spielebranche. Trotzdem interessiert mich beides sehr. Einzeln und in Kombination.
Nun aber zum Thema. Ich bin im Grunde der gleichen Meinung wie du Yannic. Ich halte auch nichts davon, dass es scheinbar nur noch schwarz und weiß gibt. Also entweder nur noch den Feuilleton oder So-krass-ist-das-neue-XY! Dabei macht doch gerade die Vielfalt die Spiele so toll und gleiches sollte auch für den Spielejournalismus gelten. Ich mag Artikel die sich hintergründig mit den Spielen und seinen Themen beschäftigen, aber ich mag es auch mal zu lesen, wenn über die spaßige Seite geschrieben wird und einfach mal ein Spiel als das gesehen wird was es ist. Entertainment. Beides steht meiner Meinung nach auch in keinem Widerspruch zueinander.
Ich denke eher, dass das Problem in einer Ungleichverteilung liegt, die vor allem einem wirtschaftlichen Gedanken geschuldet scheint. Und wenn sich nunmal Top10-Artikel besser klicken und somit einen höheren Gewinn haben, dann ist das traurig. Schließlich geht in einen guten Artikel viel Arbeit. Und die sollte auch honoriert werden. Sowohl finanziell als auch von der Aufmerksamkeit. Sei es auf Seiten der Spieler oder auf Seiten der Nicht-Spieler. Damit nicht immer nur die großen Titel den Weg in die allgemeine Aufmerksamkeit finden und die Spiele in der Allgemeinheit breiter auftauchen.
Du sprichst aber auch schon einen weiteren Aspekt an, die dem klassischen Journalismus gefährlich werden könnten. Und das sind YouTuber. Das soll keine generelle Kritik sein. Es gibt wunderbare Kanäle die sich differenziert mit Spielen und spielenahen Themen beschäftigen, aber es gibt auch diejenigen, die sich beeinflussen lassen. Egal ob bewusst oder unbewusst. Das ist auch kein Vorwurf. Aber gerade in solchen Fällen ist es besonders wichtig einen funktionierenden Journalismus zu haben, der auch immer wieder kritisch berichtet. Das gilt für jedes Thema was journalistisch aufbereitet wird.
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Schöner Beitrag, von dem ich mich als ehemaliger Superlevel-Autor, denen ja gerne alleroberste Elfenbeinturm-Hipsterei nachgesagt wurde, natürlich auch persönlich angesprochen fühle. Und das ist sicher nicht ganz unbeabsichtigt ;)
Es gibt sie auf jeden Fall, diese beiden Enden des Spektrums und den Konflikt zwischen ihnen. Allerdings sehe ich auch die Gefahr, dass wir uns da zu sehr in einer selbsterfüllende Prophezeihung reindiskutieren.
Magazine wie die WASD sind einerseits kritisch und verkopft, aber andererseits auch genau so verspielt, mit einer total kindlich-naiven Liebe für Videospiele. Und klar, ein Review in der GameStar ist meistens weit von einer inhaltlich tief gehenden Rezension entfernt und eher einer dieser Produkttest, aber im selben Magazin gibt’s dann auch genau diesen „echten“ Journalismus mit großem J, von dem du sprichst.
Die Vielfalt ist da, wir konzentrieren uns nur zu oft auf die beiden Enden des Spektrums. Und da ist die Besprechung von Spielen wohl genau wie Videospiele selbst. Denn ja, klar sind die Kunst. Und ja, klar sind die kommerzielles Produkt. Nicht mehr und nicht weniger und alles dazwischen.
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Sehr schöner Beitrag. Er spricht etwas an, das mich seit geraumer Zeit „nervt“.
Der Artikel kommt auf jeden Fall in unseren Wochenrückblick. :)
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Ah ja, ich bin mir nicht sicher ob ich laut lachen oder lieber weinen soll. Da hat jemand noch nicht einmal die Uni verlassen, meint aber schon sich vollends mit dem Journalismus auszukennen, nun ja geschenkt. Aber dieser Vergleich mit dem Wirtschaftsjournalisten, köstlich, so etwas wäre in der handzahmen deutschen Presselandschaft ja wirklich total undenkbar. Aber wer den Widerspruch in seinem eigenen Text nicht erkennt, obwohl er das Kernproblem (Journalismus ist ein Produkt) klar belegt und damit dann auch schon alles gesagt wäre, wie unabhängig und kritisch Journalismus überhaupt sein kann, der von seinen Anzeigen abhängig ist, dem kann auch nicht mehr geholfen werden. Journalisten halt…
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Es freut mich sehr, wenn du diesen Artikel so köstlich fandest.
Ich kenne mich mit Nichten vollends im Journalismus aus, ich denke das kann kaum jemand behaupten, aber ich wage zu behaupten, dass ich nach mehr als drei Jahren Studium, Texten bei ZDF, Frankfurter Rundschau und einer Anstellung bei der FAZ durchaus auf einen gewissen Erfahrungsschatz zurückblicken kannst.
Was genau du mit diesem Kommentar allerdings aussagen wolltest, bis auf überhebliche und inhaltsleere Floskeln erschließt sich mir allerdings nicht ganz.
Und du scheinst den Text nicht sonderlich aufmerksam gelesen zu haben, sonst wäre dir aufgefallen, dass ich durchaus die Leser in die Pflicht genommen haben unabhängigen Journalismus auch finanzierbar zu machen.
Aber eine derart tiefgehende Auseinandersetzung mit dem Text hätte dich natürlich der Möglichkeit beraubt mit einem süffisanten Grinsen über diesen her zu ziehen. Leider sehe ich hier aber auch keinerlei Wunsch nach einer differenzierten Diskussion.
Wenn dir der Text nicht gefällt werden wir beide damit leben müssen und du darfst dich natürlich über jede andere Quelle deiner Wahl informieren.
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Ok, erst mal rausdroppen was man alles für key skills in seinem CV aufweisen kann, soll ich jetzt in Ehrfurcht erstarren? FAZ und ZDF, hui hui hui. Und dann, logo, der Klassiker, ich habe den Text natürlich nicht richtig gelesen und/oder verstanden.
Journalismus wird also unabhängig, wenn die Leser ihn finanzieren. Das funktioniert ja auch echt töfte bisher bei all den hochfliegenden Projekten, die dann alle eine Bauchlandung hinlegten. Und wie genau wird dadurch der Warencharakter des Journalismus aufgehoben? Aber echt geschenkt, Betriebsblindheit nennt man das wohl. Viel Spaß noch bei der FAZ, die sind genauso verbrämt.
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Hey FA,
du sollst ganz und gar nicht vor Ehrfurcht erstarren, aber wer mir sämtliche Kompetenz abspricht, den versuche ich nun mal mit Beweisen vom Gegenteil zu überzeugen. Tatsächlich wäre ich noch immer an einer gleichberechtigten Diskussion interessiert.
Wie sähe denn deiner Meinung nach eine Lösung für die bestehende Problematik aus?
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Ein schöner und interessanter Beitrag!
Das Thema ist sicher nicht neu und hat in den Redaktionen dieser Welt bestimmt immer wieder einmal auf der Tagesordnung gestanden. Wofür steht die Publikation? Wie schärft man das Profil? Ich bin vor einiger Zeit bei der Rückschau zu einer (fast) vergessenen Heimcomputerzeitschrift zu einem Gedanken gekommen, der gut zu Deinem Beitrag passt. Er steht hier im Fazit: https://www.videospielgeschichten.de/joystick-portrait-einer-spielezeitschrift/
„Genau hier kann die Joystick von 1988 vielleicht auch heute wieder ein Vorbild sein. Spielbeschreibungen gibt es mittlerweile im Internet wie Sand am Meer. Mehr Courage, Humor und Originalität im geschriebenen Wort – da kann die Zukunft des Spielejournalismus liegen.“
Ich glaube mit ihrer Originalität konnten die Zeitschriften damals feste Leserschaften an sich binden. Warum sollte das im Online-Journalismus von heute nicht auch funktionieren? Ich jedenfalls freue mich immer über Ecken und Kanten eines Beitrags, hinter dem ich immer auf den Autor sehe. Und ich finde dass es gerade hier bei den Gamingblogs viel zu entdecken gibt.
Blogs wie Spielkritik und Beiträge wie dieser sind ein gutes Beispiel dafür. Das sich dabei immer auch Meinungen herauslesen lassen muss ja nicht jedem gefallen.
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Das sehe ich ganz ähnlich. In einem Bereich, wo die Quantität, bedingt durch die heutigen technologischen Rahmenbedingungen, de facto grenzenlos ist, und wo Geschwindigkeit den Meldungen in den sozialen Netzwerken praktisch immer hinterherhinkt – und deshalb mit all dem auch kaum noch Geld zu verdienen ist – da muss sich der Journalismus auf Originalität und Qualität konzentrieren. Inwiefern die dann monetär wertgschätzt werden, und wie man Bezahlmodelle am besten gestaltet, ist dann noch einmal eine andere Frage.
Für Spielkritik hab ich mir beispielsweise vorgenommen, besonders großen Wert auf das sprachliche Niveau der Texte zu legen und werde deshalb versuchen, dafür eine Lösung zu finden. Ich denke, dass das ein Punkt ist, wo man sich gerade heute vom Gros der Blogs und mittelgroßen Games-Websites abheben kann (was nicht heißen soll, das Blogs ohne einen solchen Anspruch uninteressant wären, man kann dort sehr viel Verspieltes und Originelles finden).
Das ist es nämlich auch, was mir von gedruckten Heften immer besonders stark in Erinnerung blieb: Der schiere Lesegenuss, früher in der GEE, heute in der WASD beispielsweise. Aber auch Superlevel war auf diesem hohen Niveau.
Damit will ich nicht sagen, das für mich Sprache über Inhalt geht: Aber das geschriebene Wort ist nun einmal das Kommunikationsmittel der Printmagazine und Blogs. Wenn es aber rein als Werkzeug ohne Eigenwert betrachtet wird, wenn die Sprache als solche also keinen Reiz hat, dann muss man sich nicht wundern, wenn Video- und Audio-Formate durch die Decke gehen und geschriebenen Artikeln den Rang ablaufen.
Da habe ich manchmal den Eindruck, die Leute haben vergessen, was man mit Worten machen kann. ;)
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Ein wirklich sehr interessanter Beitrag, vielen Dank erstmal dafür und diese Einsichten!
Besonders den Vergleich zum Wirtschaftsjournalismus fand ich sehr Augen öffnend, aber auch die an sich gegebenen Möglichkeiten, aus der Lootbox-Geschichte mehr zu machen. Wobei ich hier verstehe, dass es einen Großteil der jeweiligen Zielgruppe höchstwahrscheinlich gar nicht interessieren würde, würde man hier näher ins Detail gehen und mehr Arbeit in diese Berichterstattungen investieren.
Spieletests sind für mich persönlich absolut null interessant. Ich lese, schaue, höre gerne Beiträge, in denen versucht wird, sich näher, auf eine vielleicht bisher nicht so da gewesene Art und Weise mit einem Spiel auseinanderzusetzen.
Tatsächlich hab ich zuhause auch gerne Print. Aber da ich mir aus Tests nichts mache, sind meist 50% der Inhalte schon nicht mehr interessant für mich (abseits davon, dass die nächste Ausgabe dann eh schon wieder so weit nach Release ist, dass es für mich ohnehin nicht mehr relevant wäre). Etwas, was mich aber immer wieder stört, wenn ich mir die Auslage mit den Gaming-Zeitschriften anschaue: die Aufmachung. Für mich sieht vieles aus nach „Nerd-Bravo“. Bunt, viel, durcheinander. Gleichzeitig sehe ich die tausendste Klick-Strecke auf den groß bekannten Onlineseiten. Ich verstehe, dass die Klicks nötig sind, aber dabei komme ich mir als Nutzer auch nur schmutzig und benutzt vor. „Top 10 Spiele 2017“, aber nicht schön in einem Artikel aufgelistet, sondern einfach nur als Bilderstrecke, durch die man schnell ein paar Klicks generiert hat.
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Hallo Sophia! Schön, dass du hier bist, und danke für deinen interessanten Kommentar. :)
Das was du am Anfang sagst, in Sachen Zielgruppe, bringt mich auch zu der Frage, ob sich mit einem anderen Spielejournalismus nicht nur die schon vorhandene Zielgruppe anders ansprechen ließe, sondern auch eine ganz neue Zielgruppe erschließen ließe – und zwar nicht nur eine neue Zielgruppe für den Spieljournalismus selbst, sondern auch für digitale Spiele.
Ich hab das nämlich kürzlich erst erlebt, wie eine eigentlich an Games so gut wie gar nicht interessierte Person (und demnach eine Person, die sich für Spielejournalismus eigentlich erst recht nicht interessieren dürfte) auf Anhieb sehr interessiert war, als es um eine Betrachtung im Sinne eines New Game Journalism ging. Konkret um die politischen und kulturhistorischen Aspekte in Xenoblade Chronicles X; ich hatte dazu für die aktuelle Ausgabe der GAIN einen Artikel geschrieben.
Diese Reaktion führt mir dann nochmal vor Augen, dass es natürlich immer noch unheimlich viele Menschen gibt, die Videospiele noch gar nicht als ein Medium erkannt haben, dass ihnen etwas bieten kann, über „Spielspaß“, Zeitvertreib und Geschicklichkeitsprüfungen hinaus. Diese Blickweise wirkt natürlich auch auf die Erwartungshaltung und somit die Wahrnehmung beim Spielen, selbst wenn man das Spiel tatsächlich beginnen sollte. Oder anders ausgedrückt: Von Filmen oder Büchern erwartet selbst der Durchschnittszuschauer bzw. -leser so etwas wie eine Message und Bedeutung. Von Spielen eher nicht.
Hier könnte ein anderer, „neuer“ Spielejournalismus also nicht nur den Blick der bereits Spielenden verändern, sondern auch einen Blickwinkel anbieten, der Noch-Nicht-Spielende zum Medium hinführen kann.
Eigentlich kann ich das sogar bei mir selbst beobachten, obwohl ich all die Zeit Spieler bin und war. In der Zeit, als mich der Journalismus langweilte, hab ich auch weniger gespielt – ein anderer, interessanter Spielejournalismus macht mir heute wieder Lust auf Spiele, weil er mich die Spiele anders und interessanter erleben lässt.
Hmm. Ich hoffe, das war einigermaßen verständlich…? :D
Und noch kurz zum Thema Aufmachung: Mich erstaunt, dass sich da auch bei den großen Heften wie der GameStar so wenig tut – die ich inhaltlich sehr respektabel finde (auch wenn es kaum meinen Interessen entspricht) aber halt immer noch ausschaut wie vor 1-2 Jahrzehnten.
Die WASD ist natürlich das lebende Gegenbeispiel.
Herzlichen Glückwünsch noch zum Start eures vielversprechenden Blogs! Ich kann noch nicht sagen, woran es genau liegt, aber der spricht mich auf Anhieb an, vielleicht weil er so erfrischend selbstbewusst und entschieden daherkommt. Tatsächlich hätte ich direkt Lust auf einen Gastartikel (und genügend mögliche Themen, nicht Games, sondern eher Literatur) aber die nächsten Wochen leider nicht die Zeit. Aber möglicherweise schreibe ich euch im Frühjahr ja mal an.
In unserem nächsten „Lesenswert“ ist mindestens einem eurer Artikel auch schon ein Platz sicher. ;)
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