Die handverlesenen Games-Lesetipps der Woche – heute einmal in einer rein deutschsprachigen Edition:

Für Zockwork Orange greift Fabian Fischer die Frage auf, ob Spiele Geschichten erzählen sollten – und lenkt den Blick auf das Wie. Gudrun Hoffmann-Schoenborn von Fried Phoenix kritisiert das Phänomen der Selbstsexualisierung unter Videospiel(-blog-)erinnen. Darüber hinaus geht es um den Wesenskern von Monster Hunter, um Escort-Damen in Second Life, und um die Bedeutung von Innovationen für die Spieleindustrie. Außerdem sei die so akribische wie lehrreiche Suche nach den Kriterien für Hauptstädte in Civilization V und VI empfohlen, und zwar beispielhaft für eine ganz Reihe von interessanten Artikeln auf dem Blog „Videospielhistoriker“.

Hörenswert ist Pascal Wagners linguistisches Gastspiel beim Culturevania-Podcast zum Thema Sprache in Videospielen. [sk]


Quo vadis, Gamergirl?
(fried-phoenix.de, Gudrun Hoffmann-Schoenborn)

[…] Sie rotten sich zusammen, erstellen Bloggemeinschaften rein weiblicher Besetzung, spielen in rein weiblichen Teams und gründen Frauengilden. Sie grenzen sich ab, anstatt sich einzugliedern. Mehr noch: Man macht ganz bewusst auf den Status als Frau aufmerksam. Blognamen tragen plakativ “with curves”, “girl” oder “sexy” mit sich herum. Man macht sich selber zur (teils sexualisierten) Randgruppe. “Hallo, ich bin ein Gamergirl! Hört ihr?! Ein sexy Ga-mer-girl!” Mädels, das habt ihr nicht nötig. […]

Lasst Hollywood aus dem Spiel!
(zockworkorange.com, Fabian Fischer)

[…] Nun ist es nicht so, als sollten Spiele nicht erzählen. Lediglich den Versuch, dies genauso oder so ähnlich wie nicht-interaktive Medien zu tun, bezeichnet Bogost als „ambitionslos“. Vielmehr sollte sich die Geschichte aus dem Kern jeder Spielerfahrung, der aktiven Beteiligung des Spielers, ergeben. Bedeutung sollte, wann immer möglich, (auch) durch Gameplay erzeugt werden statt bloß passiven Konsum. Im Folgenden werden einige mögliche Betrachtungsweisen eines solchen „narrativen Gameplays“ vorgestellt. […]

Wortreich #2: Ein paar (hoffentlich) innovative Bemerkungen zur Innovationsdiskussion
(thevirtualmirror.wordpress.com, Wolfgang Walk)

[…] Dies ist weniger ein Vorwurf an die AAA-Entwickler. Wenn überhaupt, dann kann man den Publishern einen machen. Denn abgesehen von den Quartalszahlen hindert eigentlich nichts die großen Publisher daran, sich talentierte Indie-Teams zu halten, die neue Konzepte erproben und bis zur Marktreife entwickeln, ohne dabei in finanzieller Armut und am sozialen Abgrund leben zu müssen. Die paar Millionen, die das kosten würde, kämen zwar langfristig durch exzellent zu Ende gedachte und deshalb vom Publikum schnell akzeptierte Innovationen leicht wieder rein. Aber die Börse interessiert sich dafür nur mäßig. Die interessiert nur das nächste Quartal. […]

Monster Hunter World markiert den Unterschied zwischen „sollte“ und „muss“ man spielen
(eurogamer.de, Gregor Thomanek)

[…] Wenn gerade westlicher Spieler immer wieder stammelnd nach einer Erklärung dafür suchten, wie eine konsequent auf repetitiven Grind gebürstete Reihe über 40 Millionen Einheiten absetzen konnte, dann eben auch deshalb, weil die gern herangezogene Loot-Erklärung zu kurz greift. Sie unterschlägt nämlich einen kaum minder entscheidenden Erfolgsfaktor: Die Simulation einer ebenso fremdartigen wie vereinnahmenden Parallelwelt. […]

Eine geführte Tour hinter den Kulissen der Sex-Industrie von Second Life
(motherboard.vice.com, Dominik Schott)

[…] Besonders erstaunt hat uns während unserer Recherchen im erotischen Milieu von Second Life, wie gut organisiert und professionalisiert die Escort-Szene ist. Neben einigen Escorts, die selbstständig und als ihr eigener Chef arbeiten, sind die meisten von ihnen „Angestellte“ eines „Clubs“. Die Clubs lassen sich am ehesten mit Nachtclubs vergleichen: Verwaltet von Chefs und Assistenten lässt ein solcher Laden Escort-Damen für sich arbeiten. Von diesem Verhältnis profitieren beide Parteien: Während der Club einen Prozentteil der Einnahmen ihrer Angestellten einstreicht und mit diesem Geld unter anderem die Mietkosten des Servers, „Landkosten“, bezahlt, stehen die Escort-Damen unter dem besonderen Schutz ihres Clubs. […]

Hauptstadt-Kriterien in Civilization
(videospielhistoriker.wordpress.com, bdbjorn)

[…] Die Wechselwirkung zwischen Aachen und Barbarossa existiert und nun würde es auch darum gehen, die übrigen Wechsel zu analysieren. Und es zeigt sich folgendes Bild: Bei den Arabern hat Saladin ähnliches für Kairo getan, wie Barbarossa für Aachen. […] Gehen wir weiter in den Osten, nach China: […] Als Qin Shihuangdi 221 v.Chr. das chinesische Kaiserreich gründete, wählte er welche Stadt als Hauptstadt? Richtig: Xi’an! […] Von Roosevelts Regierungszeit im Weißen Haus von Washington über Trajan in Rom bis hin zu Gilgamesch, dem König von Uruk. Alle Hauptstädte in folgen diesem Muster, entweder einen direkten Bezug zum Herrscher zu haben, oder zumindest zu deren Lebzeiten Hauptstadt des jeweiligen Landes zu sein. […]


Hörenswert

Folge 17 – Sprache in Videospielen
(Culturevania; 13.10.2017; 01:40:38)

Im bisher aufwendigsten Culturevania-Podcast haben Julian und Yannic den Initiator von Language At Play zu Gast: Auf diesem Blog beschäftigt sich Pascal Wagner mit Themen im Spannungsfeld zwischen Games und Linguistik. Sprache als Waffe, sprach-erkennende Viren in Metal Gear Solid 5 und Dialekte in Fantasywelten sind nur einige der Themen, die das Trio im Podcast beschäftigen. [sk]

Lust auf mehr? Die Games-Lesetipps der Woche gibt es jetzt immer freitags bei Spielkritik.com. Die letzte Ausgabe von Lesenswert findet ihr HIER.