Ein Gastbeitrag von Viktoria Hellmann
im Rahmen des Gastautoren-Specials GASTSPIELER II.
Folgendes Szenario sollte euch allen bekannt sein: ein neues Spiel erscheint, ihr freut euch, legt die Disc in eure Konsole oder euren PC und wollt am liebsten direkt loslegen. Seit einigen Jahren begrüßt euch jedoch erst einmal ein nur allzu bekannter Text auf dem Bildschirm: Update der Größe x muss vor dem Start heruntergeladen und installiert werden.
In diesem Artikel möchte ich diskutieren, ob Updates und Patches nun eher Fluch oder eher Segen sind und was ich von ihnen halte.
Ein unschlagbarer Vorteil von Updates ist die Möglichkeit, das Spiel und Spielerlebnis für die Konsumenten stetig zu verbessern. Kritik aus der Community kann aufgegriffen und zeitig umgesetzt werden, wodurch Bugs und Glitches behoben oder gar Sicherheitslücken nachträglich geschlossen werden können. Diese Möglichkeit ist der Hauptgrund, wieso Patches und Updates in ihrer heutigen Form überhaupt existieren. Bis zu einem bestimmten Punkt betrachte ich diese nachträglichen Verbesserungen, besonders aber die Schließung von Sicherheitslücken als eine Art Pflicht der Entwickler. Sich auch nach Veröffentlichung des Spiels um seine Käufer und deren Erlebnis zu kümmern und soweit es geht kostenlos nachzubessern stellt eine Wertschätzung des Käufers dar.
Ein weiterer Vorteil ist die Tatsache, dass diese Verbesserungen, wie eben erwähnt, kostenlos zur Verfügung gestellt werden. In vielen Multiplayer-Titeln gehen Updates sogar über den Punkt der Verbesserungen hinaus und die Entwickler stellen – im Gegensatz zu DLCs – kostenlos neue Waffen, Maps oder kleinere Storyfragmente zur Verfügung. Nintendo hat beispielsweise mit ihrem Online-Shooter Splatoon ein Paradebeispiel für nachträgliche Unterstützung und Spielerweiterung durch kostenlose Zusatzinhalte geschaffen. Hier bekommt ihr auch noch Monate nach dem Kauf in regelmäßigen Abständen neue Waffen und die ein oder andere neue Map kostenlos zur Verfügung gestellt, damit der Spielspaß erhalten bleibt und euch Abwechslung für einen recht langen Zeitraum garantiert ist.
Im Grunde genommen sind Updates und Patches also eine wunderbare Möglichkeit, dem Käufer auch nach Erwerb eines Spiels neue Inhalte zu bieten und bestehende Inhalte stetig zu verbessern, um das bestmögliche Spielerlebnis zu bieten, in erster Linie unabhängig vom Kaufpreis des Spiels.
Die Kehrseite der Medaille
Doch hier gliedert sich der größte Kritikpunkt am bestehenden System an. Durch nachträgliche Updates sehen einige Entwickler sich dem Vorwurf ausgesetzt, ihre Spiele nicht vollständig zu entwickeln und „halbfertig“ auf den Markt zu bringen, um sie, wenn überhaupt, erst hinterher zu vervollständigen. Spiele werden nicht mehr auf Herz und Nieren vor Verkaufsstart geprüft; stattdessen werden eventuell auftretende Fehler von der Community entdeckt und erst dann behoben. Auf diese Weise sparen sich Entwickler sowie Publisher im Vorfeld einiges an Geld, Zeit und Mühe, wodurch ein höherer Gewinn zu Verkaufsstart eingefahren werden kann. Spiele kommen früher auf den Markt, was gegebenenfalls einen Vorsprung zur Konkurrenz bedeutet, währenddessen die Käufer bereits zur Kasse gebeten werden können.
Ein weiterer großer Nachteil ist die Tatsache, dass solche Patches mittlerweile mit Release des Spiels auf den Markt gebracht werden, um unter anderem erste bekannte Fehler auszumerzen. Dadurch verdichtet sich nicht nur der Vorwurf, den Kunden schnell zur Kasse bitten zu wollen, sondern für einen Teil der Käufer ergibt sich ein ganz anderes Problem: Ist die Internetleitung nicht stabil oder schnell genug, lässt die Fertigstellung des Day-One-Patches erst einmal mehrere Stunden auf sich warten. Mir ist es nicht nur einmal passiert, dass ich ein Spiel gekauft, in die Konsole eingelegt, den Download gestartet habe und erst am nächsten Tag endlich zocken konnte, da die vorgesetzten 8 GB Download erst einmal über Nacht heruntergeladen werden mussten. Inzwischen ist selbst unser Dorfinternet etwas besser ausgebaut, wodurch sich das Warten etwas verkürzen ließ; dennoch ist es alles andere als spaßig, vor dem ersten Zocken erstmal stundenlang Updates und Patches zu ziehen und zu installieren.
Und wie war die Zeit ohne Updates und Patches?
Für mich war diese Zeit meine Kindheit und bedeutet genau das, was ich eingangs beschrieben habe: ein neu gekauftes Spiel kann ganz unproblematisch eingelegt und direkt gezockt werden. Niemand musste sich Gedanken machen, ob die Internetverbindung nun stabil und schnell genug ist, um die teils immens großen Downloads zu bewältigen und wie viele Stunden man nun noch abwarten muss. Der größte Patch, den ich je herunterladen musste, war der über 7 GB große Day-One-Patch für Wolfenstein: The New Order. Erst am Tag nach dem Kauf konnte ich loszocken, da der Download über Nacht laufen musste.
Ein großer Nachteil der Zeit ohne Patches war entsprechend die Tatsache, dass bestehende Fehler in Spielen im Nachhinein nicht mehr behoben werden konnten. Als erstes fällt mir hier die Wii-Version von Tomb Raider: Underworld ein. Ein großer Aufreger zur Veröffentlichung im Jahr 2008 war ein fehlender Hebel, was ein Weiterkommen im Spiel unmöglich machte. Dieser Bug betrifft lediglich einen Teil der Wii-Versionen und ließ sich nicht entfernen, da die Wii, im Gegensatz zu ihren Konkurrenzsystemen, generell kaum Patches ermöglichte.
Im Gegensatz dazu war der Vorgang des Kaufens und Losspielens ein ganz anderer, er lief deutlich schneller ab: man schnappte sich das Gerät der Wahl, legte das entsprechende Spiel ein und zockte los – alles ganz einfach und unproblematisch. Hier fällt mir als erstes Animal Crossing für den Nintendo DS ein. Als ich das Spiel kaufte, konnte ich es kaum abwarten endlich auf dem Heimweg zu sein. Zuhause angekommen nahm ich die Cartridge aus der Packung, legte sie in die Konsole, startete das Spiel und verbrachte von diesem Zeitpunkt an etliche Stunden in meiner eigenen kleinen Stadt.
Meine persönliches Fazit zu Updates und Patches?
Auch wenn ich die Wartezeit und die teilweise riesige Masse an Downloads, die nach dem Kauf eines Spiels auf einen zukommen meist als nervig empfinde, weiß ich die Möglichkeit der nachträglichen Verbesserungen sehr zu schätzen. Meine Kindheit gestaltete sich in puncto Gaming ohne diese Downloads zwar als recht einfach, dennoch möchte ich nicht mehr auf Verbesserungen oder kleinere Erweiterungen verzichten.
Seitens der Entwickler und Publisher würde ich mir aber wünschen, dass wieder mehr Ressourcen in die Qualitätskontrolle vor Release investiert würden. Statt massig Patches im Nachhinein sollten die Spiele von Anfang an gewissenhaft auf Fehler überprüft werden – Spieletester sollten einfach nicht die Käufer eines unfertigen Spiels sein.
Die Autorin: 
Viktoria Hellmann (@vikoooy1)
Schreibt auf Nerdasutra.com.
Seit ihrer Kindheit in Nintendo und die Zelda-Reihe verliebt, ist Viki im Kokiri-Wald fast ebenso sehr daheim wie im realen Westerwald. Ob es wohl der fortdauernden Gesellschaft des musikalischen Allrounders Link zu verdanken ist, dass sie gleich drei unterschiedliche Instrumente spielt – Querflöte, Klavier und Gitarre? Auch in ihrem Studium zeigt sich die 21-Jährige vielseitig und studiert Informatik und Kulturwissenschaften an der Uni Koblenz-Landau. Ideale Voraussetzungen also, um digitale Spiele (und keineswegs nur solche von Nintendo) aus diversen Perspektiven zu betrachten. Das tut Viki seit 2016 auch auf ihrem Blog Nerdasutra.com.
Wieder ein sehr schöner Gastspieler-Artikel.
Du beschreibst die Vorteile und Risiken von Updates und Day-One-Patches (und Patches allgemein) schon sehr gut.
Auf der einen Seite wünscht sich wohl jeder, wenn man mal wieder auf das Update warten muss, die alten Zeiten zurück, als man sein SNES eingeschaltet hat und einfach drauflos zocken konnte. Hach was waren das doch gute Zeiten.
Auf der anderen Seite sind Spiele im Laufe der Zeit aber auch größer und komplexer geworden, was ein Nachbessern von Spielinhalten natürlich auch notwendig macht. Deswegen kann man Entwicklern ja auch nicht vorwerfen, dass sie ja eigentlich auch auf Updates nach Release angewiesen sind. Wo dann zudem dann auch noch finanzieller Druck hintersteht und je länger ein Spiel in der Entwicklung braucht, desto mehr muss es ja auch am Ende wieder einspielen.
Ob dabei aber immer das richtige Maß gehalten wird ist dabei dann natürlich die Frage. Und Entwickler und Publisher müssen sich, meines Erachtens nach, auch den Vorwurf gefallen lassen, dass sie ihre Käufer unter falschem Vorwand zu Beta-Testern machen. Produkte wie Steam Greenlight sind dabei natürlich auch ein hilfreiches Mittel. Ohne dabei Greenlight schlecht zu reden. Für kleinere Entwickler gehört das ja auch zum Kalkül dazu und kann ja auch für die nötige Aufmerksamkeit sorgen. Doch hat es natürlich auch die Gefahr, dass Entwickler und Publisher Arbeit auf ihre Käufer outsourcen. Und ob das dann der richtige Weg ist, weiß ich auch nicht.
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Schöner Text :) Das mit der ewigen Dauer des Downloads ist ehrlich gesagt mein größtes Problem bei mehrfach gepatchten (Singleplayer-)Spielen. Mein langsames Studenteninternet braucht da eben gerne mal ewig und das kann ziemlich frustrierend sein, wenn man ohnehin schon ein paar Stunden nur für das Hauptspiel zum Download braucht und dann direkt nach Release nochmal eine weitere Nachtschicht nur fürs Patch draufgeht. Multiplayer ist (wie du ja auch schreibst) nochmal eine andere Geschichte, aber dass Mass Effect: Andromeda z.B. erst post Patches die Gesichtsanimationen halbwegs brauchbar hinbekommen hat oder jetzt die Gilde 3 sich auch für Early Access ziemlich kaputt anfühlt… Puh, das ist auf Kundenseite schon ärgerlich und verleitet im Grunde nur dazu, so wenig wie möglich zu Release zu kaufen und lieber stattdessen die Updates abzuwarten.
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Vielen Dank für Deinen Text Viki.
Als Spieler des Baujahres 1971 weiß ich natürlich genau, was Du meinst. Zurzeit der ersten Cartridges bzw. Kassetten- oder Diskettenspiele gab es keine nachgeschobenen Patches. Das Internet kam ja sowieso erst ca. 10 Jahre später. Dafür mussten wir beim Laden auf C64 und Co. auch immer ein paar Minuten auf den Start des Spiels warten. Aber das ist eine andere Geschichte.
Spätestens ab der PS3 war es vorbei mit dem „Sofort-Losspielen“ und nun hatte sich auch in der Konsolenwelt der Download-Wahnsinn durchgesetzt. Seitdem schauen Konsoleros und PC-Zocker gleichsam in die Röhre und warten auf die bereinigten Bytes. Leider sind Updates, Patches oder Fixes heutzutage zum Bestandteil des Businessmodells im Gaming geworden. Schnelles Internet vorausgesetzt. Ich denke damit müssen wir leben, denn „Time to market“ ist natürlich auch bei Spielen ein Wirtschaftsfaktor.
Mich wundert es eigentlich eher, dass die nächste Stufe noch nicht deutlicher sichtbar geworden ist: das Streaming von Spielen. Logischerweise wäre das wohl der kommende Schritt und dann wären wir (zumindest stationär) vollends abhängig vom Onlinezugang beim Spielen. Bräuchten aber auch keine partiellen Downloads mehr, weil wir immer das „Latest build“ zocken. Der größte Horror in diesem Szenario ist natürlich, dass die Hersteller ein Spiel einfach auf Knopfdruck für immer abschalten könnten. Es bleibt also spannend.
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Ich denke, das muss man auch von Fall zu Fall bewerten: Es ist offensichtlich, dass das Patchen von Bugs erstmal eine gute Sache ist; und selbst vor 20 Jahren, als intensives Bugtesting vor allem auf Konsolen (notgedrungen) noch die Regel war, war es nicht selten, dass der eine oder andere Bug im Spiel verblieb.
Bei heutigen Spielen dürfte sich das schon im Grundsatz noch schwieriger gestalten. Ich glaube aber gar nicht, dass das so sehr an der Größe der Spiele liegt (mit wachsenden Budgets sollte idealerweise auch das Budgets für Bugtesting wachsen) oder an ihrer Komplexität (es gibt dafür heute gute, erprobte Middleware). Stattdessen gibt es eine ganze Reihe von Unsicherheitsfaktoren: Im Mobile-Bereich ständig neue Hardware und Betriebssysteme, auf denen das Spiel auch noch laufen soll (und dort sind Patches ja wirklich nicht mehr wegzudenken). Und den Faktor Onlineplay: Natürlich kann man auch das ausgiebig testen, aber generell nur mit sehr viel mehr Aufwand und kaum unter realen Bedingungen.
Gelingt es hingegen nicht, einen Single-Player weitestgehend bugfrei hinzukriegen, habe ich dafür wenig Verständnis (auch deshalb, weil manche Publisher das ja schaffen). Da liegen dann fragwürdige Geschäftsmodelle zugrunde, und dann wird das in meinen Augen auch durch Day-One-Patchtes etc. nicht wirklich besser – ich möchte ein fertiges, weitestgehend fehlerfreies Spiel auf der Disc haben!
Das Thema kam bei Twitter schon auf: https://twitter.com/breedstorm/status/916965656184152064
Beim Online-Multiplayer sehe ich die Sache tatsächlich etwas lockerer: Natürlich wäre es auch dort schön, wenn Spiele von Beginn an bugfrei liefen. Allerdings ist man für solche Online-Multiplayer generell auf die Server angewießen (ein anderes Thema). Werden die irgendwann abgeschaltet, ist es relativ egal, ob der Code auf meiner Disc nun bugfrei ist oder nicht. Aber für Offline-Modi sollte er es sein.
Und dafür warte ich meinetwegen auch länger. In letzter Zeit geschieht es ja tatsächlich immer häufiger, dass ein Spiel zuerst als Download und erst einige Monate später auf Disc erscheint.
Daran sieht man aber auch, wie komplex das Thema ist – Spieler, die ihre Spiele als Download kaufen, und vielleicht erst irgendwann später im Sale, hat das nicht zu interessieren. Und die Generation der Mobile-Spieler dürfte nochmals ein ganz anderes Verhältnis zu Patches haben, als einige von uns, die groß geworden sind, als Patches noch nicht so unumgänglich waren.
Für die Ungeduldigen gibt es wiederum mehr und mehr Early-Access-Optionen und da werden Spieler in der Tat zu Testern – was vielen offenbar Spaß macht.
Insofern ist eine weitgehend Akzeptanz wohl da. Und die kann man den Spielern auch kaum vorwerfen. Ich finde allerdings, dass man es noch stärker wertschätzen sollte, wenn ein Spiel ohne größere Bugs in den Handel kommt, und andererseits, dass entsprechende Defizite ruhig stärker in Bewertungen einfließen sollten.
Updates sind dann nochmal ein anderes Thema. Hier würde sich die Diskussion um Spiele als Service anschließen, was eigentlich nichts anderes ist als die markt-kompatible Umsetzung von Umberto Ecos „Kunstwerk in Bewegung“. Vgl.: http://www.slow-media.net/tag/wikipedia
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