Ein Gastbeitrag von Aurelia Brandenburg
im Rahmen des Gastautoren-Specials GASTSPIELER II.
Mord, Totschlag und Intrigen! Wenn Politik digital spielbar gemacht wird, dann stirbt meistens irgendwer. Dabei wird es doch erst interessant, wenn der Spieler mal nicht die Fäden in der Hand hält.
Spielmechaniken, die politische Entscheidungen ermöglichen, gibt es wohl ohne Ende. Von „Civilization“ über „Crusader Kings“ bis hin zu RPGs, die einzelne Bausteine aus Strategiegrößen wieder aufgreifen und für sich verwenden. Die Frage danach, wie Politik jenseits von Krieg und direkter Gewalt für Spieler steuerbar gemacht wird, ist aber besonders dann interessant, wenn sie zwischen einzelnen und konkret benennbaren Personen stattfindet. In der „Civilization“-Reihe gehen Politik und Diplomatie in der Anonymität einer ganzen Nation unter, während die persönliche Ebene der Verhandlungen kaum eine Rolle spielt. Das liegt auch am Prinzip von rundenbasierten Strategiespielen, zieht sich aber sogar noch weiter bis zu RPGs, obwohl der verhandelnde Held oder die Heldin darin meistens klar benennbar wären. Dabei gäbe es eigentlich eine Reihe Alternativen.
„The Age of Decadence“: Selten waren Intrigen so schön
Eine dieser Alternativen bietet „The Age of Decadence“ an. Held dieses Spiels ist ein frei erstellbarer Protagonist, der wahlweise mit Gewalt oder Intrigen seinen Weg durch eine postapokalyptische Fantasy-Welt geht. Der Punkt: Das Spiel gibt nicht vor, ob der Held oder die Heldin dieser Geschichte Gewalt anwendet oder mit Engelszungen auf die NPCs einredet; sowohl das eine als auch das andere kann zum Erfolg führen. Die Kämpfe sind zwar fast immer zum Nachteil des Spielers angelegt, was diplomatische Lösungen etwas attraktiver macht, aber „The Age of Decadence“ bietet grundsätzlich beides gleichberechtigt an. Und selbst wenn dem nicht so wäre: Dass Politik und Intrigen in einem Rollenspiel so direkt und zentral spielbar gemacht werden, ist eher ungewöhnlich. Das richtige Wort zur richtigen Zeit, Wissen über Etikette und Geschichte und nicht zuletzt eine Portion Geschick – das sind plötzlich die Fähigkeiten, die ein Held gut gebrauchen kann. Und nachdem Erfahrungspunkte in „The Age of Decadence“ knapp, das Repertoire der Fähigkeiten aber reich ist, sollte man sich gut überlegen, welchen Weg man mit seinem Helden einschlagen will.
Erfolg oder Misserfolg der eigenen Aktionen hängt dabei zur Abwechslung einmal nicht nur am Skript der Geschichte, sondern an Spieleraktionen. Diplomatie wird vom netten Pluspunkt, den man eben mitnimmt, zum zentralen Bestandteil des Spiels erhoben. Bis hin zu ganzen Berufszweigen wie den Händlern oder Prätoren, die sich entscheidend darauf konzentrieren.
Gerade Erstere, die als so etwas wie die Puppenspieler hinter den Adeligen fungieren, dürften im besten Fall in einem gesamten Spieldurchgang keinen einzigen Kampf schlagen. Ein Händler ist gut darin, andere Leute zu manipulieren, die Herrschenden zu bezirzen und am Ende möglichst viel Gold in die eigene Tasche gewirtschaftet zu haben. Kommt es aber zur physischen Konfrontation, ist er so gut wie verloren. Um mit einem Händler in „The Age of Decadence“ weiterzukommen, sollte ich jede Gewalt vermeiden oder nur mit schlagkräftiger Unterstützung losziehen. Um zu verhindern, dass sich meine Heldin selbst die Hände schmutzig machen muss, bin ich dazu gezwungen, ein Netz an Manipulation und Intrigen zu spinnen. Eine Versprechung hier, ein geschickt gestreutes Gerücht da, und schon sind Vertreter oder Vasallen aller drei Adelshäuser Wachs in meinen Händen.
Das Interessante ist gleichzeitig aber auch: „The Age of Decadence“, eines der wenigen Spiele, in denen Politik ohne direkte physische Gewalt so zum Dreh- und Angelpunkt der eigenen Geschichte wird, ignoriert fast vollständig einen gewissen sozialen Faktor, der zumindest auf narrativer Ebene dazu gehören müsste. Um eine Intrige zu spinnen, muss ich die Leute kennen, mit denen ich mich verschwöre. Wissen, was sie wollen und wo ihre Grenzen sind. Wissen, wie ich sie an mich binde und verhindere, dass sie mich bei der nächsten Gelegenheit verraten. In „The Age of Decadence“ dagegen ist davon sehr wenig zu spüren.
Die Handlung der Hauptquest des Spiels konzentriert sich entscheidend auf die drei verbliebenen Adelshäuser Aurelian, Daratan und Crassus, die alle schon bessere Tage gesehen haben, aber immerhin noch je eine größere Stadt kontrollieren. Mit jedem der drei Häuser können – naheliegenderweise – Bündnisse eingegangen oder Fehden ausgetragen, Freundschaften oder Feindschaften gepflegt, ihre Vertreter verraten oder unterstützt werden. Die Art der Beziehung hängt in erster Linie von mir in meiner Rolle als Spielerin ab. Klappt etwas nicht, liegt das daran, dass ich meine Heldin nicht richtig gelevelt oder die falsche Dialogoption gewählt habe. Genauso zeigen die Mächtigen keinerlei Interesse daran, mich an sich zu binden. Für das Medium Spiel typisch, liegen Macht und Aktion beim Spieler, auch wenn das in diesem Kontext der Logik widerspricht, nach der sich die Spielwelt sonst präsentiert.
Ein Kaiser mit schlechten Umfragewerten: „Divinity: Dragon Commander“
In diesem Licht wird die Politik, die „Divinity: Dragon Commander“ abbildet, umso interessanter. Dieses Spiel kombiniert verschiedene Mechaniken einer taktischen Karte, Schlachten in Echtzeit und Dialoge zu einer Geschichte rund um den unehelichen Sohn eines verstorbenen Kaisers und eines Drachen in Menschengestalt. Der Spieler muss – in der Rolle dieses Halbdrachens und Prinzen – nun den verwaisten und umkämpfen Kaiserthron von Rivellon besteigen und dabei seine Halbgeschwister besiegen.
Die Haupthandlung wird dabei in erster Linie von verschiedenen militärischen Erfolgen am Kartentisch vorangetrieben und zusätzlich bietet das Spiel aber auch noch einige Dialoge auf dem Luftschiff des Drachenkommandanten an. Hier versammelt sich nämlich eine Art vereinfachter Hofstaat um den neuen Kaiser, bestehend aus Generälen, Politikern und Beratern. Neben der genreüblichen Mentorenfigur, einem weisen Zauberer, findet sich hier auch je ein Vertreter der fünf Völker der Welt von „Divinity: Dragon Commander“, die im Grunde für verschiedene Parteien darin stehen. Die Untoten stellen meistens zutiefst religiöse bis fanatische Forderungen, die Elfen neigen zu eher linken Ideen, die Zwerge sind konservativ und kapitalistisch, den Echsen ist eigentlich nur Wissenschaft und Forschung wichtig und die Imps sind glücklich, sobald sie irgendetwas erfinden können und es vielleicht noch eine Explosion gibt. (Zugegeben, keine Ahnung, für welche politische Strömung die Imps stehen.)
Alle paar Runden versammeln sich diese Berater im Thronsaal und einer von ihnen schlägt einen neuen Gesetzeserlass vor. Mal geht es um eine gesetzliche Krankenversicherung, mal um einen verpflichtenden Militärdienst, mal um die Legalisierung eines bewusstseinsverändernden Krauts. Und mal darum, ob die wichtigste Zeitung des Kaiserreichs, die „Rivellon Times“, gesetzlich dazu verpflichtet sein sollte, nur verbürgte Fakten zu drucken. Die Auswahl der Themen ist vielfältig und jedes Mal steht es mir theoretisch frei, zu entscheiden, was ich für richtig oder falsch halte. Theoretisch.
Tatsächlich können die Entscheidungen zu diesen Gesetzen direkte Folgen auf die Reichspolitik haben. Genauer gesagt: Die Beliebtheit des Drachenkommandanten bei den unterschiedlichen Völkern. Bei jedem Gesetzeserlass hat jeder Berater oder jede Beraterin eine ganz eigene Position. Mit jeder Entscheidung – je nachdem, ob ich auf sie höre oder nicht – steige oder sinke ich im Ansehen dieser Figuren. Und damit auch der Bevölkerungsgruppe, die sie vertreten. Mit einer einzigen Entscheidung alle Parteien zufriedenzustellen, ist unmöglich, stattdessen bin ich dazu gezwungen, eine ungefähre Balance zu schaffen.
Dieses Zustimmungssystem wird vor allem – abgesehen von der einen oder anderen verärgerten Bemerkung eines Beraters – dann wichtig, wenn es an die Planung des eigenen Kriegs am Kartentisch geht. Hier ist für jedes Gebiet eine Bevölkerungsmehrheit festgelegt, deren Zustimmung oder Ablehnung wiederum die Preise und Anzahl der Freiwilligen zum Rekrutieren der eigenen Truppen beeinflusst. Vereinfacht formuliert: Ein Krieg auf Boden, auf dem der Drachenkommandant unbeliebt ist, wird teuer.
Die Entscheidungsmacht wird dadurch in „Divinity: Dragon Commander“, im Gegensatz zu „The Age of Decadence“, dem Spieler wieder ein wenig entzogen. Wer das Ziel des Spiels erreichen und den Krieg um den Thron gewinnen will, wird zwangsläufig ein Stück weit von der Bevölkerung abhängig, die er beherrschen soll, symbolisiert durch die Vertreter und Vertreterinnen der einzelnen Gruppen.
Und dieses Prinzip zieht sich noch weiter durch den Hofstaat: Die vier Generäle des neuen Kaisers kommandieren nur stellvertretend für den Spieler dessen Armeen, bieten aber auch ein paar Dialoge auf dem Luftschiff an. Darin geht es normalerweise um die persönliche Beziehung zwischen ihnen und dem Drachenkommandanten, aber ab und zu nutzen die vier ihre Verbindung auch für Themen, die ihnen am Herzen liegen. Catherine, die früher selbst eine Königin in einem matriarchalisch regierten Land war, setzt sich zum Beispiel gegen eine Gender Pay Gap im Hofstaat ein und Scarlet will die Werke einer post mortem als lesbisch geouteten Künstlerin vor Zerstörung schützen. Im Dialog kann ich ihnen zustimmen oder ihre Anliegen als politisch zu heikel ablehnen, was sowohl Auswirkungen auf ihre Beziehung zu mir als Drachenkommandanten als auch auf dessen Beliebtheit bei manchen Beratern haben kann.
Aber nicht nur die Generäle können Einfluss auf den neuen Kaiser nehmen: Auch seine Frau kann einen eigenen Beliebtheitsbonus erzeugen. Schon allein durch ihre Heirat, die von dem Volk, aus dem sie stammt, positiv aufgenommen wird. Heiratet der Drachenkommandant die Elfenprinzessin, bedrängt sie aber gleichzeitig, die Traditionen ihrer Familie aufzugeben, verstimmt das wiederum den elfischen Botschafter und erzeugt einen Beliebtheitsmalus.
Kontrollverlust des Spielers und Unberechenbarkeit von NPCs
Die Mechanismen der Politik eines großen Reiches sind damit in „Divinity: Dragon Commander“ selbstverständlich schon fast lächerlich simpel. Was aber spannend bleibt, ist, dass sich das Spiel die Mühe macht, dem eine zusätzliche Dimension hinzuzufügen. Dieser Ansatz eines Kontrollverlustes ist selten, weil Spiele sich normalerweise erzählerisch wie spielmechanisch eben um einen oder mehrere spielergelenkte Protagonisten drehen.
Ein ähnliches Gefühl der politischen Machtlosigkeit kann man auch in „Die Gilde 2“ vermittelt bekommen. Darin gilt es eine ganze Dynastie über mehrere Generationen zu steuern und bei dieser Gelegenheit reich und mächtig zu machen. Auf politischer Ebene bedeutet das, sich in den Stadtrat wählen zu lassen. Ohne gute Beziehungen und einen bekannten Namen ist das allerdings schwierig bis unmöglich, nachdem die NPCs, die bereits im Rat sitzen, auch die Amtsträger wählen. Ist die Spielerfigur nicht beliebt genug, wird also auch aus der Wahl nichts.
Die beiden einfachsten Wege, sich doch noch beliebt zu machen, sind Bestechung oder Einheirat in die Dynastien der anderen Amtsträger, wodurch sich auch wieder der Kreis schließt, dass in „Die Gilde 2“ politische Aktivität entscheidend von Reichtum und Prestige der Familie abhängt. Selbst dann kann es allerdings passieren, dass eine konkurrierende Familie das genauso tut und höher in der Gunst der Ratsherren und -damen steht, auch wenn ich noch so viel von meinem mühsam verdienten Gold in Bestechungsgelder investiert habe. Wieder wird mir ein bisschen Kontrolle entzogen.
Und noch mehr: Neben dem Kontrollverlust bedienen sowohl „Divinity: Dragon Commander“ als auch „Die Gilde 2“ noch etwas anderes, das gleichzeitig zentral für politische Systeme ist, wie sie in Settings dieser Art dargestellt werden: einen sozialen Aspekt. Um ihre Ziele zu erreichen, müssen Spieler virtuell netzwerken. Sie müssen NPCs auf ihre Seite ziehen, die sie vielleicht eigentlich nicht leiden können, andere mit Kompromissen ruhigstellen oder mit persönlichen Sympathien und Abneigungen kämpfen. „The Age of Decadence“ mag Intrigen spielerisch ins Zentrum rücken und ungewöhnlich spannend gestalten, aber es übergeht die Gelegenheit, die soziale Ebene darzustellen, die dem implizit innewohnen müsste. Und dabei hat uns doch „Game of Thrones“ eines gelehrt: Intrigen sind erst dann richtig spannend, wenn sie persönlich werden.
Die Autorin: 
Aurelia Brandenburg (@hekabeohnename)
Schreibt auf Geekgefluester.de.
Selbst gerade 21, hat Aurelia, die in Würzburg Geschichte und Digital Humanities studiert, schon die eine oder andere Epoche durchlebt. Sie hat eine Schwäche für das Mittelalter und Age of Mythology hat Schuld daran, dass auf ihrem Laptop schon früh alles lief, was ein irgendwie historisches oder Fantasy-Setting hatte. Heute irritiert Aurelia ihre Mitmenschen damit, dass sie die älteren Assassin’s Creed-Spiele, Skyrim und Dragon Age: Inquisition ein bisschen zu sehr liebt, den Witcher aber für überschätzt hält. Geschichte und Geschichten, Geschichte in Geschichten und die Erzählweise von Geschichten beschäftigen die erfahrene Bloggerin auch auf Ihrem Buch-, Film- und Games-Blog Geekgeflüster.
- Bildquellen:
Beitragsbild: Albion Europe Photo Contest 2012 High res von Søren Niedziella (CC BY 2.0)
Herzlichen Dank für deinen außerordentlich interessanten Beitrag! :)
Ich hatte bisher weder von Age of Decandence noch von Divinity: Dragon Commander je etwas gehört und kann daher zu diesen Spielen im Speziellen nichts weiter sagen. Es bereitet aber auch mir immer viel Spaß, wenn ich in Spielen politische Entscheidungen treffen kann.
Eine Sache, dir mir bei der Darstellung von Politik in Spielen immer wieder auffällt, ist der Einbahnstraßencharakter des Ganzen: Verschiedene Gruppierungen haben unterschiedliche Interessen und der Spieler steht nun vor der Aufgabe, in der Vertretung dieser Interessen eine gewisse Balance zu wahren. Seine Entscheidungen wirken sich dann wiederum auf die Zufriedenheit der verschiedenen Fraktionen auf. So weit, so gut.
Dabei bleiben (meistens) zwei Dinge auf der Strecke: Erstens, dass Inhalt und Konsequenz eines Gesetzes mit der öffentlichen Wahrnehmung des Gesetzes oft nicht deckungsgleich sind. Das rational Richtige und Sinnvolle mag beschlossen werden, kommt aber bei der Öffentlichkeit trotzdem nicht gut an.
Ich sehe aber ein, dass eine realitätsnähere Darstellung dieses Aspekts in Spielen oft für Unverständnis und Frust sorgen könnte.
Die zweite Sache ist die, dass Politik nicht nur das Gestalten und Umsetzen von Gesetzen zum Inhalt hat, sondern auch die Beeinflussung der öffentlichen Meinung (oder meinetwegen auch einzelner Persönlichkeiten in Schlüsselpositionen, um den von dir angesprochenen Aspekt des Persönlichen mit reinzubringen).
D.h. es wäre doch interessant, wenn man in solchen Spielen – statt die eigene Politik immer nur den Wünschen von Fraktion X anzupassen – sich stattdessen darauf konzentrieren könnte, die Haltung von Fraktion X zu ändern. Sei es, indem man für die eigene Politik schlicht „wirbt“, sei es, indem man versucht, den medialen Diskurs in die gewünschte Richtung zu lenken, sei es durch Erziehung oder eben auch durch schlichte Propaganda.
Ich bin mir sicher, dass es dafür schon Beispiele gibt (und die Sache mit Beliebtheitsboni und -mali in Dragon Commander geht auch dahin). Aber in den meisten Fällen fehlt dieses dynamische Element; demokratische Prozesse werden dann dargestellt, als seien es starre mathematische Gleichungen, in denen die Wähler (o.ä.) nie ihre Haltung änderten.
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„Das rational Richtige und Sinnvolle mag beschlossen werden, kommt aber bei der Öffentlichkeit trotzdem nicht gut an.“ – Das fehlt mir auch oft. Überhaupt warte ich noch auf die große Politiksimulation in Spieleform, die mit diesem Einbahnstraßenprinzip bricht und Politik nicht als mathematische Gleichung begreift. Divinty: Dragon Commander nimmt sowas in Ansätzen mit, weil man zu jedem Rundenbeginn immer die aktuelle Schlagzeile der „Rivellon Times“ lesen kann (und die eben oft selbst über die Bevölkerung rational richtige und gute Entscheidungen schimpft), aber das hat leider keinen eigenen Einfluss auf den Spielverlauf.
Beim Thema Propaganda und der Beeiflussung von Fraktion bin ich ja gespannt, was die neue Runde „Orwell“ daraus macht. Die soll sich ja mit fake news beschäftigen und da könnte ich mir gut vorstellen, dass das ein paar interessante Ansätze liefern könnte. Mal abwarten, ob/was da vielleicht so kommt.
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Ein sehr spannender und gut geschriebener Artikel mit einem interessanten Thema.
Sylvio ich kann deinen beiden Punkten nur zustimmen und ähnliches ging mir auch durch den Kopf. Ohne dabei die oben genannten Spiele zu kennen, noch sämtliche Spiele mit dieser Thematik zu kennen.
Ich frage mich ob dies auch an der reinen Funktion vieler Spiele liegt. Das heißt, dass es immer um den Erfolg geht. Sei es storytechnisch oder auch nur ganz simpel um den Highscore. Das widerspricht aber natürlich dem Wesen der Politik. Da geht es oft nicht um den persönlichen Erfolg oder den Erfolg der Gruppe der man angehört. Oftmals müssen Dinge auch verteidigt werden, die man so eigentlich nicht unterstützen würde, aber für zukünftige Ereignisse unvermeidlich sind.
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Erstmal danke für das Kompliment zu dem Artikel :)
„Ich frage mich ob dies auch an der reinen Funktion vieler Spiele liegt. Das heißt, dass es immer um den Erfolg geht. Sei es storytechnisch oder auch nur ganz simpel um den Highscore. Das widerspricht aber natürlich dem Wesen der Politik.“ – Das weiß ich gar nicht einmal so sehr, ob das wirklich stimmt oder nur die allgemeine Wahrnehmung ist. Politik ist im Grunde etwas zutiefst Soziales und Spiele scheitern im Augenblick allgemein sehr oft an der Darstellung sozialer Interaktion. Das sieht man sehr schön z.B. an den meisten Beziehungen (v.a. wenn es um Romantische geht) in Spielen und spiegelt sich denke ich auch beim Thema Politik. Aber: Ich habe das Gefühl, dass sich da langsam, aber sicher etwas tut. Die Darstellung von sozialen Aspekten und Interaktion in Spielen scheint mir im Schnitt inzwischen ein bisschen weniger cringy als noch vor ein paar Jahren und sollte sich jemand mal trauen im großen Stil in einem Spiel Politik nicht als „Game of Thrones“-Kopie mit nur Mord und Totschlag zu begreifen und darzustellen, könnte das denke ich durchaus auch differenzierter funktionieren. (Bin da auch gespannt, was „Die Gilde 3“ daraus machen könnte, weil die Reihe insgesamt zwischen den Genres hin und her wandert und da schon früher die eine oder andere interessante Verbindung aus unterschiedlichen Mechaniken zu etwas Spannenden zusammengeklatscht hat.)
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Das sehe ich ganz ähnlich. Das Bedürfnis, Politik darzustellen, ist offensichtlich da. Und warum auch nicht? Kernelemente der politischen Sphäre sind mit Kernelementen der meisten Spiele praktisch identisch: Konkurrenzkampf, Effizienzstreben, Ressourcenverteilung…
Doch wird Politik in Spielen bis heute meist nur mit den Mitteln dargestellt, die im Bereich der Spiele hochentwickelt sind: logische, kausale Zusammenhänge also, Aktion und Reaktion ohne Unschärfen. Der gesamte Bereich sozialer und emotionaler Interaktion muss sich als Gameplay-Ressource in Spielen erst noch entwickeln (vermutlich liegt darin auch das größte Evolutionspotential für die nächsten Jahre, einschließlich des Potential für größere Immersion und die Erschließung neuer Zielgruppen).
Die Ausnahme davon sind z.B. MMORPGs, wo solche Aspekte bereits eine große Rolle spielen. Aber natürlich sind sie dort das Resultat der stetigen Interaktion zwischen realen, menschlichen Akteuren, für deren Zustandekommen das Spiel lediglich eine Plattform bieten, die es aber nicht simulieren muss.
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Funny thing is: Genau diese Probleme mit den Unschärfen, die du beschreibst, sind immer wieder noch ein grundsätzliches Problem, wenn wir über Computerprogramme etc. reden. Ich bin keine Videospielentwicklerin, kenne diese Probleme aber sehr gut aus dem gesamten Bereich der Digital Humanities, ganz besonders wenn mal DH-Studenten mit Informatik-Studenten zusammenkommen. Meiner Erfahrung nach sind da schon die Denkmuster und Arbeitsweisen zur Problemlösung der Leute komplett unterschiedlich und Informatiker tendenziell immer präziser/mathematischer während DHler meistens darauf gepolt sind, Lösungen zu schaffen, die die Unschärfe beibehalten, weil die zum Gegenstand dazu gehört. Da müsste man evtl. mal ein paar Entwickler fragen und das ist jetzt nur eine Vermutung auf recht dünnem Eis, aber ich könnte mir auch vorstellen, dass diese Hochentwicklung von kausalen Zusammenhängen usw. im Gegensatz zu unscharfen Dingen wie menschlichen Beziehungen auch mit den Denkmustern/Arbeitsweisen der Leute, die Spiele machen, zusammenhängt.
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Sehr interessanter Punkt, den zu untersuchen echt spannend sein dürfte!
Die Thematik kam auch schon im Zusammenhang mit der unscharfen (oder so empfundenen) Spielmechanik von The Last Guardian auf.
Rainer Sigl etwa: „Beseelte Wesen haben ein Geheimnis, das sich nicht mit rein mechanistischen Formeln erklären oder replizieren lässt. Im Kontext von Spielmechanik ist das bemerkenswert, schließlich verlässt man sich hier gemeinhin auf das Funktionieren einfacherer Regeln: Wenn ich A mache, passiert B, und das jedes Mal. Spiele sind vermutlich auch deshalb so faszinierend für uns, weil sie sich nach der grundlegend wissenschaftlichen Methode von Versuch und Irrtum bezwingen lassen.“ Die Seele im Code: http://videogametourism.at/content/last-guardian-die-seele-im-code
Oder Rainer Schauder: „Videospiele entstammen der Informatik und sind dementsprechend durchzogen von Logik und kausalen Zusammenhängen zwischen Eingabe und Reaktion. Im Jahr 2016 erwartet ein jeder Spieler eine präzise Steuerung und ein klar definiertes Regelwerk. Dass sich dieser Anforderungskatalog im Grunde mit jeder Realität beißt, wird ignoriert. The Last Guardian bricht diesen Drang nach Perfektion auf und versucht eine Form von Natürlichkeit zu simulieren.“ Perfekt unperfekt…: http://www.gamepad-addict.de/2017/01/the-last-guardian-perfekt-unperfekt.html
Ich vermute aber auch, dass präzise-mathematische Denkweisen auch auf Spielerseite die Rezeption dominieren (was vielleicht auch einfach unserem Zeitgeist entspricht). Die Problematik wurde mir zuerst im Kontext der Rezeption von Mass Effect 3 bewusst, als die indoctrination theory aufkam. Bei allem Respekt vor der Hingabe der Fans, fand ich diese Theorie stets blödsinnig. Aus einem 50+ Stunden-Spiel greift sie äußerst selektiv Details heraus und baut darauf ganz sherlock-haft eine tiefgreifende, kausal eindeutige Erklärung auf – welche die größeren, das Spiel durchdringenden Themen und Motive aber ignoriert. Zu letzteren zählt etwa die äußerst prominente religiöse Symbolik der Reihe, die sich der Definition nach einer rationalen Erklärung entzieht und IMO gerade gegen Ende des Spiels die Oberhand gewinnt.
Ein anderes Beispiel: Welchen Stellenwert die Frage einer Zeitleiste unter vielen Zelda-Fans hat und welche Mühen aufgewendet werden, den Zelda-Kanon in eine logisch-kausale Beziehung zu bringen. Kann man natürlich machen, aber aus meiner Perspektive als Literatur- und Religionswissenschaftler erscheint mir der Vergleich mit Mythen und ähnlichen Phänomenen immer viel schlüssiger. Unterschiedliche und stellenweise widersprüchliche Überlieferungen und Fortführungen einer Erzählung sind dort schlicht normal. In Zelda finde ich solche logischen Widersprüche u.ä. dann auch gar nicht defizitär, nicht einmal sonderlich erklärungsbedürftig. Sie sind für mich viel mehr ein Teil dessen, was den Reiz der Serie ausmacht.
Die meisten Videospiel-Interpretation, wie man sie v.a. bei Youtube immer häufiger findet, kennen keinen Raum für gewollte Unklarheit und Ambiguität. Deshalb dürften es auch Unschärfen in der Spielmechanik schwer haben (wie man am Beispiel von The Last Guardian sehen konnte).
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Ich denke da sprecht ihr beide einen wichtigen Aspekt an. Den Unterschied zwischen realer menschlicher Interaktion und der Illusion davon, durch Algorithmen eine gewisse Realität zu suggerieren.
Ich frage mich, ob man diesen Prozess, im Zuge von intelligenten Sprachassistenten wie es sie jetzt immer häufiger gibt, auch auf Spiele anwenden kann. Das heißt, dass die Figuren durch meine Aktion dazu lernen und vielleicht auch durch passende Informationen aus dem Internet mit Informationen gespeist werden, die dann die Entscheidungen der Spielfiguren beeinflusst. In welchem Kontext von Spiel sowas dann anwendbar ist, ob nur in MMOs, das kann ich nicht sagen. Aber wo heute vieles nicht mehr ohne Onlineanbindung geht, wären vielleicht auch andere Genres denkbar.
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