Handverlesen, selbst gelesen und für Lesenswert befunden: Die SPIELKRITIK-Leseempfehlungen der Woche. Heute als Spiegelbild der thematischen und methodischen Vielfalt deutsch- und englischsprachiger Spieleblogs.

Den Unterschied zwischen diegetischem und nicht-diegetischem Sound kennen die meisten, die sich einmal mit Filmwissenschaft beschäftigt haben – warum das Ganze bei digitalen Spielen noch ein gutes Stück komplexer ist, erklärt Sascha Kretzschmar. Diskrepanzen zwischen dem Mythos des Assassinen und der wachsenden Komplexität seiner virtuellen Umwelt sind das Thema der gelungenen Franchise-Kritik von Aurelia Brandenburg. Und aus der scharfen Feder von Rainer Sigl stammt ein Essay zu Kane & Lynch 2: Dog Days, der heute nicht weniger aktuell ist, wie vor fünf Jahren.

Letzteres beweist auch der Text von Tim Slansky für GameFusion.de. Kunst und ihre Kritiker sind das Thema eines Kommentars, dem ich in zahlreichen Punkten widerspreche (auch und gerade der unten zitierten Passage) – der aber hervorragend als Debattenbeitrag taugt, auf dem andere Gedanken und Kommentare aufbauen können.

Und auf Englisch: Robert Yang spricht sich am Beispiel der HD-Neuauflage von Final Fantasy XII für eine „honesty of pixels“ aus, wie ich sie mir selbst auch schon oft gewünscht habe. Ein Gastbeitrag für Phantomriverstone beschäftigt sich mit einer der wohl erinnerungswürdigsten Szenen aus Shenmue II und erklärt, dass die dort gezeigten Kampfkunst-Moves keineswegs aus der Luft gegriffen sind. Den Abschluss bilden wunderschöne Bilder vom stets famosen David Rayfield, dessen aufmerksame Beobachtungen in Horizon: Zero Dawn den Gang ins Völkerkundemuseum ersparen – oder Lust darauf machen.

Im doppelten Sinne ein Hörgenuss ist die Podcast-Empfehlung der Woche: Daniel Ziegener mit einer Audio-Reportage über die Entstehung des rythmischen Actionspiels Thumper. Bis nächste Woche! [sk]


Wie Sounddesign uns zu besseren Spielern macht
(diegamingeule.wordpress.com, Sascha Kretzschmar)

[…] Die meisten Waffen in Battlegrounds schießen in Überschallgeschwindigkeit. Das heißt, der Spieler, der beschossen wird, hört ein Zischen bevor er den eigentlichen Schuss hört. Steht ein feindlicher Spieler also 1000m entfernt und benutzt ein Scharfschützengewehr mit einer Schussgeschwindigkeit von rund 900m/s, sieht der beschossene Spieler zuerst das Mündungsfeuer. Nach ca. 1 Sekunde hört er das Zischen der Kugel in seiner Nähe und erst nach ca. 3 Sekunden hört er den Knall des eigentlichen Schusses. Zusätzlich verhält sich der Sound von Waffen, die eine Kugelgeschwindigkeit unter der Schallgeschwindigkeit haben, noch einmal etwas anders. […]

„Assassin’s Creed“ hat keine Assassinen mehr
(geekgefluester.de, Aurelia Brandenburg)

[…] Seit „Assassin’s Creed 3“ gab es keinen Assassinen in der Reihe, der sich nicht in einer Welt bewegte, die nicht mindestens in Ansätzen nach den Mechanismen unserer Gegenwart funktionierte. Die sehr abstrakte und mystische Romantisierung eines einsamen Rächers aus den Schatten funktionierte nur noch begrenzt bis gar nicht und die sogenannten „Assassinen“ waren zwar Attentäter aber nicht mehr Assassinen im Sinne des romantischen Mythos, von dem ihre Idee eigentlich lebt. Die Welten von Arno, Connor oder den Frye-Zwillingen wirkten größer, ihre Probleme komplexer als die von Ezio oder Altaïr. Und genau das bringt – neben den immer gleichen spielmechanischen Formeln – auch den Assassinen-Mythos dazu, zu zerbrechen, obwohl der ja eigentlich das Herzstück der Spiele ist. […]

Unfun: Kane & Lynch 2: Dog Days
(videogametourism.at, Rainer Sigl)

[…] Dog Days ist im Kern nihilistisch und tragisch, will verstören, schockieren und ja, so könnte man argumentieren, auch absichtlich frustrieren; nicht nur thematisch, sondern auch in Präsentation und Spielmechanik. Bis zur letzten Konsequenz kann es diese Härte gegenüber seinen Spielern nicht ganz rechtfertigen. Dog Days macht keinen Spaß, aber langweilig ist es ganz sicher nicht. Und es beweist witzigerweise auch, dass „Spaß“ nicht einmal unbedingt nötig ist, um als Spiel auch kommerziell zu reüssieren. […]

Vita brevis, ludum longum – Videospiele und Kunst
(gamefusion.de, Tim Slansky)

[…] Zunächst sollten wir uns ein Phänomen vergegenwärtigen, das im Zuge einer solchen Debatte unvermeidlich ist: es gibt eine starke und ganz konkret lokalisierbare Spaltung. Diese Spaltung besteht zwischen zwei verschiedenen Gruppen von Videospielkonsumenten. Besagte Kolumnen und Video-Essays auf hiesigen Plattformen stammen von mal mehr, mal weniger professionellen Kritikern, Journalisten, also Intellektuellen. In den Kommentarsektionen unterhalb dieser Werke, in sozialen Netzwerken und Foren, tummeln sich dagegen die “average consumers”, die oft einen völlig anderen Blickwinkel und Hintergrund haben. […]

Toward an honesty of pixels: on Final Fantasy 12 HD and Quake 3 Arena
(blog.radiator.debacle.us, Robert Yang)

[…] In the screenshot above, I’m going to focus on the wall on the left, which is in Rabanastre, a common central city area of the game that you return to frequently. It is just one example, but if you play this new PS4 version, you’ll see the same generic „remaster“ up-res treatment everywhere in the game world. If I had to guess, the artists probably did this: (1) scale up texture by 200%, (2) increase contrast, (3) desaturated a little for that grayish next-gen feel, (4) apply a sharpen filter, (5) overlay a noisy detail texture on top to try to make the surface look more detailed. […]

Tai Chi in Shenmue II
(phantomriverstone.com, yuc02)

[…] One of the main themes in Shenmue is martial arts, and while Yu Suzuki re-used various styles found in the Virtua Fighter series, he also decided to add several others into the mix. Interestingly, one such style showcased is Tai Chi, or Taijiquan (太极拳), which one may not normally associate with practical combat. It’s an ancient style developed under the concept of fusion of yin and yang into the supreme (tai) level (ji) fist (quan), and can actually be used to fight in real life. Its application focuses on the user using his/her inner energy (“qi”) into rotational movements, in order to yield, stick and divert an incoming attack rather than attempting to meet it with opposing force. […]

Details: Horizon Zero Dawn
(raygunbrown.com, )

[…] One of the rarest things a game can do is allow you to breathe. To just exist in a space without anything happening and let the surroundings envelop you. When the environment is expertly designed with enough attention paid to the details, the player can’t help but wander off and explore. […] The construction methods, the ornate furniture and the functions of the settlement areas all tell an equal amount of story as the dormant holographic messages hidden in the mountains. […]


Hörenswert

afk #010: Die Evolution von Thumper
(Radio Superlevel; 25.07.2017; 00:29:53)

Das wütende Rhythmusspiel Thumper war einer der Indie-Überraschungserfolge des letzten Jahres und ist mit aktuellen und kommenden Versionen für Nintendo Switch und Xbox One auch jetzt noch aktuell. In einem der wohl letzten großen Features für Superlevel.de hat Daniel Ziegener mit Brian Gibson gesprochen: Neben Marc Flury der kreative Kopf hinter Thumper, erzählt er von den kreativen Prozessen, die die Entstehung des Spiels begleitet haben – und weshalb das Endprodukt die Summe der Lösung seiner Probleme ist. [sk]

Lust auf mehr? Die Games-Lesetipps der Woche gibt es immer donnerstags bei Spielkritik.com. Die letzte Ausgabe von Lesenswert findet ihr HIER.