There is a size at which dignity begins,‘ he exclaimed; ‚further on there is a size at which grandeur begins; further on there is a size at which solemnity begins; further on, a size at which awfulness begins; further on, a size at which ghastliness begins. That size faintly approaches the size of the stellar universe. So am I not right in saying that those minds who exert their imaginative powers to bury themselves in the depths of that universe merely strain their faculties to gain a new horror?

Thomas Hardy, Two on a Tower (1882)

Im Rahmen des ersten und bis heute leider einzigen Humble Bundle für Nintendo-Konsolen erworben, war mir Affordable Space Adventures von der ersten Minute an sympathisch: Mit feinem Witz (auf dem Screenshot schön zu erkennen, oder hier im Intro-Video) schickt uns dieses Spiel auf einen „garantiert gefahrlosen“ Weltraumtrip auf einem fremden Planeten. Dachten wir.

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Im nächsten Augenblick finden wir uns an Bord unseres „Small Crafts“ wieder, unter Trümmern des interplanetaren Transportschiffes, das uns auf der Planetenoberfläche absetzen sollte. Die Instrumente ausgefallen, der Bildschirm ein Rauschen. Immerhin sind wir noch einmal mit dem Leben davon gekommen und ein automatisierter Reparaturprozess läuft bereits. Also auf zur nächsten SOS-Station! Leider stellt sich bereits auf dem Weg dorthin unsere Schiffsausstattung als ziemlich unzureichend heraus.

Ein Highlight des Spiels ist der kooperative Mehrspielermodus für bis zu drei Spieler, aber auch beim Spiel allein sind Spielmechanik und Interface ziemlich genau das, was ich mir von der WiiU immer gewünscht hatte. Während wir mit dem Analogstick die Flugroute bestimmen, aktivieren und deaktivieren wir über den Touchscreen auf wunderbar pseudo-authentische Weise die diversen Schiffssysteme: Verbrennungs- und Elektro-Antriebe mit individuellen Vor- und Nachteilen, Stabilisatoren, Massegeneratoren, Trägheitsdämpfer, Hitzeschild und Scanner. Schieberegler, bunte Schaltflächen, schematische Darstellungen und natürlich die dazu passenden Soundeffekte – fast wie in Star Trek, ein Kindheitstraum.

Und so gilt es, mit Geschick und Kombinationsgabe durch verwinkelte Höhlensysteme zu navigieren, darauf zu achten, dass die beiden Generatoren nicht überlasten – und den Feinden auszuweichen. Waffensysteme besitzt unser Small Craft nämlich keine, und der Planet Spectaculon ist nicht annähernd so gefahrlos, wie die Broschüren uns versprochen hatten. Abhängig davon, welche Systeme wir mit welcher Leistung betreiben, emittiert unserer Schiff Geräusche, Hitze und Elektrizität, auf die unterschiedliche Feinde unterschiedlich sensibel reagieren. Verrät uns der Scanner beispielsweise, dass der minen-ähnliche Gegner vor uns auf Elektrizität anspricht, sollten wir auf den schwarz qualmenden Verbrennungsmotor umschalten – und nicht vergessen, auch die Stabilisatoren zu deaktivieren, denn auch die geben Elektrizität an die Umwelt ab.

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Das unter Verwendung der Unity-Engine entwickelte Spiel lebt also ganz von seinem Interface, das den GamePad-Bildschirm nutzt um auf intuitive und unmittelbare Weise eine Fülle von Funktionen bereitzustellen, die unter anderen Umständen einer komplizierten Tastenbelegung und des Wechsels in Menüs bedürften. Mittels seiner Steuerung erzeugt Affordable Space Adventures so ein Spielgefühl, das beinahe dem legendären Steel Battalion auf der klassischen Xbox gleichkommt, welches uns mit einem 40-Tasten-Spezialcontroller ein authentisches Gefühl von der Kontrolle eines Mech vermittelte. Wäre Affordable Space Adventures in den ersten Monaten nach Konsolen-Launch auf den Markt gekommen, hätte es sicherlich als Paradebeispiel für die Möglichkeiten der WiiU eine Aufmerksamkeit wie kaum ein anderes Spiel auf sich gezogen.


Der Mühe Lohn?

Und doch muss ich mich Abend für Abend geradezu zwingen, dieses Spiel zu starten und wenigstens ein oder zwei Level zu spielen. Dass ich es trotzdem tue, spricht natürlich erstmal für das Spiel: Würde von Affordable Space Adventures gar keine Faszination ausgehen, würde ich irgendeinen anderen Titel von meinem „Pile of Shame“ vorziehen. Nichts und niemand hält mich davon ab, dieses Spiel einfach beiseite zu legen. Aber warum fällt es mir überhaupt so schwer, mein Interesse an diesem – augenscheinlich doch so guten und kreativen – Titel aufrecht zu erhalten?

Es hat einige Zeit gedauert, bis ich erkannt habe, woran das liegt: Affordable Space Adventures vermag deswegen kaum zum Weiterspielen zu motivieren, weil es keine Belohnungen – gleich welcher Art – für mich bereit hält, sondern stets nur neue Formen der Bestrafung.

Dass ich mich daran störe, erstaunt mich aber ebenfalls. Zu Beginn empfand ich es zunächst als überaus befreiend, dass in Affordable Space Adventures endlich einmal gar nichts darauf wartet, von mir eingesammelt zu werden: Jedes Level hat genau einen Anfang und ein Ende, und letzteres zu erreichen ist das einzige Spielziel. Es gibt keine optionalen Secrets, die in besonders schwierig zu erreichenden Winkeln auf mich warten, und keine Schätze, die ich sammeln und gegen Upgrades eintauschen könnte. Keine Highscores, keinen Timer, keine glitzernden Medaillen – das Spiel hat nichts, was mich für besonders schnelle oder fehlerfreie Leveldurchläufe belohnen würde und dessen andere Spiele sich bedienen, um mich zum Wiederspielen überreden zu wollen. In dieser Hinsicht ist Affordable Space Adventures eine geradezu meditative Erfahrung. Und das ist auch gut so.

Das Spiel versäumt es allerdings, mir einen triftigen Grund zum Weiterspielen zu geben. Die ersten 15 Level funktionieren da noch ganz gut; da sind allein das Spielprinzip, das frische Interface und die stetig hinzukommenden neuen Fähigkeiten ausreichend, um meine Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten. Bald aber wird Affordable Space Adventures zäh wie alter Kaugummi: Zwar bekommt unser Small Craft mit schöner Regelmäßigkeit neue Funktionen spendiert (welche wir nicht einsammeln müssen; sie werden nach und nach reaktiviert, nachdem die Bruchlandung zu Spielbeginn ihren Ausfall herbeigeführt hatte). Doch kann ich, als erlebnis- und erfolgsorientierter Spieler, mich über diese neue Funktionen irgendwann nicht mehr freuen. Im Gegenteil.

Denn wann immer mein Small Craft eine neue Fähigkeit erhält, darf ich mir sicher sein, dass ich diese Fähigkeit ab dem nächsten Level benötigen werde. Das beruhigende Gefühl an Stärke zu gewinnen, das Gefühl des „empowerments“, das in der Tat die Triebkraft in vielen Videospielen ist, stellt sich auf dieser Expedition nicht ein. Und das liegt nicht nur daran, dass alle Funktionen des Small Craft ganz bewusst „unspektakulär“ gestaltet sind (wie man in diesem frühen Trailer wunderbar sehen kann). Es liegt vor allem daran, dass mit jeder neuen „Stärke“ in genau dem selben Maße eine zusätzliche Herausforderung auf mich wartet – vielleicht sogar in stärkerem Maße, da die Fähigkeiten ja auch kombiniert werden wollen.


Born, bored, discovered.

Nun mag man dem entgegenhalten, dass es doch ganz normal sei, dass ein Spiel stetig komplexer und schwieriger wird. Schon, aber dennoch sind die meisten Spiele sehr darum bemüht, zumindest die Illusion zu erwecken, dass wir bzw. unser Avatar an Stärke gewönnen, auch wenn alle derartigen Zugewinne durch ein proportionales Anwachsen der Herausforderung meist direkt wieder aufgewogen werden. Aber schauen wir uns die Metroid-Reihe an, deren Setting dem von Affordable Space Adventures ähnelt und die auch spielmechanischen einige ähnliche Ansätze verfolgt – oder nicht?

Der Unterschied zu Affordable Space Adventures ist nämlich der, dass wir neu hinzugewonnene Fähigkeiten in Metroid in bereits bekannte Areale mitnehmen und dort auch nutzen können. Mit unseren neuen Fähigkeiten können wir uns dort nicht nur einfacher und schneller fortbewegen – wir können auch Sub-Areale erreichen, die uns zuvor versperrt waren, obwohl sie schon lange und sehr einladend vor unserer Nase standen. Die Folge sind befriedigende Gefühle von „empowerment“ und „accomplishment“, die Affordable Space Adventures nicht erzeugen kann. Dort geht es stets nur vorwärts und im nächsten Abschnitt brauchen wir immer nur die Fähigkeiten, die wir dann auch besitzen.

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Eine mögliche Lösung zur Behebung des Problems wären eine mitreißende Story gewesen, oder die Aussicht auf spektakuläre Umgebungen, auf neue interessante Puzzles. Das nächste Level als Belohnung für das Vollenden des vorherigen also. Dieser Reiz lässt sich tatsächlich nicht von der Hand weisen, war zumindest für mich aber nie genug. Und was die Story anbelangt, kann sie als treibende Kraft nicht taugen. Es geht eigentlich nur darum, nach der Bruchlandung ein Notsignal abzusenden und den Planeten zu verlassen. Zwar deuten sich nun, ab der Mitte des Spiels, sehr subtil einige narrative Inhalte an – ein paar Fragen, die geklärt und Geheimnisse, die erforscht werden wollen. Aber erstens passiert das viel zu spät, und zweitens verspreche ich mir nicht genug davon, um den Dingen unbedingt auf den Grund gehen zu wollen. Außerdem ist anzumerken, dass ein Spiel, dessen einziges treibendes Element seine Story wäre, ohnehin kein gutes Spiel sein könnte – wie wir auf dem Blog von Wolfgang Walk lesen können.

Und nun mag mein imaginärer Gegenspieler sagen: „Was ist denn mit Super Mario Bros!? Da geht es doch auch nur vorwärts, neue Fähigkeiten erlernt man gar nicht, der Look der Level wechselt zumindest in den frühen Episoden beliebig oder gar nicht, und von der Story fangen wir besser gar nicht erst an!“ Alles richtig. Nur, das, womit wir bei Super Mario Bros. fortwährend belohnt werden und woran wir uns ergötzen dürfen, ist das Wachsen unserer eigenen Fähigkeiten. Das Erlangen eines Geschicks, dass uns über uns selbst staunen lässt, wie wir nach einigen Spielstunden auch die vermeintlich unmöglichsten Hindernisse durchlaufen, während die Herausforderungen der ersten Level zur bloßen Routine verkommen sind. Und ist nicht die Aussicht auf Zufriedenheit mit uns selbst mitunter die beste Motivation überhaupt?

Inzwischen bin ich auf meinem Weltraumabenteuer im letzten Spieldrittel angelangt; zusätzliche Fähigkeiten erhalte ich kaum noch, aber nach wie vor begegne ich neuen, schwierigeren Herausforderungen. Und in der Tat gewinne ich seit einigen Levels den Eindruck, dass meine Geschicklichkeit und Kombinationsgabe nun endlich gefordert werden. Sollte sich das bis zum Ende der Reise (und in den extraschwierigen Bonusmissionen) so fortsetzen, dann findet meine Beziehung zu Affordable Space Adventures vielleicht doch noch einen versöhnlichen Abschluss, und dann bliebe lediglich zu bedauern, dass das Spiel im Mittelteil so durchhängt.


Ludonarrative Harmonie?

Ich möchte allerdings noch einen anderen Blickwinkel auf das Spiel präsentieren. Und bevor ich das tue, will ich meinen Lesern diesen exzellenten Artikel von Rainer Sigl ans Herz legen, der am Beispiel von Kane & Lynch 2: Dog Days nicht nur eine analoge Sichtweise präsentiert, sondern auch die Probleme aufzeigt, die eine solche Deutung mit sich bringt: Unfun: Kane & Lynch 2: Dog Days.

Denn auch bei Affordable Space Adventures stellt sich die Frage, ob ich mit der folgenden Sichtweise nicht gewisse Schwächen des Spiels schönrede oder die tatsächliche Genialität der Designer und Autoren von NapNok Games erkannt habe? Vermutlich liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen, und ganz sicher ist dieses Dilemma ein weiterer Beleg für die Schwächen von Zahlenwertungen, die einen solchen, eigentlich ganz aufregenden Widerspruch niemals angemessen abbilden könnten.

Es genügt ein Blick auf den folgenden Screenshot, um zu erkennen, wie unbedeutend und verloren unser Small Craft in der Weite des Planeten Spectaculon ist:

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Ich weiß nicht, was ist das Gegenteil von ludonarrativer Dissonanz? Ludonarrative Harmonie? Die dürfte man Affordable Space Adventures auf jeden Fall zugutehalten. Denn wie unser Schiff und seine Gerätschaften entschieden „small“ und unzureichend im Angesicht des bedrohlichen Unbekannten sind, so ist es nur konsequent, dass Gefühle von Macht und Stärke sich nie einstellen. Niedlich ist unser Gefährt, stellenweise malerisch sind die Umgebungen – aber unsere Feinde, deren Schlaf wir stören, zerpflücken uns brutal und gnadenlos in Bruchteilen von Sekunden.

Und so wie das Reisen über den Planeten mühsam und schwerlich ist, ergibt es irgendwie auch Sinn, dass wir so schnell wie möglich wieder wegwollen. Wieso sollten wir das wollen, wenn das Erkunden des Planeten Spaß machte und Reichtümer für uns bereit hielte? Das ist beispielsweise bei Pikmin der Fall, und deshalb wollen wir dort – anders als der gestrandete Captain Olimar – auch gar nicht so schnell wie möglich wieder weg. Bei Affordable Space Adventures hingegen werden wir uns nur selten wie abenteuerlustige Entdecker fühlen; wir sind Pauschaltouristen, denen ein gefahrloser 72-Stunden-Trip in exotische Gefilde versprochen wurde. Wir sind, um den kürzlich verstorbenen Zygmunt Bauman zu zitieren, „sensation-seekers and collectors of experiences“, auf der Suche nach der Illusion von Abenteuer. Doch die Klimaanlage funktioniert nicht, das Bett ist voller Ungeziefer, und der versprochene Meerblick ist ein schlammiger Kai, in dem die Fisch verenden. Das ist nicht die Art von Abenteuer, die wir uns vorgestellt hatten. Und wir wollen einfach nur noch heim.

Nein, ganz so schlimm ist Affordable Space Adventures aus Sicht des Couch-Piloten nicht; die Umgebungen sind teils wirklich schön und fantasievoll und die gefühlt authentische Bordkontrolle über unser eigenes kleines Raumschiff macht großen Spaß. Dennoch sorgen die Düsternis, die bedrohliche Geräuschkulisse und die rabiate Gewalttätigkeit der außerirdischen Artefakte erfolgreich dafür, dass wir uns auf Spectaculon niemals wirklich wohlfühlen. Und so ist Affordable Space Adventures nicht nur ein Paradebeispiel für Immersion und ludonarrative Harmonie, sondern auch ein kleines Kunstwerk durch und durch. Es macht nur leider nicht immer Spaß – es sei denn, man möchte es „Spaß“ nennen, wenn man auf der gerade dargelegten Meta-Ebene die eher intellektuelle Faszination der Billigurlaub-Analogie nachvollziehen kann.

Oder man holt sich ein bis zwei echte Freunde auf die Couch. Dann lassen sich die Space Adventures nämlich kooperativ durchleben, wobei die Funktionen des Raumschiffes auf die einzelnen Mitspieler und ihre Controller verteilt werden. Der Pilot kann sich dann ganz aufs Fliegen konzentrieren, während der Ingenieur die Schiffssysteme auf dem GamePad im Blick behält und kontrolliert. Ggf. kann auch noch ein Navigator einsteigen und den Scanner und die Scheinwerfer bedienen. Kommunikation wird zum A und O für den Erfolg. Am Spielablauf ändert das alles nichts, am Spielgefühl allerdings sehr viel. Abhängig davon, wie gut die Spieler harmonieren, gestaltet sich die gemeinsame Heimreise einfacher oder schwieriger als die Reise allein – auf jeden Fall aber lebendiger und nicht halb so beklemmend. [sk]


Affordable Space Adventures
NapNok Games (ehemals KnapNok Games) / Nifflas‘ Games 2015
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