Progression und Dauerspaß

Oberflächlich betrachtet kann man Star Fox Guard durchaus auf einer Stufe mit den einzelnen Spielen in Nintendo Land sehen: eine ganz auf das WiiU-GamePad zugeschnittene Spielidee, reduziert auf wenige Gameplay-Elemente, aber handwerklich solide umgesetzt – und das gepaart mit den Figuren und Umgebungen eines bekannten Franchises (zumal Star Fox in Nintendo Land damals fehlte). Alles in allem ist das Gesamtpaket von Star Fox Guard allerdings deutlich umfangreicher und komplexer als irgendeine der Attraktionen in Nintendo Land und vermag auf diese Weise auch auf Wochen hin zu begeistern. Der Onlinemodus, der bei Nintendo Land bekanntlich fehlte und unten noch näher vorgestellt wird, trägt dazu entscheidend bei. Noch eine Konsolengeneration früher hätte Nintendo ein Spiel von diesem Kaliber ganz regulär als Retail-Fasung in die Läden bringen können.

StarFox Guard versteht es, den Spieler immer wieder zu motivieren. Die Spielprogression ist exzellent, das Unlocking-System sehr motivierend: Bereits im Voraus lässt sich sehen, was mit Erreichen welchen Levels freigeschaltet wird, ohne dass die Neugierde durch zu viele Details gestillt würde.

Lediglich ein Aspekt des Spiels könnte Anlass zur Kritik geben, aber das hängt ganz davon ab, wie viel Zeit man gewillt ist, in Star Fox Guard zu investieren. Zum Freischalten der letzten 20 bis 30 Bonus-Levels ist nämlich einiges an Grinding notwendig. Dieses Grinding kann der Spieler in den bereits abgeschlossenen Missionen der Solo-Kampagne erledigen, was allerdings nicht sonderlich reizvoll ist, da außer den Erfahrungspunkte-Äquivalenten nichts zu gewinnen ist – keine Medaillen (erstaunlich für ein Spiel, an dessen Entwicklung Platinum Games beteiligt waren, und in meinen Augen sehr willkommen) und auch keine Highscores.


Now, you will feel true pain: Star Fox online.

Sehr viel attraktiver ist da der überraschend robuste und gut funktionierende Online-Modus. Dort geht es darum, die von anderen Spielern in einem einfach zu bedienenden Editor erstellten Robotersquads abzuwehren, wobei vom Matchmaking versucht wird, dem Spieler Gegner zuzuweisen, die seiner Erfahrungsstufe entsprechen. Natürlich ist es auch möglich, mittels Codes die Squads von Freunden gezielt herauszufordern.

Doch so viel Spaß das die meiste Zeit auch macht: Man muss wirklich viele dieser Matches bestreiten, um alle Bonusmissionen der Solo-Kampagne freizuschalten. Wir sprechen hier zwar nicht von Monaten, aber doch von 20 Stunden oder mehr, was in Relation zu Match-Längen von weniger als 3 Minuten gar nicht wenig ist – und wer noch dazu alle Achievements freischalten möchte, die Stempel für das Multiplayer-Profil mit sich bringen, ist unter Umständen noch länger mit dem Spiel beschäftigt. Da Star Fox Guard allerdings einen solchen Sog entwickelt und einige Online-Gegner mit wirklich smarten, schwer zu schlagenden Squads aufwarten, ist besagtes Grinding nicht nur zu verschmerzen – es macht auch anhaltend Spaß.

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Und so ist es eigentlich eine fein ausbalancierte Win-Win-Situation: Die Aussicht auf das Freischalten der Solo-Missionen sorgt für die notwendige Sinnhaftigkeit, die dazu „ermutigt“, sich längere Zeit dem Onlinemodus zu widmen, womit zugleich sichergestellt ist, dass dort ausreichend viel los ist. Zwar wird nicht jede Partie das Gefühl vermitteln, dass die Herausforderung den eigenen Fähigkeiten entspricht, und gerade zu Spielbeginn hat man es mit unbedarft zusammengewürfelten Squads zu tun, die sich mit einer einzigen Kamera bewältigen lassen. Ist man aber erst auf einem ausreichend hohen Level angelangt, kann man über die Stärke einiger Spielerkreationen nur staunen. Gleichzeitig habe zumindest ich keinen einzigen Fall erlebt, in dem sich eine Roboterkonstellation als vollkommen unbesiegbar herausgestellt hätte. Mit dem Balancing von asymmetrischen Mehrspieler-Mechaniken konnte Nintendo schließlich schon bei Nintendo Land überzeugen.

Lediglich in einem Aspekt stößt das sonst so vorbildhafte Balancing an seine Grenzen: Spätestens ab Level 40 waren die Online-Kontrahenten, denen ich mich zum Sammeln von Erfahrungspunkten stellen musste, sehr viel härter, als die späten Solo-Missionen, die ich mittels dieses Grindings eigentlich freischalten wollte. Die Freude über ein endlich spielbar gewordenes Level hält sich verständlicherweise in Grenzen, wenn die Herausforderung in Relation zum Vorspiel so gering ausfällt.

Das allerdings ist Kritik auf hohem Niveau und ändert nichts am Urteil: Wer 2nd-Screen-Gameplay mag oder vorhandene Vorbehalte beiseite schieben kann, wird nach einer überstandenen Eingewöhnungsphase (welche diesen Namen kaum verdient hat, so vorbildlich sind Spieleinstieg und Progression) eine Spielmechanik genießen können, die nicht nur zu den originellsten, sondern auch zu den rundesten Exklusiv-Erfahrungen auf der WiiU gezählt werden kann.


Lücken in der Verteidigung

Die Schwächen des Spiels sind andere – und sie alle können in dem einen Satz zusammengefasst werden, dass StarFox Guard außer Gameplay nichts zu bieten hat. Manchen mag dieser ausschließliche Fokus auf die Spielmechanik genügen und auch für mich hat sich dadurch am Spielspaß, an der Spannung und der Faszination nichts geändert – Star Fox Guard ist tatsächlich so gut, dass es keine mitreißende Story oder keine atemberaubende Grafik braucht, um zum Weiterspielen zu ermutigen. Das heißt aber natürlich nicht, dass Star Fox Guard nicht trotzdem ein interessanteres, ein noch besseres (und vermutlich auch erfolgreicheres) Spiel hätte sein können, hätte Nintendo sich die Mühe gemacht, mehr Anstrengungen in die „äußerlichen Werte“ zu investieren. So allerdings sind die Bereiche, in denen Star Fox Guard viel Potential auf der Strecke – um nicht zu sagen, sämtliche Ambitionen vermissen – lässt, die Hintergrundgeschichte und die Optik.

Man kann dem Spiel wohl verzeihen, dass Nintendo ihm die Star Fox-Lizenz kurzerhand übergestülpt hat, um so auf einer existierenden Fanbase aufbauen zu können und zugleich Star Fox Zero attraktiver zu machen. Das Spiel wird durch diese Lizenz gewiss nicht schlechter und dem ohnehin wenig und inkonsequent entwickeltem Star Fox-Universum tut die uninspirierte Geschichte um Slippy Toad und dessen Onkel Grippy auch nicht weiter weh. Da sehe ich das 15 Jahre alte Starfox Adventures in beiderlei Hinsicht weitaus kritischer.

StarFoxGuard

Doch wie dem auch sei: Auch wenn eine Hintergrundgeschichte immerhin „vorhanden“ ist und die Spielerfahrung nicht negativ beeinflusst (auch nicht durch lange Dialoge oder Videosequenzen), so kommt sie über den Gehalt einer einzelnen Episode eines Samstagmorgen-Cartoons leider nie hinaus – abschließende Punchline inklusive. Wäre da nicht mehr möglich gewesen? Hätte Nintendo nicht gerade bei einem Nischenspiel wie diesem auch in narrativer Hinsicht etwas Mut und Originalität beweisen können? Offenbar wird Tingle’s Rosy Rupeeland (2006) auf absehbare Zeit der in narrativer Hinsicht unkonventionellste (um nicht zu sagen kontroverseste) Titel in Nintendos Portfolio bleiben. Das ist schade.


Trist im Weltraum

Nicht anders verhält es sich mit der Grafik: Mit technischen Unzulänglichkeiten muss sich zwar keiner herumschlagen und die Framerate von Star Fox Guard ist so butterweich, wie die Gegner und die Action einwandfrei lesbar sind, doch ist die gebotene Ästhetik trist wie ein Sonntagsspaziergang durch eine Plattenbausiedlung. Böte Star Fox Guard eine auch künstlerisch ansprechendere Optik, die mit einer Handvoll Schauwerten abseits der Kampfareale mehr Stimmung aufzubauen in der Lage wäre, dann hätten viele Spieler den Titel wohl nicht von vornherein als simples Minigame abgeschrieben. So aber verdient die Grafik sich gerade noch das Prädikat „zweckmäßig“, und wenn ich Star Fox Guard weiter oben schon mit Nintendo Land verglichen habe: Grafisch zieht es klar den Kürzeren.

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Lediglich ein Detail, das im ersten Moment fremd anmutet, ist in Wirklichkeit sehr gelungen. Während nämlich der Hauptbildschirm in der Mitte der TV-Ansicht das Geschehen in stets ruckelfreien 60 FPS wiedergibt, ist die Framerate der zwölf ringsum gruppierten Kameraansichten eine deutlich geringere. Dass so – möglicherweise – Rechenleistung eingespart wird, mag ein Aspekt sein, die Erzeugung einer fake CCTV-Optik ist ein anderer. Am interessantesten ist allerdings, dass der so entstehende Kontrast der Spielbarkeit tatsächlich zuträglich ist, da sich auf diese Weise die nur in den Augenwinkeln wahrgenommenen Feindbewegungen von denen im Hauptbildschirm deutlicher abheben. Das erleichtert abermals die Lesbarkeit, was schnellere Reaktionen möglich macht und Frusterlebnissen entgegenwirkt. Zweifellos sind es Details wie diese, die zur bemerkenswerten Spielbarkeit von Star Fox Guard beitragen.

Für die Soundkulisse gilt dasselbe. Auch die ist in erster Linie zweckdienlich a.k.a. belanglos, versteht es allerdings sehr gut, das Spielgeschehen stimmungsvoll zu unterstreichen und ihren Teil zur bemerkenswert guten Spielbarkeit beizutragen: Beispielsweise wird die Fortbewegung der einzelnen Gegnertypen von unterschiedlichen, charakteristischen Soundeffekten begleitet, sodass es mit einer gewissen Erfahrung möglich ist, auf herannahende Gegner, die den Kameras womöglich entgangen sind, auch akustisch aufmerksam zu werden. Sprachsamples von den gewohnten Sprecher des Starfox-Teams und typische Melodien runden die Klangkulisse im unverfänglichen Mittelmaß ab.


Fazit: Mission accomplished!

Star Fox Guard demonstriert zugleich die größten Stärken wie auch die größten Schwächen Nintendos: Auf der Gameplay-Ebene bietet selbst diese kleine Produktion mehr Feinschliff als so manche Triple-A-Entwicklung der Konkurrenz und wartet dabei nicht nur mit einem genuin neuen (und unglaublich unterhaltsamen) Spielkonzept auf, sondern treibt die Möglichkeiten seines Regelwerks auch hinreichend an ihre Grenzen. Gleichzeitig allerdings verspielt Nintendo bei Star Fox Guard erneut die Chance, auch in anderen Bereichen mit Einfallsreichtum und Tiefe zu punkten: Die Story ist nichts anderes als der Versuch, im Windschatten eines bekannten Franchises mitzufahren, und die auch die Grafik ist selten mehr als zweckmäßig.

Immerhin: Wenn der Zweck der ist, eine exzellente Spielmechanik zu transportieren, bei der das GamePad so originell und schlüssig eingesetzt wird, wie in kaum einem anderen Spiel, dann hat Star Fox Guard seine Mission mit Bravour erfüllt. Und so bietet der Titel seinen Spielern ein überraschend robustes Gesamtpaket, das seinen Preis von regulär 14,99 Euro rechtfertigt und sich hinter echten Retail-Releases nicht verstecken muss. Neben einer Nintendo-typisch geschliffenen Solo-Kampagne trägt nicht zuletzt der durchdachte Onlinemodus viel dazu bei, dass Star Fox Guard als eines der in spielerischer Hinsicht interessantesten WiiU-Konzepte in die Historie der glücklosen Konsole eingehen darf.

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Und wer nun noch immer zweifelt, sollte sich die umfangreiche Demo aus dem eShop laden, in der immerhin 20 Prozent der regulären Solo-Missionen spielbar sind. Praktischerweise lässt sich der Spielfortschritt der Demo in die Vollversion übernehmen – egal ob letztere aus dem eShop geladen wurde oder von Disc gespielt wird. Es gibt nämlich drei Möglichkeiten, Star Fox Guard zu kaufen: Der direkte Download aus dem eShop ist für 14,99 Euro zu haben. Erwirbt man den Download-Code hingegen im Handel, darf man sich die zugehörige Spielebox ins Regal stellen – und bezahlt unter Umständen weniger als sieben Euro. Auf Disc bekommt man Star Fox Guard allerdings (und leider) nur als Teil der Special Edition von Star Fox Zero. Die ist weitestgehend ausverkauft und das Spiel entsprechend rar, allerdings bewegen sich die Gebrauchtpreise zumindest im Moment noch absolut im Rahmen. [sk]

Seite 1: Entwicklungsgeschichte und Spielmechanik


Star Fox Guard

Nintendo EPD/Platinum Games 2016; WiiU
Producers: Tadashi Sugiyama & Atsushi Inaba