Heute vor 15 Jahren, am 14. März 2002 erschien die Xbox in Europa.

Wir befinden uns im Jahre 2017 n.Chr. Die ganze Videospiel-Welt erkundet auf ihrer Nintendo Switch mal wieder Hyrule. Die ganze!? Nein! Eine Handvoll unbeugsamer Games-Blogger leistet Widerstand und blickt zurück… Auf die erste Xbox! Heute vor genau 15 Jahren, am 14. März 2002, bereicherte Microsoft die europäische Heimkonsolen-Landschaft um die bis dahin leistungsstärkste Konsole. Der ideale Zeitpunkt also, um an dieses prägende Ereignis zu erinnern – und SPIELKRITIK.com endlich auch um eine ordentliche Portion Xbox zu bereichern.

Early_Xbox_Marketing_Page

Ich freue mich, dass insgesamt fünf Spielkritik-Leser unserer Einladung gefolgt sind und ihre eigenen Erinnerungen, Anekdoten und Empfehlungen rund um den dicken schwarzen Kasten in Worte gepackt haben. Den Anfang machen heute Daniel und ich, oben drauf gibt’s einen Spiele-Geheimtipp von Roberto von Polygonien.de – und morgen dann den Rest eurer Einsendungen. Dafür vielen Dank und viel Spaß beim Lesen! :)

Und wenn ihr schon hier seid: Lasst uns doch ein paar Comments da! Was war euer erster Kontakt mit der Xbox? Was hat euch zum Kauf bewogen – oder davon abgehalten? Wann habt ihr zuletzt mit eurer alten Xbox gespielt? Was waren eure Lieblingsspiele, oder, falls ihr auf anderen Systemen daheim wart, auf welche habt ihr neidisch geschaut? [sk]


Die unfassbare Xbox: Eine Spurensuche
(von Spielkritik-Chefredakteur Sylvio Konkol)

Die Generation der Xbox, der PlayStation 2 und des GameCube war die erste, die ich bewusst als solche wahrgenommen habe. Meinen Einstieg in die moderne Heimkonsolenwelt hatte ich zwar schon Anfang 1999 mit dem Nintendo 64 erlebt und dass so etwas wie eine „Playstation“, so etwas wie eine Konkurrenz zu Nintendo existierte, das war mir durchaus schon bewusst gewesen. Einen wirklichen Bezug hatte ich zur Sony-Konsole allerdings nie (auch keinen negativen) und ich kannte nicht eine einzige Person, die selbst eine PSX besessen hätte.

Fast Forward. Obwohl sich auch 2001/2002 die Frage, eine andere Folgekonsole als den GameCube zu wählen, für mich gar nicht stellte, (während ich parallel dazu auch auf dem PC zu spielen begonnen hatte) war diese Generation die erste, in der zumindest meine subjektive Wahrnehmung der Industrie und der Games-Releases wirklich „multiplattform“ geworden war. Das mochte am Zugang zum Internet einerseits gelegen haben, am gelegentlichen Lesen von nun auch Multiplattform-Magazinen wie der Maniac oder der GamePro, und etwas später auch daran, dass sich einige PS2-Besitzer zu meinem Freundeskreis gesellten.

Kurios erscheint dagegen, dass ich nicht einmal mit Sicherheit sagen kann, ob ich je einen Xbox-Controller auch nur in meinen Händen gehalten habe. In meinem Bekanntenkreis gibt es bis heute diese Tendenz zu Nintendo-Konsolen, ergänzt um eine etwas geringere Zahl von Sony-Spielern, und, ja, schließlich auch zwei, drei Leute mit einer Xbox 360. Aber eine Xbox der ersten Generation besitzt meines Wissens keiner derer, mit denen ich schon einmal zusammen auf einer Couch gesessen und gespielt habe.

Oh Xbox, where art thou? Die Games Convention 2003 – 2005

Wenn überhaupt, dann dürfte mir die Xbox auf einer der ersten Games Conventions begegnet sein. Als GameCube-Besitzer habe ich natürlich auch dort vornehmlich nach Nintendo-Spielen Ausschau gehalten bzw. an den imposanten Nintendo-Messeständen herumgetrieben. Fasziniert vom zunehmend diversifizierten Angebot vor allem der PS2 habe ich aber auch mehr und mehr über den Tellerrand geblickt: So kann ich von 2005 mit Gewissheit sagen, dass ich den Microsoft-Stand zumindest besucht habe. Hinter Glas konnte man die neue Xbox 360 Hardware da bereits bewundern, meines Wissens aber noch nicht anspielen. Habe ich anstelle dessen einen gewöhnlichen Xbox-Controller in die Hände genommen? Ich weiß es nicht…

Multiplattformtitel bei Electronic Arts, Ubisoft und anderen Drittherstellern waren auf der Games Convention in den meisten Fällen als PS2-Versionen spielbar. Das mag insofern erstaunen, als die PS2-Fassungen in der Regel die technisch schwächsten waren. Die größere Verbreitung der Konsole und vielleicht auch größere Entwicklungsfortschritte der zentralen PS2-Fassungen wogen diesen Nachteil aber offenbar auf. Und so erinnere ich mich, dass ich TimeSplitters 3 oder Need for Speed Underground erstmals auf der PlayStation 2 angespielt habe. Die Xbox blieb dagegen ein Mysterium… Sogar mit dem Nokia N-Gage habe ich mehr als einmal gespielt und zwei T-Shirts nach Hause getragen!

Dass die klassische Xbox mit dem Zeitpunkt ihrer Ablösung durch die Xbox 360 ganz rapide von der Bildfläche verschwand und, anders als der GameCube oder die Sega Dreamcast, auch als Retro-Konsole nur ein Nischendasein fristet (was für Neueinsteiger mit schmalem Geldbeutel natürlich auch ein Vorteil sein kann), war meinem Kontakt mit dem System in den Folgejahren natürlich auch nicht eben zuträglich.

Damit endet mein eigener, sehr limitierter Blick auf den großen schwarzen Kasten, der sich heute wohl auch ganz gut auf meinem Universum-VHS-Recorder machen würde – dem selben, mit dem ich schon damals, 2001/2002 Game On! TV mit dem berühmt-berüchtigten Malte Höch auf NBC aufgezeichnet und so erstmals bewegtes Material aus Xbox-Games gesehen habe. Panzer Dragoon Orta taucht aus dem Nebel der Erinnerungen auf, Splashdown, Fable…

Und nun fällt mir doch noch ein einziges Mal ein, an dem ich ganz sicher vor einer waschechten Xbox gesessen und auch aktiv damit gespielt habe! Einen „richtigen“ Xbox-Controller hielt ich ironischerweise aber auch da nicht in den Händen: Das Spiel war Steel Battalion, mit seinem legendären 40-Tasten-Mech-Spezialcontroller. Unglaublich, dass gerade diese Kuriosität mein einziger eigener Berührungspunkt mit der Konsole gewesen sein sollte?

Danke an André Eymann von videospielgeschichten.de, der mir die Fotos von der Games Convention 2005 zur Verfügung stellte.


Enter the Xbox
(von Spielkritik-Redakteur Daniel Minner)

Mein erster Kontakt mit der Xbox war im Erscheinungsjahr 2002. Ich war damals 12 Jahre alt und stolzer Besitzer meines eigenen Nintendo 64. Als ich jedoch die Xbox in einem Müller Drogeriemarkt live in Aktion sah, traute ich meinen Augen nicht. Noch nie hatte ich so realistische Fahrzeugmodelle gesehen wie in Project Gotham Racing. Das Licht der Scheinwerfer spiegelte sich in den Karosserien der anderen Rennteilnehmer, der hochaufgelöste Schatten des Fahrzeugs bildete nicht nur einen schwarzen Fleck auf der Straße, sondern schien sich den Gegebenheiten anzupassen und das Auto schaukelte scheinbar physikalisch korrekt in jeder Kurve. „Das ist die beste Grafik die ich je gesehen habe! Mehr geht nicht!“, dachte ich als kleiner, naiver Junge. Als ich dann den, für meine Hände, viel zu großen Controller nahm und versuchte eine Runde zu absolvieren, stellte ich enttäuscht fest, dass Microsoft mit der Xbox eher die ältere Generation ansprechen wollte.

Viel Zeit ist seitdem vergangen, doch noch oft dachte ich an dieses einschneidende Erlebnis zurück. 2015 auf einem Flohmarkt sah ich sie dann. Ich kaufte mir die klobige schwarze Box mit dem großem X auf dem Case, die dicken Controller und dazu eine Handvoll Spiele. Zuhause angekommen, holte ich den Röhrenfernseher hervor, entstaubte ihn und schloss die Xbox an. Das Erste was mir ins Auge stach, war das giftgrüne Hauptmenü mit dem leisen, fast schon bedrohlich wirkenden Hintergrundrauschen. Das metallische Rattern und die industriellen Geräusche, welche beim Durchschalten der einzelnen Menüpunkte und Einstellungen ertönten, verliehen der Konsole eine futuristische Erscheinung und beeindrucken mich bis heute. Menüführung wie aus einer anderen Welt! In Kombination mit den ungewöhnlichen Controllern und der außergewöhnlichen Form des Gehäuses, hob sich die Xbox stark von ihren Konkurrenten ab. Mir gefiel das Gesamtkonzept schon damals sehr.

Da ich inzwischen die Controller der Xbox 360 gewohnt war, konnte ich mich schnell an die der originalen Xbox gewöhnen, und so stand meinem Vorhaben, Klassiker der Xbox nachzuholen und somit meinen Wissensschatz zu erweitern, nichts mehr im Wege.

matrix

Neben Größen wie Morrowind oder Star Wars: Knights of the Old Republic spielte ich vor allem Enter the Matrix. Als Fan der Max-Payne-Reihe fand ich mich in diesem Spiel schnell zurecht. Intuitives Gameplay, Gefechte in Matrix-Manier und viel Action waren genau das, was ich mir unter einem gutem Spiel vorstellte. Hinzu kamen Zwischensequenzen mit Filmaufnahmen, in denen Originalschauspieler der Matrix-Filmreihe zu sehen waren. Im Spiel selbst steuerte man jedoch nicht Neo, den Protagonisten aus den Filmen, sondern die Nebencharaktere Ghost und Niobe, und erfuhr somit deren Geschichte. Das Kampfsystem orientierte sich ganz an den Filmen. Mit zahlreichen Waffen, Zeitlupenmechanik und gut animierten Nahkampfmoves kämpfte man sich durch die Gegnerreihen. Tolle Leveldesigns, Shoot-‚em-up-Passagen und Verfolgungsjagden in schwarzen Limousinen verliehen dem Spiel viel Abwechslung. Ein Muss für jeden Matrix-Fan.

Alles in allem war ich so auch Jahre später von der Performance der Xbox nicht enttäuscht. Sie überzeugt durch fokussiertes Design und ihre Einzigartigkeit. Trotz großer Anfangsschwierigkeiten hat Microsoft es geschafft, sich erfolgreich auf dem Konsolenmarkt zu etablieren und auch heute noch bin ich der faszinierte kleine Junge aus dem Müller Markt, wenn das große, giftgrüne X auf dem Bildschirm erscheint.


Heißhunger auf Gehirn: Stubbs the Zombie in Rebel Without a Pulse
(von Spielkritik-Gastautor Roberto Kracht)

stubbsZombies waren auch schon zu Zeiten der ersten Xbox nicht gerade ein Zeichen für innovatives Gamedesign und doch sind ausgerechnet diese wandelnden Leichen die Helden in einem der ungewöhnlichsten Xbox-Spiele. Stubbs the Zombie in Rebel Without a Pulse stellt das Zombie-Genre auf den Kopf und macht einen hungrigen Untoten kurzerhand zum liebenswerten Protagonisten. Edward „Stubbs“ Stubblefield wurde in den 1930er Jahren vom Vater seiner Freundin kaltblütig abgeknallt und im Wald verscharrt. Knapp drei Jahrzehnte später errichtet der Sohn seiner einstigen Geliebten genau dort die retro-futuristische Stadt Punchbowl und die feierliche Eröffnung wird  zum Startschuss eines skurrilen Rachefeldzugs.

Wie es sich für einen klassischen Zombie gehört, ist  Stubbs nicht gerade schnell unterwegs und der Einsatz von Waffen ist seine Sache nicht, aber das Leben als Untoter hat auch Vorteile. Ihr müsst nur fleißig Leute anknabbern und schon habt ihr eine hungrige Zombiehorde, die ihr auf Polizei und Zivilisten hetzen könnt. Außerdem lassen sich eure fauligen Organe auf verschiedenste Art zweckentfremden. So werden aus euren Innereien schnell improvisierte Handgranaten und euer Kopf zu einer Giftbombe, die ihr einer Bowlingkugel gleich durch die Reihen eurer Widersacher rollen lasst. Die Krone des organischen Waffenarsenals bildet jedoch euer eiskaltes Händchen, mit dem ihr auch unzugängliche Stellen erreichen und sogar die Lebenden kontrollieren könnt.

Auch wenn sich die Mechaniken mit der Zeit ein wenig abnutzen, bleibt Stubbs the Zombie dank seines tollen Humors und ungewöhnlicher Ideen bis zum Ende ein ziemlich amüsanter Titel, den leider viele Xbox-Fans verpasst haben. Hinter dem Spiel steckt übrigens kein geringerer als Alex Seropian, der einst Bungie gründete und dort maßgeblich an Spielen wie Marathon und Halo beteiligt war. Von letzterem borgte er sich auch die Engine für seine Zombie-Parodie. Wer keine Xbox mehr daheim hat und trotzdem Gehirne knabbern will, der kann die nicht ganz fehlerfreie Emulation auf der Xbox 360 versuchen oder auf die Win/Mac-Version zurückgreifen. Den Splitscreen-Coop bekommt ihr allerdings nur auf der Konsole.


Mit dieser alternativ-kulinarischen Retro-Empfehlung soll es heute erst einmal genug sein. Noch mehr persönliche Erinnerungen und Spieletipps für Einsteiger und Veteranen lest ihr morgen, im zweiten Teil unseres Geburtstagsspecials.

Update: Hier geht’s zum zweiten Teil – mit noch mehr Erinnerungen, den besten (exklusiven) Spielen, und Features, die ihrer Zeit voraus waren.