Ein Gastbeitrag von Daniel Minner
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Die Kopfgeldjagd ist vorbei. Nach zwei Stunden Arbeit, einem vollen Frachtraum und 42 % Schaden an der Außenhülle, geht es endlich wieder nach Coriccha. Genauer gesagt zum Mendeleev Gateway, einer Raumstation, welche viele Vorteile bietet. Zunächst die gute Beziehung zu dem Sternensystem, welche ich mir erarbeitet habe, die damit entstandenen Handelsrouten mit guter Bezahlung und kurzen Wegen, den hohen Sicherheitsstandards, ein paar guten Werften und zu guter Letzt natürlich den grandiosen Ausblick auf die zwei erdähnlichen Planeten, wenn man den Mendeleev Gateway verlässt.
Wo du weg willst wenn du älter wirst und zurück willst wenn du alt bist,
das ist „Heimat“…
400 Milliarden Sternensysteme gibt es in der Weltraumflugsimulation Elite Dangerous. Zwar besitzt nicht jedes System eine Raumstation, welche angeflogen werden kann, jedoch sind es mehr als genug um alle in einem Menschenleben zu besuchen. Wer zum ersten Mal in dieses Spiel eintaucht, der merkt schnell, dass es in erster Linie darum geht, lukrativ an Credits zu kommen. Also macht man sich auf die Suche nach Ruhm, Reichtum und einem größeren Schiff, auf, in eine schier unendliche Galaxis voller Gefahren und Abenteuer. Ob beim Handeln, Erkunden oder eben als Kopfgeldjäger. Die Möglichkeiten sind groß. Nachdem ich circa 120 Spielstunden in unserer Milchstraße verbracht hatte, kam in mir ein Gefühl auf, etwas zu vermissen. Ein Ort an dem ich nach einem langen Tag voller „Arbeit“ gerne zurück kehre, ein Ort an dem ich nichts fürchten muss und ein Ort für den ich einstehe und um den es sich zu kämpfen lohnt. Eine Heimat. Dieser Gedanke bewegte mich zu diesem Text.
„Heimat beschreibt die Beziehung zwischen Mensch und Raum. Oder ist die Heimat doch mehr ein Gefühl als ein Ort? Doch was macht einen guten virtuellen Heimatort aus?“ Um das heraus zu finden, stellte ich mir zunächst die Frage, welche Spiele es nicht schaffen ein Gefühl der Heimatverbundenheit dem Spieler zu vermitteln.
Meine Straße, mein Zuhause, mein Block…
In vielen Videospielen bekommt der Protagonist eine Heimat zugewiesen. GTA 4, Watchdogs und Sleeping Dogs sind Beispiele hierfür. Der Held erhält eine Art Unterkunft (Haus, bzw. Wohnung), welche ihm Sicherheit bietet und in der er sich wohl fühlen soll. Diese Orte sind oft mit Liebe zum Detail designet und sollen dem Spieler einen Einblick in das Privatleben außerhalb der Abenteuer des Protagonisten geben. Die Möglichkeiten zur Interaktion aber sind sehr mau. Man kann sich umkleiden, speichern, seinen Fuhrpark begutachten oder kleine Minispiele machen. Jedoch reichen diese Bedingungen nicht aus um ein Gefühl der emotionalen Verbundenheit zu diesem Ort zu vermitteln. Im Gegenteil. Hier fühle ich mich schnell gelangweilt und festgehalten, wo doch da draußen diese ganzen Abenteuer auf mich warten. Hier bin ich und schaue dem Helden beim Händewaschen zu. Toll! Hinzu kommt, dass ich immer alleine bin. Niemand empfängt oder wartet auf mich. Ob Villa oder Bruchbude, allein wird es zwangsläufig langweilig.
Apropos Villa. Bei Assassins Creed 2 gibt es die Villa Auditore, welche meiner Spielfigur als Zuhause dienen soll. In dieser Villa trifft man auch die Eltern und die Schwester des Prota-gonisten. Die Interaktion mit ihnen besteht jedoch einzig allein darin, durch sie an kleine Minispiele zu kommen, in welchen man z.B. Finanzen verwaltet oder Ähnliches. Somit könnten diese Familienmitglieder auch durch Questtafeln ersetzt werden. Denn um ein Gefühl der Heimatverbundenheit zu erzeugen, reicht es nicht Mama und Papa ins Haus zu stellen. Das Gleiche gilt für Far Cry 3. Die Höhle, in welche die geretteten Freunde flüchten, ist weder sehr einladend noch sind diese „Freunde“ in irgendeiner Art angenehme Zeitgenossen. Also bloß schnell weg von hier und weiter Piraten jagen.
Arbeit Arbeit…
„Ist also das eigenhändige Errichten einer Heimat der Schlüssel?“
Wer jemals eine Ikea Einbauküche eigenhändig installiert hat, kennt dieses Gefühl. Das Gefühl getaner Arbeit. Ähnliches erzeugen Minecraft oder andere Spiele bei denen man seine Heimat komplett selber erbaut. Der perfekte Platz mit den besten Bedingungen. Das Hauptquartier für die nächsten Jahre soll es werden und Allem trotzen. Der Stolz, den jeder empfindet sobald er den letzten Stein zu Fertigstellung des Eigenheimes gesetzt hat, trägt stark dazu bei, sich mit diesem Zuhause zu identifizieren. Jedoch ist Minecraft ein Extrembeispiel, da hier der gestalterischen Fantasie keine Grenzen gesetzt werden.
Ein anderes Beispiel: Fans von Skyrim wurden erhört und bekamen von den Entwicklern das Add-On Hearthfire. In diesem konnten sich die Spieler ein eigenes Zuhause bauen und sogar eine Familie gründen – es wurde dankend angenommen und recht populär. Die besten Voraussetzungen für eine Heimat oder!? Hierbei zeigt sich, dass es Spielern wichtig ist, selbst am eigenen Zuhause mitzuwirken, weil es ihnen noch mehr die Chance gibt, sich mit der Spielwelt zu identifizieren. Bethesda übernahm dieses Spielprinzip von Hearthfire nicht umsonst in ihr nächstes großes Rollenspiel Fallout 4, in dem man sich ein eigenes Dorf bauen kann.
Einer von uns! Einer von uns! …
Durch den Zuwachs, den das selbst erbaute Dorf erfährt, bekommt man schnell das Gefühl Teil einer Gemeinschaft zu sein. Menschen die nebenan wohnen, denen man helfen will und für die es sich im Zweifelsfall auch lohnt zu kämpfen. Änderungen die in der Spielwelt vorgenommen werden, wirken sich auf die Mitmenschen und die Umstände des Dorfes aus und erzeugen eine Art Pflichtbewusstsein im Spieler. Man sorgt sich um seine Bewohner, macht gute wie schwere Zeiten mit ihnen durch und versucht es jedem Recht zu machen. Viele Rollenspiele versuchen auch den Spieler in eine gewisse Gemeinschaft zu drängen. Diese werden meist als „Gilden“ bezeichnet. Oft herrscht hier eine Hierarchie und man muss sich als Neuling zunächst seinen Rang erspielen. Dadurch lernt man viele Charaktere im Spiel kennen, man kämpft Seite an Seite, bekommt einen eigenen Schlafplatz im Hauptquartier der „Gilde“ und arbeitet sich Rang für Rang zum Anführer der Truppe hoch. All diese Elemente festigen das Zugehörigkeitsgefühl zu einer „Gilde“ und auch deren Hauptquartier, welches sogleich als Heimat angesehen werden kann.
Home is where your heart is…
Oft verlässt der Protagonist schon frühzeitig im Verlauf des Spiels seinen Heimatort. Dies kann ein dramatisches Erlebnis für den Spieler sein, vorausgesetzt die Entwickler haben es geschafft, eine gefühlte Verbundenheit mit diesem Ort zu vermitteln. Nun stellt sich die Frage, das Alte neu aufzubauen oder etwas Neues zu erschließen. Dass hier viel Potenzial für eine gute Vermittlung der Heimatverbundenheit liegt, zeigen Beispiele wie Zelda: Ocarina of Time oder Red Dead Redemption. In Red Dead Redemption wird man von der liebenswerten Tochter des Vaters MacGuffin umsorgt und im Gegenzug hilft man ihr bei diversen Aufgaben auf der Ridgewood Farm. Eine Arbeit die man gerne erledigt, weil man dadurch ein wertvoller Teil dieser Gemeinschaft wird. Oft bin ich im späteren Verlauf des Spiels an diese Farm zurückgekehrt. Auch weil ich mich im Laufe der Zeit dafür verantwortlich gefühlt habe. Diese Farm entwickelte sich zu meiner Heimat, ohne dass sie explizit so benannt wurde.
Zelda schafft es mit noch weniger offensichtlichen Elementen. So lernt man den Helden Link als Teil einer Gemeinschaft des Kokiri Dorfs kennen. Die Mitbewohner, die allesamt Einheitskleidung tragen, jedoch unterschiedlichste Rollen in der Dorfgemeinschaft einnehmen, verleihen der Spielwelt eine gewisse Authentizität und Lebendigkeit. Jeder kennt jeden in diesem Dorf und doch haben alle Bewohner einen anderen Charakter. Es ist ein Ort, welcher mit seiner fast schon familiären Atmosphäre so charmant und herzerwärmend ist, dass er zum Wohlfühlen und Bleiben einlädt. Schon sehr früh im Spiel wächst einem das Kokiri Dorf ans Herz, obwohl man es weder selbst erbaut noch auserwählt hat.
Zusammenfassend kann man sagen, dass ein Heimatort in einer virtuellen Spielwelt ein wichtiges Kernstück sein kann. Gut eingebunden kann er die Immersion stark unterstützen und somit ein besseres Spielgefühl erzeugen. Sicherheit, ein Verantwortungsbewusstsein und ein gewisses Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gemeinschaft können Schlüsselelemente zu einem gelungenen virtuellen Zuhause sein.
Heimat ist kein Ort, sondern…
„Was ist denn eigentlich Heimat?“ Egal wie man es definiert, für mich ist Heimat ein Gefühl und kein Ort. Beim Schreiben dieses Textes kamen viele Fragen auf und ich habe den Eindruck, nur an der Oberfläche gekratzt zu haben. „Ist die selbst erbaute Heimat besser als die Vorgesetzte? Wäre ein Need for Speed besser mit einem Heimatort? Könnte die Suche nach Heimat ein ganzes Spiel tragen und sollte jedes Spiel mit einem humanen Protagonisten eine Heimat haben?“
Umso mehr ich über Heimat nachdenke, desto mehr vermisse ich dieses Kernstück in vielen Spielen. Doch nicht jede Heimat muss ein Dorf oder eine Villa sein. So kann auch das Leuchtfeuer in Dark Souls symbolisch als eine Art Heimat empfunden werden. Ein Licht in einer Welt voller Gefahren. Ein Feuer, das einen mit seiner Wärme willkommen heißt. Ein Ort der Sicherheit, Geborgenheit und Erlösung…
Heimat.
Der Autor:
Daniel Minner (@mojo_pure_evil)
In der Kulturstadt Weimar daheim und in einem Forschungslabor als Techniker bei der Arbeit, begegnet Daniel Videospielen in bester Universalgelehrtentradition: Mit leidenschaftlichem Interesse an Spielkultur in all ihren Facetten, reizen ihn Themen, in denen Philosophie und Gamedesign zusammentreffen – und er hasst es, wenn Spiele ihn zum Grinden zwingen. Daniel spielt seit seiner Kindheit (wie wir alle) und am liebsten gemeinsam mit Freunden. Aus finanziellen und – endlich sagt es einmal einer! – ästhetischen Gründen ist er vor allem auf Konsolen zuhause. Bei Max Payne 3 wird der 26-jährige ganz melancholisch – trotzdem, oder gerade deswegen, ist der Sao-Paulo-Actionthriller sein erklärtes Lieblingsspiel.
Ein sehr interessantes Thema hast du hier angesprochen! :)
Ich muss gestehen, dass ich mir darüber noch nie bewusst Gedanken gemacht habe, aber umso mehr ich das seit dem Lesen deines Artikels tue, desto mehr erscheint mir dieser Aspekt einer Spielwelt relevant:
Eines der ersten Beispiele, das mir in den Sinn kam, war ebenfalls Zelda: Ocarina of Time. Ich glaube, dass das Gefühl der Heimatverbundenheit mit dem Kokiri-Dorf vor allem auf zwei Aspekten beruht: Einmal, weil man dort seine ersten Schritte tut und Grundlagen der Spielmechanik erlernt – ein Aspekt der auf viele Start-Locations in Spielen zutrifft, der allein aber nicht ausreichend sein dürfte. Für mich ist entscheidend, dass man für lange Zeit nicht in der Lage ist, das Dorf zu verlassen. Nachdem man ein Schwert gefunden hat, darf man zum Deku-Baum vordringen und dort den ersten Dungeon beschreiten, allerdings hat man das Dorf auch dann noch nicht wirklich verlassen. Was das angeht, will mir auf die Schnelle kein anderes Zelda-Spiel einfallen, bei dem sich der erste vollwertige Dungeon sozusagen innerhalb der dem Helden bekannten Welt befindet.
Ich werde das Gefühl nicht vergessen, als ich wenig später tatsächlich das Dorf hinter mir lasse und in die Weite der hylianischen Steppe hinaus trete – nicht ohne zuvor eine spielmechanische eigentlich unerhebliches, aber narrativ enorm wirkungsvolles, weiteres Mini-Areal durchquert zu haben: die kleine Hängebrücke, die das Kokiri-Dorf mit der Steppe verbindet und die, obwohl sie nur wenige Meter lang ist, von beiden durch schwarze Bildschirme (und, wenn ich mich recht erinnere, eine ihr eigene Stille) separiert wird. Ein letztes Innehalten, bevor der Spieler in dem Fremde aufbricht, die ihm vor allem deshalb auch wirklich fremder erscheinen wird, als ihm ausgehend von der Steppe mit einem Schlag eine ganze Reihe von Arealen zur Erkundung offensteht und er erstmals wirklich seinen eigenen Weg gehen kann und muss.
Mit anderen Worten: Der Grund, wieso sich ein Gefühl von Heimatverbundenheit dem Kokiri-Dorf gegenüber einstellt, er liegt gar nicht so sehr in der Natur des Dorfes selbst begründet, sondern in der besonderen Beziehung dieses Dorfes zum Rest der virtuellen Welt und seiner Position im Handlungsbogen.
Sogar noch offensichtlicher ist das in Pokemon. Vermutlich könnte man hier die meisten Spiele der Hauptreihe anführen, ich belasse es aber bei der ersten Generation mit Rot und Blau: Man beginnt das Spiel in Alabastia, das im Vergleich zu den anderen Orten im Spiel winzig ist und wo es fast nichts zu tun gibt – allerdings erhält man dort von Prof. Eich sein erstes Pokemon, die berühmte Wahl zwischen Bisasam, Schiggy und Glumanda, und bestreitet seinen ersten Kampf. Verlassen darf man Alabastia aber ziemlich bald – im Unterschied zu Zelda nur für einen kurzen Abstecher in ein weiteres sehr limitiertes Areal, Vertania City. Man kehrt dann nach Alabastia zurück – und erst danach lässt man es auf Dauer hinter sich. Nichts von alledem kann ein Gefühl von Heimat vermitteln.
Dann allerdings reist man durch Kanto, erkundet Stadt um Stadt, wird stärker, erfahrener, sammelt Orden, reist durch die Wildnis, das gesamte Programm eben. Im Laufe des Weges entfernt man sich mehr und mehr von Alabastia, bis man sich gegen Ende (vielleicht ohne, dass es einem wirklich bewusst wäre) wieder darauf zubewegt und es von der Gegenrichtung her erneut betritt – im wahrsten Sinne also „heimkehrt“. Für mich zumindest war das Gefühl von Heimkehr in diesem Augenblick sehr stark, sodass man Alabastia wohl im Umkehrschluss als „Heimat“ charakterisieren kann, obwohl man dort fast gar nichts erlebt und diese Heimat auch in keiner Weise mitgestaltet hat. Das Gefühl der Heimatverbundenheit ist vielmehr das Resultat aus den Abenteuern, die man außerhalb der Heimat erlebt hat – und das erinnert doch sehr an den Ausspruch am Beginn deines Beitrags.
Der Spieler schätzt Alabastia nicht um seiner selbst Willen als Heimat, sondern weil es ihn vor Augen führt, welch weiten Weg er gegangen ist, seit er die Limitierungen dieser Heimat hinter sich ließ. An die Stelle eines nicht sichtbaren „Erwachsenwerdens“ der Spielfigur tritt dabei die sichtbare Evolution, die das Start-Pokemon durchgemacht hat, welches bei den allermeisten Spielern wohl mit seiner höchsten Entwicklungsstufe im Team sein dürfte.
Mir fällt noch einiges mehr zu dem Thema ein, und vor allem auf Shenmue und Assassin’s Creed möchte ich unbedingt noch eingehen, aber für den Augenblick soll es das erstmal gewesen sein. Generell möchte ich festhalten, dass das Vorhandensein einer als so empfundenen Heimat für das Erleben offener Spielwelten von einer nicht zu unterschätzenden Wirkung ist – und dass es ganz entscheidend die Beziehung der Heimat zur Nicht-Heimat (und zu den Erlebnissen in dieser) zu sein scheint, die die Heimat als Heimat konstituiert…
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Zu dem Pokemon Beispiel von dir:
Ich glaube, die Tatsache, dass man am Anfang aus Alabastia geht und direkt wieder zurück kommt, trägt schon unbewusst zu einem Heimatgefühl bei. Auch die Tatsache, dass man auf diesem Weg nur mit seinem ersten Pokemon kämpft und es nur Taubsis und Rattfratze(s Plural?) gibt, erzeugt sehr viel im Spieler. Bei anderen Spielen geht es oft vom Startpunkt aus kontinuierlich weiter und man bekommt gerade am Anfang immer neuen Input bis man mit dem Spiel warm wird.
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Leider fand ich keine Zeit mich nochmals in die von mir genannten Spiele einzuspielen. Daher musste ich mit dem arbeiten, was in meiner Erinnerung hängen geblieben ist. Wie auch schon beschrieben, denke auch ich, dass man in dieses Thema noch sehr viel hinein interpretieren kann. Das ich nicht darauf gekommen bin, dass Heimat auch immer in gewisser Weise mit dem „Erwachsenwerden“ zusammenhängt ist im Nachhinein etwas schade und hätte sicherlich noch gut in den Text gepasst. Danke hiermit für diese Ergänzung.
Umso mehr ich mich mit diesem Thema auseinander setzte, umso mehr stieg in mir das Interesse an diesem. Wenn man nach Heimat in Spielen recherchiert, dann stößt man schnell auf Grenzen und ich war gezwungen das Thema einzugrenzen. Zunächst wollte ich über die klassische Open-World schreiben. Jedoch hab ich schnell gemerkt, dass viele positiven Beispiele außerhalb dieser Nische liegen. Wie auch erwähnt sind es nicht immer Gebäude die einem ein Heimatgefühl übermitteln. Doch auch dieses Fass wollte ich nicht öffnen. Denn eigentlich ging es mir nur darum, den Lesern einen Text zu liefern, welcher sie selbst zum Nachdenlen anregt.
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Letzteres ist dir ohne Zweifel gelungen! :D
Erwachsenwerden ist ein gutes Stichwort, zumal wir in fast allen Videospielen auf die eine oder andere Weise „erwachsen werden“ – in dem Maße nämlich, wie wir ihre Spielmechanik zu beherrschen beginnen. Natürlich wird man auch in Büchern oder Filmen an Handlung und Charaktere herangeführt und entwickelt im Laufe der Zeit ein zunehmendes Verständnis für das Geschehen, aber die Art des Involviertseins ist bei Videospielen doch noch einmal eine deutlich andere. Ich glaube, dass das daran liegt, dass man dort in vielen Fällen gezwungen ist, sich weiterzuentwickeln (so man das Spiel beenden möchte), während die intellektuelle Entwicklung des Lesers bzw. Zuschauers (also nicht des Protagonisten) in Romanen und Filmen „lediglich“ als Möglichkeit angelegt ist. Ich hoffe, das ist irgendwie verständlich.
Bei den von mir genannten Beispielen – und vielleicht generell bei denen, wo Heimat und Erwachsenwerden zusammenfallen – steht die „Heimat“ am Beginn des Abenteuers. Ich glaube aber, dass das auch anders sein kann – und auf einige deiner Beispiele, vor allem auf die, wo man seine Heimat selbst errichten muss bzw. kann, trifft das wohl zu.
Mir kamen hier Shenmue I und II in den Sinn: Kurioserweise empfinde ich dort nämlich nicht die Start-Locations in Teil 1 als Heimat (also Ryos Zuhause, seine Nachbarschaft und Yokosuka) sondern erst Hong Kong in Teil 2. Dass hat meiner Meinung nach sehr komplexe Gründe und tatsächlich habe ich vor geraumer Zeit begonnen, einen Artikel zu schreiben, der diesen Aspekt Shenmues zumindest streift (allgemeiner soll es darin um Nostalgie in Shenmue gehen).
Um das also nur kurz anzureissen: Ryos „eigentliche“ Heimat ist zum Zeitpunkt, als die Handlung einsetzt (nach dem Tod seines Vaters) nicht länger der Ort, an dem Ryo sich zuhause fühlen kann. In diesem Sinne ist Heimat auch für ihn kein Ort, sondern ein Gefühl, und es ist nicht etwa so, dass er die ihm gewohnte Welt verlassen muss, um anderswo – in China – sein Schicksal zu erfüllen (nach dem Mann zu suchen, der seinen Vater ermordete). Sondern: Als Gefühl existiert diese Welt ab dem Zeitpunkt der Ermordung seines Vaters (aber auch aus anderen Gründen) schon nicht mehr. Was bleibt ist die Hülle – das Elternhaus: als Haus! – und die Stadt Yokosuka mit ihren Geschäften, etc. Aber dieser Ort ist nicht der Ort, an dem Ryo bleiben kann – es zieht ihn in die Fremde, die seinem Herzen (zumindest in dieser Phase seines Lebens) näher ist, als der Ort seiner Kindheit, von dem er sich entfremdet hat.
Um das Ganze abzukürzen: In Shenmue II gelangt man als vollkommen Fremder nach Hong Kong. Die Stadt ist zu Beginn alles andere als einladend – regelrecht feindselig – und Ryo, der in Yokosuka jeden kannte, kennt in Hong Kong niemanden.
Das Faszinierend ist, dass zumindest ich diese Stadt im Spielverlauf mehr und mehr als meine Heimat empfand und mich ihr in einem Maße verbunden fühlte, dass ich gegenüber Yokosuka nie empfunden hatte. Als ich in der Spielmitte schließlich gezwungen war, Hong Kong unumkehrbar hinter mich zu lassen (und damit Charaktere, die mir fast wie Freunde ans Herz gewachsen waren) – da wollte ich nicht weg. Hong Kong war, durch das dort erlebte, zu meiner so empfundenen Heimat geworden, obwohl mir, ebenso wie Ryo, immer klar war, dass ich dort eigentlich nur auf der Durchreise bin.
Einige Worte noch zu deinen einen weiteren Anmerkungen:
Ich sollte anmerken, dass ich selbst nur wenige „klassische Open-World-Spiele“ gespielt habe und meine Kenntnisse daher nicht gerade als fundiert zu bezeichnen sind. Mein Eindruck ist allerdings der, dass ich mich gerade in Open Worlds selten einem bestimmten Ort verbunden gefühlt habe. Anders bei anderen Spielen mit, im weitesten Sinne, „offenen Spielwelten“, wie eben Pokemon, Zelda oder Shenmue. Möglicherweise hat das mit den Missionsstrukturen in typischen Open-World-Spielen zu tun, und der daraus resultierenden Diskrepanz zwischen Hintergrundgeschichte und der Geschichte des Spielers – ein Problem, dass Nora in ihrem Gastartikel anspricht.
Ich glaube aber, dass es auch in vollkommen linearen Spielwelten Heimaten geben kann: Das erste Level in Super Mario Bros. etwa. Oder in „König der Löwen“ auf dem Master System: Ich erinnere mich, wie ich mir als Kind immer vorgestellt habe, wie dieses erste Level mein Haus und meine Nachbarschaft ist – mit dem „Supermarket“ dort, wo besonders viele Power Ups (essbare Käfer) aufzufinden waren, etc.
Und die andere Sache, dass eine Heimat kein Gebäude sein muss (oder zumindest kein einzelnes). Dazu fallen mir Aufbaustrategiespiele ein. Ob nun die zuerst angelegten Straßenzüge in Sim City, die erste Stadt eines Weltreiches in Civilization, oder die erste Fabrik in Industriegigant. Mögen sie im Spielverlauf auch an Relevanz verlieren, ein besonderer emotionaler Wert bleibt ihnen anhaftend, der ihn mir immer den Widerwillen hervorrief, sie durch neues, effektiveres zu ersetzen.
Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob man so etwas dann noch unter dem Begriff der Heimatverbundenheit betrachten kann, oder ob das nicht eher Nostalgie ist?
Und um den Gedanken weiterzuführen: Können Spielmechaniken als solche „Heimat“ sein? Die simplen, vertrauten Manöver früher Levels? Die Verhaltensmuster der ersten Feinde? Oder dehnt solches den Heimatbegriff zu weit?
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Sehr interessantes Thema! Gerade für mich, einen Menschen, der im realen Leben bereits 18 Umzüge in 30 Jahren hinter sich hat, ist das Thema Heimat natürlich nochmal etwas ganz Besonderes. Etwas, das mir aber sowohl im Haupttext als auch in den Kommentaren etwas zu kurz kommt, ist die Frage, ob es nur „die“ Heimat gibt oder ob man Heimat auch als Plural verwenden kann. Für einen Menschen, der 16 Jahre lang in Regensburg aufgewachsen ist und über Umwege (München, Köln) in Wiesbaden gelandet ist und dieses seit mittlerweile fast 10 Jahren als „neue Heimat“ bezeichnet, ist das ein wichtiger Punkt. Denn ich fühle mich in Wiesbaden fast wohler als in der „Heimat“ (also der Gegend, in der ich geboren wurde und aufgewachsen bin). Gerade in Skyrim, wo man auch schon im Grundspiel verschiedene Häuser kaufen kann, habe ich mich zwischen den Städten hin- und hergerissen gefühlt. In Whiterun hat man klassischerweise das erste Haus, fühlt sich dort also heimisch, selbst wenn man als Rothwardone hin und wieder einen abfälligen Spruch kassiert. Da ich schon immer ein glühender Fan der Zwerge war, musste ich natürlich auch in Skyrim unbedingt meiner Vorliebe frönen und somit das Haus in Markarth erwerben. Schwupps ist er da, der Heimatkonflikt. Ist nun Markarth oder Whiterun meine Heimat? Oder doch keins von beiden, da ich als Rothwardone eigentlich eher Hammerfell als meine Heimat sehen müsste, obwohl es im Spiel gar nicht erreichbar ist? Ich habe daraufhin eine Mod heruntergeladen, die im Stile einer Dwemerruine ein Zuhause im Südwesten der Karte anbot, mit Schmiede, Lagerräumen, Badezimmer, Schlafzimmer und botanischem Garten. Der Ort, an den ich mich nach erfolgreichen Erkundungszügen mit vollem Inventar zurückziehen konnte, um meine Taschen zu leeren und danach wieder aufzubrechen. Da man die Tür des Anwesens nur mit dem Stab des Magnus öffnen konnte und demnach die komplette Magierquestreihe durchspielen musste, war es auch irgendwie eine Errungenschaft, fast schon ein Statussymbol, dort wohnen zu dürfen. Und es war wirklich heimelig.
Das Beispiel mit Alabastia finde ich gut, aber auch in anderen Spielen gibt es dieses Gefühl.
Minecraft wurde ja bereits genannt, auch Terraria bietet diese Heimstatt, an der man sich sicher fühlt, sich zurückzieht. Sicher ist das nicht für jedes Spiel von Nöten. Aber gerade Open World RPGs bekommen durch einen Ort, den man Heimat nennt (ob nativ, selbst errichtet oder erreicht sei mal dahingestellt), in meinen Augen nochmal eine große Aufwertung im Bezug auf ihre Spieltiefe. Ich lese in letzter Zeit häufig das Wort „Immersion“. Ich glaube, dass Immersion das beste Wort darstellt, mit dem man eine Heimat in Spielen beschreiben kann.
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Interessante Ergänzungen, danke! :)
Ich glaube, dass ein Mindestmaß an Immersion – die viele Gesichter haben kann – eine Grundvoraussetzung dafür ist, dass virtuelle Orte vom Spieler als Heimat empfunden werden können. Und wenn ich länger darüber nachdenke… dann meine ich auch, dass Immersion bzw. Heimat ziemlich gut zur Beschreibung des jeweils anderen taugen. Beide entstehen auf die eine oder andere Weise durch Gefühle der Geborgenheit und des Eingebundenseins – ob gefühlt oder tatsächlich. In diesem Sinne könnte ein Verständnis von Heimat Gamedesignern sogar ein Schlüssel zur Steigerung der Immersion in Spielen sein.
Denn warum zum Beispiel kann ich, in Assassin’s Creed 3, das Herrenhaus in Davenport und die sich darum herum entwicklende Siedlung ganz und gar nicht als Heimat empfinden, obwohl diese von den Entwicklern ganz bewusst als Heimat konzipiert worden sind?
Das mag wohl daran liegen, dass nichts anderes als Arbeit dort auf mich wartet, dass alles an diesem Ort einer spielmechanischen Funktionalität und dem ubisoft-schen Primat ökonomischer Effizienz untergeordnet ist:
Das Herrenhaus selbst ist eine sterile, leere Hülle. Meine Mitbewohner leben nicht um des Lebens willen, sondern um aufgelevelt zu werden und mir damit weitere Erleichterungen in einem Spiel zu verschaffen, dass eh halb auf Autopilot abläuft. In dieser „Heimat“ bin ich genötigt, Aufgaben zu erfüllen, die man mir aufträgt, ohne irgendetwas selbst entscheiden zu können. Und obschon Davonport durch meine Erfüllung dieser Aufgaben immer weiter wächst, habe ich deshalb nie das Gefühl, dass diese Siedlung „mein“ Werk ist.
Ein sehr gelungenes Gegenbeispiel ist die Stadt in Zelda: Majora’s Mask, die mich empfängt und an ihrem Leben teilhaben lässt, die mir Möglichkeiten eröffnet, ohne mich zu nötigen, und deren Bewohner auch dann ihren Weg gehen, wenn ich nicht ihr Tagwerk „scanne“.
Ein Ort, an dem AC 3 es dann aber noch schafft, ein Gefühl von heimatlicher Verbundenheit bei mir hervorzurufen, das ist die Indianersiedlung in der wir Connor zuerst als Kind begleiten und die wir mit ihm als Erwachsenen verlassen.
Bzgl. der Heimaten im Plural gebe ich dir vollkommen recht. Wobei das von dir genannte Beispiel auf einen starken Zusammenhang zwischen Heimat(en) und Identität(en) hindeutet.
Und noch eine Sache ist mir eingefallen, wenn auch nur ein weiteres Beispiel für die Form von „nicht-geographie-gebundener“ Heimat, wie sie Daniel im letzten Absatz des Artikels erwähnt hat: Die Speicherräume in den klassischen Resident Evils. Mit ihrer entspannenden Musik, dem sanften Licht einer Laterne…
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„Wobei das von dir genannte Beispiel auf einen starken Zusammenhang zwischen Heimat(en) und Identität(en) hindeutet.“
Jein. Sicher, im Herzen bin ich Bayer, und mein Herz hüpft wenn wir zu meinen Großeltern fahren und wir die Grenze zum Heimat-Landkreis überschreiten. Ein ähnliches Gefühl beschleicht mich, wenn ich ein paar Tage nicht in meiner Wohnung in Wiesbaden war und zurückkehre. Dennoch würde ich nicht sagen, dass eine der beiden „Heimaten“ (klingt irgendwie komisch) meine Identität ausmacht. Ich spreche zumeist weder Hessisch noch Bayrisch, obwohl ich beides mindestens rudimentär kann, und auch sonst bin ich eher ein Typ, der so ist wie er ist aufgrund der Erfahrungen, die er gemacht hat, nicht aufgrund seiner Herkunft oder seines Wohnortes. Identität und Heimat sind sicher beides Schlüsselbegriffe der Immersion, aber in meinen Augen nicht zwingend zusammenhängend.
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Um gezielt eine Immersion zu erzeugen, reicht es natürlich nicht einen Heimatort in das Spiel einzubauen. Jedoch denke ich, dass die Immersion verstärkt werden kann, wenn ein Spiel es schafft ein Gefühl der Heimatverbundenheit zu erzeugen. In gewisser Weise sucht sich jeder von uns seine eigene Heimat aus. Jedoch muss dies nicht dringend ein Ort sein. Auch eine Menschengruppe kann als Heimat empfunden werden. Sicher ist auch, dass es nicht die eine Heimat geben muss. Home is where your heart is. Eine Freundin von mir lebt ihr Leben lang schon in ein und dem selben Dorf. Nach der Ausbildung reiste sie für ein Jahr durch die Welt und hatte nie Heimweh. Sie erfuhr das Gefühl, dass die Menschen, welche sie in ihrem näheren Umfeld hatte, ihr die Heimat brachten wo auch immer sie waren.
In der heutigen Zeit ist die Heimat nicht immer das traditionelle Schlösschen am Waldesrand. Viele verlassen Ihren Geburtsort und finden ein neues Zuhause. Doch dies in ein Spiel zu implizieren ist recht schwierig. Heimat ist auch zum Teil die Sehnsucht nach Zugehörigkeit. Da man als Held aber meist alleine ist, muss es den Entwicklern trotzdem gelingen ein solches Gefühl zu vermitteln.
Mit der Heimat kann man sich identifizieren, aber ich glaube nicht das die Heimat die Idendität unbedingt definieren muss. So ist es für Menschen, welche nie oder selten Ihren Heimatort verlassen haben, schwerer sich mit einer Neuen zu identifizieren. Menschen die jedoch mehr oder weniger regelmäßig ihre Heimat wechseln, fällt es schwerer sich wirklich für den einzig wahren Heimatort zu entscheiden.
Danke auch, für die tollen Ergänzungen. Ich hoffe es kommen noch ein paar dazu. Frohes neues Jahr! :)
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Damit der Kommentar unter dem letzten „Lesenswert“ nicht untergeht: Rainer Sigl hat dort zum Thema Heimat einen Link zu folgendem unbedingt lesenswerten Artikel hinterlassen: http://videogametourism.at/content/dayz-bricht-mir-das-herz
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In Sachen Heimat fällt mir als erstes das von dir nur kurz angeschnittene Dark Souls ein. Dort erreicht der Spieler nach dem Tutorial den Firelink Shrine, der sozusagen als Nabel der Welt fungiert (spielerisch und aus der Story heraus) und an den der Spieler immer wieder zurückkommt bzw. -kommen muss, da die meisten Wege an neue Orte durch ihn hindurch führen.
Firelink Shrine ist ein friedlicher Ort. Die mühsam selbst geretteten NPCs – die dank hervorragender Schreib- und Synchroarbeit von Miyazaki und Lokalisierungsfirma Frognation sehr lebhaft und symphatisch sind – sammeln sich dort und verkaufen ihre Waren. Die eine oder andere gescheiterte Existenz findet sich dort auch, es ist also nicht alles heiter Sonnenschein. Der Schrein wirkt wie ein realer Versammlungsort; wie der Marktplatz in einer Stadt ist Firelink das geographische, religiöse und soziale Zentrum von Lordran.
Dazu kommt die markante Musik: Beim ersten Mal mag man sie nicht wahrnehmen, irgendwann geht sie einem dann vielleicht auf die Nerven. Aber spätestens, wenn man das erste Mal nach vielen Stunden aus den tiefsten Sümpfen der Welt wieder hinaufklettert, eine vergitterte Tür aufstößt und einem unverhofft der Soundtrack des Firelink Shrines entgegen kommt, fühlt man sich daheim angekommen. Dazu verändert sich die genannte NPC-Komposition ständig; nicht eben wie im Beispiel von GTA oder AC2, wo die Heimat leer und statisch bleibt, sondern wie von lebenden, eigensinnigen und fehlermachenden anderen Charakteren bevölkert.
Aus deinem Text und meiner Erfahrung mit Dark Souls möchte ich also folgende laienhafte These zur Heimat aufstellen: Heimat ist da, wo von allen genannten Punkten ein bisschen vorhanden ist. Vertrautes, unvorhergesehener Wechsel, Sicherheit und im besten Fall noch eine Art markanter Wiedererkennungswert (Wie eben die Musik im Schrein).
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Deiner These am Schluss möchte ich zustimmen. Würde dem allerdings hinzufügen, das Heimat (wie weiter oben schon mal angeschnitten) ganz entschieden durch das Erleben von „Nicht-Heimat“ zur so empfundenen Heimat wird. Wie beim von dir beschriebenen Zurückklettern aus den Sümpfen der Welt…
Musik mit Wiedererkennungswert – da muss ich sofort an das Dorf Kakariko in Ocarina of Time denken.
Ich muss hier doch noch einmal ein wenig ausholen – und mich auch korrigieren: Das Kokiri-Dorf ist ohne Zweifel Links Zuhause – ob es allerdings, im weiteren Verlauf des Spiels, auch seine „Heimat“ bleibt, da bin ich mir mittlerweile nicht mehr so sicher. Es ist nicht nur Links Bestimmung diesen Ort zu verlassen (eigentlich ganz ähnlich wie bei Ryu in Shenmue). Das Kokiri-Dorf ist auch gerade KEIN Ort, an den Link zurückkehren kann. Dass er dort allenfalls Gast sein kann, zeigt sich spätestens dann, wenn der erwachsene Link das Dorf betritt, in dem die Freunde seiner Kindheit selbst in ewiger Kindheit weiterleben – unbeeinflusst von und in Unkenntnis all dessen, was außerhalb ihres Dorfes geschieht. Eine Form der Entfremdung hat stattgefunden, die nicht mehr rückgängig zu machen ist.
Das Kokiri-Dorf erscheint mir daher in Wahrheit vielmehr als Sokrat’sche Höhle – und es wird auch visuell so dargestellt: Ein dunkler Ort ganz ohne Sonnenlicht, den zu betreten das Eintreten in das Dunkel eines ausgehöhlten Baumstumpfes notwendig macht, der am Ende eines gewundenen Pfades wartet… Ein Ort, der für den, der ihn einmal verlassen und den Lauf der Zeit am eigenen Körper erfahren hat – Das Letzte Einhorn lässt grüßen – kaum länger Heimat sein kann.
Kakariko hingegen ist dem Lauf der Zeiten ausgesetzt, es verändert sich in stärkerem Maße, als fast alle anderen Orte es im Spielverlauf tun. Es wächst in dem Maße, wie es Flüchtlingen aus Hyrule-Stadt zur Heimat wird, ist spätestens in der Zukunft auch ein spielerisches Zentrum der Spielwelt. Und außerdem ist dort der Friedhof… Sogar auf den Grund eines Brunnens kann man steigen.
Und betrete ich das Kakariko der Zukunft, dann ist es vor allem dieser unbeschreiblich schöne Musik, die mich an meinen ersten Besuch in diesem Dorf, an die Zeit meiner ersten Schritte in „Freiheit“ und eben an das Kakariko der Vergangenheit erinnert (und auch mich selbst an meine Kindheit). Es ist (um Murakami zu zitieren) „die grundlose Traurigkeit, die eine ländliche Idylle im Herzen des Menschen weckt“, die die Musik von Kakariko in mir hervorzurufen weiß.
Der Lon-Lon-Farm und der Musik dort gelingt übrigens ähnliches.
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Nach dem lesen des Artikels rattert es jetzt noch ziemlich nach in meinem Kopf.
Ich finde das Thema sehr spannend.
Bei mir ist es mittlerweile so, dass ich mich selten mit neuen RPG’s oder Spielen mit Handlung selbst auseinander setze. Ich schaue sie mir meist nur noch als Lets Play an. Damit ich meine Zocker-Zeit als Erholungsphase nutzen kann, spiele ich fast nur noch spiele mit Sandbox oder Crafting Elementen. Dort geht es ja primär um den Reiz „Etwas zu schaffen“ und sich eine sichere Homebase aufzubauen.
Auf neue Heldentaten und große Geschichten habe ich selbst fast keine Lust mehr. Das ärgert mich teilweise richtig stark, weil ich keine Geduld mehr für andere tolle Spiele aufbringen kann.
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Das ist aber sehr schade Christian. Aber ich kann auch den Reiz an Sandbox und Craftingspielen nachvollziehen. Um nach einem langen Tag abzuschalten oder sich in einer leichten Kost zu verlieren und sich etwas auzubauen, kann etwas sehr befriedigendes sein. Unangestrengt am Eigenheim zu bauen und etwas zu schaffen auf dass man später stolz sein kann.
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„Unangestrengt am Eigenheim zu bauen…“ JA, genau das ist es! Es ist eigentlich eine dumme Berieselung aber ich kann nebenbei Podcasts/Hörbücher/Radio hören und ich komme mir vor, als könnte ich richtig abtauchen. Wenn ich dann aufhöre fühle ich mich echt entspannt.
So muss es auch den RTL Zuschauern gehen…
Jedes mal wenn ich ein Spiel spiele, bei dem man aufmerksam sein muss, denke ich mir: „Hach, dass war schon ein Erlebnis aber jetzt bin ich geschlaucht“.
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