Ein Gastbeitrag von Pascal Wagner
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Den Reiz von Mario habe ich nie verstanden. Für mich war die andere Seite der Medaille immer spannender.
Obwohl mein erstes Videospielgerät ein GameBoy Color war, kam ich viele Jahre lang nicht wirklich in Berührung mit Nintendos Flaggschiff. Was ich bei Freunden auf der N64 gesehen hatte, konnte in meinen Augen nie mit Konkurrenzprodukten wie Crash Bandicoot mithalten.
Dann jedoch habe ich bei einem guten damaligen Freund auf dem GameBoy „Mario“ gespielt. In 2D und schwarz-weiß. Und wunderte mich, wie viel Spaß mir das machte. Das war… anders, nicht so spielerisch leichtfüßig wie ich es zuvor gesehen und von mir gestoßen hatte. Mich wunderte zwar, warum der dickliche Klempner in diesem Spiel so grummelig aussah, aber ich mochte das aus irgendeinem Grund. Mit einer Beschreibung des Moduls kam ich nach Hause und bat meine Mutter, mir zum baldig folgenden Geburtstag doch „Mario“ zu kaufen. Aber nicht das doofe, sondern das mit dem dicken, behelmten Mario.
Meine arme Mutter. Ich würde zu gerne wissen, was sie im Media Markt für eine Beschreibung abgeben musste, bis sie schließlich mit einem Spiel nach Hause kam.
Was ich bei meinem Freund gespielt hatte war natürlich Super Mario Land 3, mit dem Untertitel Wario Land. Ich hatte meinen Spaß an Wario gefunden, nicht an Mario, aber das kapierte ich erst ein paar Wochen später, als ich mein Geschenk auspackte und mir das richtige Gesicht, aber das falsche Spiel entgegenschaute: Wario Land 3 für den GameBoy Color. Es sollte der beste richtige falsche Kauf meiner Mutter bleiben, denn wenn mir Wario Land 3 eins zeigte, dann dass ich die Wario-Formel tatsächlich liebte, und nicht nur das erste Spiel der Reihe, in dem man sich mit einem dicken Gauner auf der Jagd nach Gold durch schwere Hüpfpassagen prügelt.
Wario Land 3 war anders, und doch sofort erkennbar ein Teil jener Reihe. Natürlich war da der ewig hämisch lachende Wario, diesmal in sehr hübschen Farben, der beim Anblick von Gold und Juwelen anfing zu sabbern. Doch nun ging es nahezu gar nicht mehr ums Springen. Wario – in dem Fall also ich – musste nachdenken, die Umgebung nutzen, sich selbst. Wario Land 3 ist ein Puzzle. Und das beste Werkzeug zur Lösung ist für einen Mann der Tat wie Wario sein eigener Einsatz – auch wenn das in diesem Fall heißt, dass er sich verbrennen, einfrieren, zum Zombie machen oder in einem Schneeball einen Berg hinunterrollen lassen musste. Wario ist eine Dampfwalze, die nicht unterzukriegen ist und der auch vor eine ordentliche Portion Sado-Masochismus mit sich herumzutragen scheint.
Kein Wunder also spielerisch, dass die Mario-typische 1UP-Mechanik – im ersten Teil noch vorhanden und im vierten Teil durch Herzen wieder teilweise vertreten – ganz aus dem Spiel gewichen ist. Wario kann nicht sterben, er kann nicht einmal dauerhaft außer Gefecht gesetzt werden. Trifft ihn etwas, das ihn nicht hätte treffen sollen, dann ist das meist ein gewisser Zustand, der zu einem anderen Zeitpunkt nützlich sein könnte. Dann heißt es, loswerden. Elektrifiziert worden? Da reicht kurz warten, Wario fängt sich wieder. Brennt sein Hintern, obwohl man gerade keine feuerempfindlichen Blöcke aus dem Weg räumen muss? Ab ins Wasser oder abwarten, bis Wario einmal komplett verbrannt ist und sich dann höhnisch lachend die Asche aus dem Gesicht klopft.
Ein paar dieser Transformationen können in einem kleinen Kind regelrechte Ängste induzieren. Ich hatte zum Beispiel solche Angst vor Zombiewario – der schmilzt und sich wieder zusammenglibbert, wenn er springt – dass ich die Nachtlevels konsequent mied und andere für mich machen ließ.
Hier muss ich nun wohl eine Erklärung nachschieben. Zum einen ist Wario Land 3 in Levels getrennt, die unterschiedliche Gegenden einer in einer Spieluhr gefangenen Welt darstellen. Ein Dorf, ein Hochhaus, ein Sumpf, ein Vulkan, von allem ist etwas dabei. Zum anderen hat das Spiel einen Tag-Nacht-Wechsel, der die Umgebung ebenfalls beeinflusst. Jedes Level beinhaltet vier Schätze. Meist sind das Gegenstände, die in einem anderen Level etwas neues auslösen, wodurch dort wiederum ein Schatz freigeschaltet wird – Sei es, dass sich ein riesiger Krater auf der Übersichtskarte mit Wasser füllt, weil Wario ein Säckchen Regenpulver öffnet und das zuvor trockene Level plötzlich eine Schwimmpassage hat, oder weil ein paar gefundene Zahnräder den Aufzug in einen Minenkomplex aktivieren. Dazu kommen dauerhafte Upgrades für Wario, mit denen er wiederum ebenfalls neue Wege öffnen kann – mit einer ordentlichen Latzhose etwa kann er den Boden unter seinem Gesäß zum Beben bringen.
Diese Upgrades haben mich schon immer ein wenig irritiert. Wario sieht man an, dass er „der Böse“ ist – schließlich ist er ja auch nicht wie sein Gegenüber auf der Suche nach der armen Damsel in Distress, sondern er sucht Reichtum für sich, nur sich alleine. Designer Horiji Koyotake – der übrigens nicht nur für Wario, sondern auch für den direkten Vorgänger der Serie, Mario Land 2: Six Golden Coins mitverantwortlich ist, also kein grundverdorbener Mensch sein kann – hat sich auch in Warios Kräftewachstum sehr viel Mühe gegeben, eine gewisse Verdorbenheit zum Ausdruck zu bringen. Wario zerstört seine Umgebung, indem er sie mit den Schultern rammt oder seinen Hintern draufdonnert – letzteres gestützt durch Latzhosenupgrades, vermutlich um Verschleiß vorzubeugen. Körperlich stärker wird Wario, indem er eine ganze Knolle Knoblauch isst – was ihm vermutlich einen Mundgeruch verpasst, der zusätzlich ins Bild des ungehobelten, schmutzigen Rüpels passt.
Diese „Verdorbenheit“ dient natürlich einem gewissen Zweck – Koyotake hat hier nicht nur einen sehr deutlichen, sondern gar den größtmöglichen Kontrast zu Superstar Mario geschaffen. Das drückt sich nicht nur ästhetisch und ideologisch, sondern auch in diversen spielerischen Feinheiten aus.
Beginnen wir mit der Ästhetik – dem offensichtlichsten Punkt. Marios legendäre Overallfarben sind rot und blau – Primärfarben. Warios stechendes Gelb und Violett dagegen sind Sekundärfarben des additiven Spektrums. Marios Körper zeichnet sich durch runde Formen aus: Sein Schnurrbart, seine Ohren, seine Nase. Warios Schnurrbart ist gezackt, seine Ohren spitz, seine Nase dick und aufgequollen: Mario gone wrong. W und M auf der Mütze als Gegensatz erklären sich von selbst.
Auch was die beiden antreibt, ihre Ideologie, könnte nicht gegensätzlicher sein. Marios Abenteuer basieren auf dem Bedürfnis, anderen zu helfen – ob dies nun Prinzessin Peach oder die gesamte Galaxie betrifft. Wario hingegen handelt aus monetärem Eigennutz. Altruismus und Gier. Ironischerweise bewirkt das eine am Ende oft auch die Ergebniserfüllung des anderen. In Wario Land 3 wird der Protagonist am Anfang in eine Spieluhr gesogen. Eine mysteriöse Stimme bittet ihn daraufhin, den Fluch zu brechen und die Bewohner der Spieluhr zu retten. Wario willigt erst dann ein, als ihm alle Schätze versprochen werden, die er auftreiben kann. Am Ende des Spiels hat er beides geschafft – Reichtum angehäuft und die Bevölkerung gerettet. Mario ergeht es ähnlich, wenn auch andersherum: Auf seiner Reise zur Rettung der Prinzessin sammelt er Unmengen an Münzen ein. Diese haben für ihn jedoch keinen weiteren Nutzen als den, seine Rettungsmission weiterzuführen. Entweder durch das passive Eintauschen von 100 Münzen gegen ein Leben oder durch eine bewusste Transaktion wie beim Roulette-Minispiel in Mario Land 2: 6 Golden Coins gibt Mario sein Vermögen bereitwillig für mehr Versuche aus. Warios oberstes Ziel hingegen ist die Ansammlung solchen Reichtums: In Mario Land 3: Wario Land bestimmt der Goldzähler am Ende des Spiels, wie groß das als Belohnung bestimmte Schloss ausfällt.
Weitaus subtiler und dennoch für den Spieler folgenreicher sind die Unterschiede in der Spielmechanik. Niemand, der beide Charaktere aus ihren Hauptspielen kennt – und nicht nur aus Cameos in Smash Bros oder Mario Tennis – würde sie spielerisch vermutlich als ähnlich bezeichnen. Dabei teilen die beiden einige wesentliche Mechaniken miteinander, notgedrungen, da sie das Jump & Run-Genre definieren, doch führen beide sie anders aus. Wenn Mario rennt, dann beginnt er langsam und wird stetig schneller. Er sammelt Schwung, und der lässt sich auch für Sprünge nutzen; je mehr Schwung, desto weiter der Satz. Wario hat keine solche Beschleunigung. Er läuft in konstanten Tempo, kann nicht schneller oder langsamer werden. Dafür kann er per Tastendruck von jetzt auf gleich in eine Rammanimation beschleunigen. Diese dient gleichzeitig als Attacke; Mario hingegen kann standardmäßig nicht attackieren. Sein Sprung ist sein Angriff; durch die Vielseitigkeit aber mehr Werkzeug als Waffe. Wario kann Werfen, Zerstampfen, Rammen und Draufspringen; ein vollkommenes Angriffsarsenal.
Mario ist also verspielt; das Ausprobieren und Ausnutzen von Schwung und Beschleunigung läd zum Experimentieren ein, ist kindlich, harmlos. Warios Bewegungen sind kalkuliert, zackig, abrupt. Angriffe lassen sich punktgenau auslösen, selbst Schnellerwerden ist brachial. Wario ist abgehärtet, skrupellos, gierig. Und vor allem ist er sadistisch. Die wenigsten der Gegner in seinem Weg muss er besiegen; aber allein die vom Spiel gestellten zahlreichen Tötungsmöglichkeiten animieren ungewollt dazu. Wario schlägt zu, weil er kann: Weil er stärker ist als sein Gegenüber. Das ist vor allem deswegen in Wario Land 3 besonders relevant und deutlich, weil zu Ende des Spiels offenbart wird, dass jedes einzelne Monster ein verwunschener Bewohner der Spieldose ist…oder war. Wario zeigt darauf keine Regung. Seine Konzentration gilt dem Sack Beute auf seinem Rücken.
Aber Wario ist nicht nur ein Sadist, er ist auch masochistisch veranlagt. Das wird aus dem Spiel heraus vielleicht nicht sofort ersichtlich, ein weiterer Vergleich mit Mario zeichnet aber ein klareres Bild. Marios Upgrades sind wortwörtlich das: ‚Up’grades, die ihn größer machen. Mario benutzt sie, er bemächtigt sich ihrer, sei es Feuerblume oder Tanooki Suit. Sie geben ihm einen Vorteil, den er willentlich annimmt und den er, wenn er gut genug ist, so lange behalten kann wie es ihm beliebt.
Wario hat diese Möglichkeit nicht. Für seine oben genannten dauerhaften Upgrades nutzt er Ausrüstung – Latzhosen, Schwimmflossen, einen Baseballhandschuh. Diese verwendet er nur, es sind Werkzeuge, die theoretisch jedem zur Verfügung stehen. Die eigentlichen Verwandlungen Warios, die Transformationen, sucht sich Wario nicht aus. Sie werden ihm zugefügt – es sind Verletzungen. Beißt ihn eine Fledermaus, wird er zum Vampir. Friert er ein, rutscht er davon, bis ihn eine Wand stoppt. Trifft ihn eine Schallwelle, wird er sauber in der Mitte geteilt und schmilzt dahin. Alles, was Wario widerfährt, ist brachial, für Kinder nur zugänglich gemacht durch die Comicgrafik und die allgegenwärtige Message – keine Sorge, das ist der Böse, er hat es verdient. Und Wario nimmt sich diese Transformationen und nutzt sie. Genießt sie teilweise, wenn man dem bösartigen Lachen Beachtung schenkt, mit dem er sich aus seiner eigenen Asche schält. Die Transformationen sind Warios wichtigstes Werkzeug zur Puzzlelösung. Er muss dabei nehmen, was er bekommt – er kann höchstens durch Geschick beeinflussen, wann und wie es ihn trifft. Er kann sie genauso wenig willentlich wieder ablegen, wie er sie behalten kann. Warios Kräfte haben ein immer deutliches Verfallsdatum, und seine Umgebung reflektiert das: Puzzle sind immer regional begrenzt, Transformationen in sehr kleinem Kreis darum herum verfügbar. Während Mario in späteren Teilen seine Feuerblume in einem zusätzlichen Slot mit sich tragen und beliebig aktivieren kann, ist Wario auf den Böswillen seiner Gegenüber angewiesen, um mehr zu werden als er ist.
Wario und Mario sind also zwei Seiten exakt der gleichen Münze – Musikmünze, um mich Warios Nomenklatur zu bedienen. Doch die Philosophie hinter Warios Design macht seine Spiele zu einer deutlich anderen Spielerfahrung als jedes Mario-Spiel. Obwohl sich der Schurke wie erwähnt präziser steuern lässt in seinen Hürdenlauf-Einlagen legt Wario Land 3 kaum Wert auf Sprunggeschick. Stattdessen spricht es das Hirn an, stellt Rätsel, die durch kluges Einsetzen von Warios Fähigkeiten und der Umgebung gelöst werden müssen. Geschickeinlagen beschränken sich vor allem auf die Bosskämpfe. Da Wario unzerstörbar scheint, sind seine monströsen Gegner auch gar nicht erst darauf aus, ihn zu verletzen; vielmehr versuchen sie, ihm – und damit uns – Ungemach durch Behinderung zuzufügen. Jeder Boss befördert Wario bereits mit dem ersten Treffer zurück aus der Arena, indem er den Nachteil von einer von Warios Transformationen ausnutzt. Das bedeutet natürlich, dass jeder Endgegner nur in einem perfekten Durchlauf besiegt werden kann. Wie um den Spieler für Warios Motive zu bestrafen, verzeiht das Spiel in diesen Passagen auch nicht den kleinsten Fehler: Du hast es dir ausgesucht, den Fiesling zu spielen, nun trage die Konsequenzen.
Dafür bin ich Wario Land 3 äußerst dankbar. Mit diesem Verlangen nach Perfektion hat es den Grundstein für eine hohe Frustgrenze gelegt, die mir heute durch Spiele wie Dark Souls und Metal Gear Rising: Revengeance hilft. Andere Eigenschaften des Spiels haben mich ebenfalls spielerisch schwer geprägt. Wario Land 3 ließe sich ohne Probleme als Metroidvania bezeichnen. Die Level sind zwar voneinander getrennt und nur durch eine Übersichtskarte ansteuerbar, doch innerhalb der Stages finden sich die typischen Merkmale in Form von Barrieren, die sich erst beim Zurückkehren überkommen lassen und Schätzen, die einen neuen Bereich irgendwo anders eröffnen. Obwohl ich diese Form des Metroidvania-Prinzips bisher nirgendwo anders gefunden habe, hat sie mich doch für allgemeinere Ausführungen dieses Subgenres empfänglich gemacht. Guacamelee etwa mit seinem typischen Metroid-Aufbau, aber stark an Warios brutale Nahkampfmoves erinnernden Kampfsystem hätte ich vermutlich nicht so genossen, wenn nicht Marios kräftigerer Gegenspieler mir eine Vorliebe für diese Art der Progression eingepflanzt hätte.
Ich sage also danke, Wario. Danke Horiji Koyotake, egal ob deine Absichten moralisch-aufklärerisch oder einfach kontrastierend-spaßig waren. Danke Nintendo, dass es dieser Schatz in die Virtual Console geschafft hat, zusammen mit beiden Vorgängern, sodass ich nicht nur meine Kindheit nacherleben und meine Gefühle zu dieser Reihe analysieren, sondern auch das fehlende Puzzlestück, Wario Land 2, nachholen kann. Dass es das unkonventionelle Charakterdesign nur in Form von Sportspiel-Cameos in die Gegenwart geschafft hat, ist bedauerlich. Doch der beste Schurke meiner Kindheit bleibt als stetiger und vollständiger Gegensatz der Nintendo-Philosophie doch wenigstens so in seiner Urform bestehen.
- Mehr zum Thema auf Spielkritik.com:
Kritik: Wario Land II
Der Autor:
Pascal Wagner (@FalseShepard)
Schreibt auf Indieflock.net sowie für Polyneux.de.
Pascal studiert Anglistik und Rechtswissenschaften in München und befasst sich gerne mit soziologischen und linguistischen Ebenen in Spielen. Als Kind der späten 90er ist er mit dem GameBoy Color und der Playstation 2 aufgewachsen, mittlerweile aber auch auf dem PC daheim. Die großen Spieleserien seiner Kindheit beschäftigen Pascal noch heute, ansonsten steht er der großen Spieleindustrie allerdings sehr kritisch gegenüber. Es ist die Liebe zu Indiespielen, die ihn antreibt und der er seine Website Indieflock.net gewidmet hat. Tiefschürfende Analysen und ungewohnte Perspektiven zu populären Spielen wie Shadow Warrior und Civilization findet man dort aber auch.
- Recherchequellen:
Daniel Johnson: A Critical Analysis of Wario Land 4 [eBook] - Bildquellen:
Titelbild: Classic Game Room Undertow
Musikmünze: Mariowiki.com
Gifs: Pastemagazine – 10 Reasons Wario Land 3 is the 3DS eShop’s Best Game
Farbkreis: Wikipedia.de
Im Gegensatz zu Wario Land II habe ich den dritten Teil bisher nicht gespielt – einerseits, weil mir WLII zumindest damals nicht besonders gut gefallen hat, kurioserweise aber auch, weil Teil 3 auf den Screenshots (etwa in der Club Nintendo) irgendwie weniger gut auszusehen schien als sein Vorgänger. Heute weiß ich, dass Nintendo damals wohl einfach nur bildqualitativ schlechte Screenshots an die Presse gegeben hat.
Einige der von dir genannten Punkte – in Hinblick auf Warios Charaktergestaltung und die Spielmechanik – waren mir in meiner Kritik zu Wario Land II auch schon aufgefallen. Nicht aber die Sache mit der Farbgebung – ein sehr interessantes, verblüffend einfaches Detail!
Diese Dinge sind es auch, die Wario für mich zu einem der spannendsten Nintendo-Charaktere machen – und vielleicht zum einzigen aus dem Mario-Universum, den ich wirklich mag. Schon lange bevor ich Wario Land oder ein anderes „echtes“ Wario-Spiel gespielt habe, war Wario der Charakter meiner Wahl in Mario Kart 64 und in Mario Party! :D
Und apropos Mario-Universum: Es wäre ein interessantes Thema, wie Wario (auch im Rahmen der Wario-Ware-Reihe) schließlich sein eigenes Universum, mit ganz eigenen und vollkommen Mario-untypischen Figuren erhalten hat (und er selbst ein Biker-Outfit).
Da ich WL3 wie schon erwähnt noch nie gespielt habe, ist deine Charakterisierung des Spiels als Metroidvania sehr interessant: In WLII gab es zwar auch schon verschiedene Story-Pfade und alternative Levelausgänge, die von dir beschriebenen Verknüpfungen und Abhängigkeiten zwischen. den Levels allerdings nicht.
So, wie du den Spielaufbau beschreibst, meine ich allerdings (natürlich ohne das Spiel selbst gespielt zu haben) dass mich das Ganze viel stärker als an Metroidvania an die typischen N64-Action-Adventures erinnert: Als WL3 im Jahr 2000 herauskam, hatten die ihren Zenit gerade erreicht (oder vielleicht auch schon überschritten) und so wäre es nur logisch, wenn diese Form des Game Designs – die damals auf dem N64 mindestens genau so dominant war wie heute das Open-World-Prinzip unter AAA-Produktionen. Das hat natürlich mit Super Mario 64 angefangen – in dem die in der Oberwelt versteckten Schalterpaläste ebenfalls ganz neue Möglichkeiten in den eigentlichen Welten eröffneten – und sich von dort quer durch alle Genres gezogen, was vor allem Rareware zuzuschreiben ist: Ego-Shooter (GoldenEye und Perfect Dark, aber auch die Turok-Reihe), ehemalige 2D-Platformer (Super Mario 64, Donkey Kong 64, aber auch z.B. Gex), Rennspiele (Diddy Kong Racing, aber auch Mickey’s Racing Adventure auf dem GBC) und natürlich Action-Adventures als solche, d.h. die beiden N64-Zeldas oder Shadowman.
Rareware hat das Ganze spätestens beim Banjo-Kazooie-Nachfolger Banjo Tooie auf die Spitze getrieben – und nicht nur in meinen Augen auch übertrieben: So gab es dort nicht nur innerhalb der Welten unzählige Sachen zu erforschen und zu sammeln, sondern – und damit komme ich zu WL3 und zum Thema zurück – Verbindungen zwischen den Welten. Das war hochkomplex, da man (anders als in Super Mario 64, wo das größtenteils noch möglich war) keine Welt auch nur annähernd vollenden konnte, ohne das große Ganze im Auge zu behalten, Dinge in der Oberwelt oder in anderen Sub-Welten erledigt zu haben, etc.
Es ist in meinen Augen wirklich bemerkenswert, dass so komplexe Spielstrukturen letzten Endes sogar in Handheld-Spielen Einzug gehalten haben, auf einer Plattform, die man aus heutiger Sicht wohl als dafür vollkommen ungeeignet einstufen würde. Neben Zelda und einigen wenigen anderen Titeln gehört die Wario-Land-Reihe sicherlich zum komplexesten, was der GameBoy zu bieten hat.
Mit dem vierten Teil hat man sich schließlich wieder in eine etwas andere, actionreichere Richtung bewegt – gleichzeitig verschwanden mit Ankunft der nächsten Konsolengeneration auch die typischen „N64-Action-Adventures“ in kürzester Zeit fast vollständig.
Und so schön es auch ist, dass diese großartigen Spiele auf der 3DS Virtual Console verfügbar sind: Ich wünschte, dass nach Kirby, Yoshi und Donkey Kong endlich auch Wario wieder einmal in einem eigenen großen Jump’n’Run zurückkehrte. Wario Land: The Shake Dimension ist mittlerweile acht Jahre alt und war ein hervorragendes Spiel – war spielmechanisch aber ganz anders als WLII und 3 es waren.
In meinem Artikel zu WLII hab ich es schon einmal gesagt: Was WLII und 3 anbelangt, würde ich mich über irgendeine Art von Remake wirklich freuen. Denn so gut die Spiele – so wie sie sind – auch sind: Irgendwie würde die Spielmechanik, würden die einfallsreichen Verwandlungen auf einer technisch höherentwickelten Konsole noch besser zur Geltung kommen. :)
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Interessanter Einwand mit den N64-Adventures. Da kenne ich persönlich kein Beispiel, aber wenn ich davon ausgehe, dass dort durch Interaktion mit der Oberwelt die einzelnen Levels verändert werden, könnte WL3 sich sehr wohl auch da ein Beispiel genommen haben. Meine Einordnung als Metroidvania kommt vor allem von den Fähigkeiten, die Wario durch gefundene Objekte dazubekommt – Knoblauch, Latzhose etc -, aber auch daraus, dass die levelverändernden Gegenstände ebenfalls findbare Schätze sind, damit also zumindest ein Merkmal mit Metroids Morphball & Co. teilen. Da wir es bei WL3 mit einer Nintendo-Produktion zu tun haben, würde mich absolut nicht wundern, wenn es eine Mischung aus beiden genannten Genres ist. Gut zu remixen ist ja essentieller Bestandteil vieler neuerer Nintendotitel.
Ich würde den Handheld nicht pauschal als ungeeignet für komplexere Systeme wie die aus Wario Land bezeichnen. Die „Urväter“ Metroid und Castlevania haben sich in ihren 2D-Formen ja gerade auf diesen teilweise bis heute gehalten und auch Neuinterpretationen der Metroidvania-Formel wie Guacamelee finden sich auf PS Vita und 3DS recht häufig. Das hat bestimmt etwas mit den doch eher mäßigen Technikanforderungen von zweidimensionalen Jump & Runs zu tun. Ich halte aber auch den Fokus aufs Mobile Gaming, der dem Handheld oft zugeschrieben wird, für falsch. Viel öfter als in der Bahn spiele ich im Bett oder auf dem Sofa, wo ich nicht auf kurze Levels oder regelmäßige Speicherpunkte angewiesen bin. Und der (technisch bedingte) kleinere Fokus der GameBoy-Spiele hat mich als Kind behutsam, aber doch sehr eindeutig auf meine heutigen Spielevorlieben vorbereitet. Meinen Sammeltrieb etwa habe ich sehr eindeutig aus den GBC-Zeldas und Wario Land 3 mitgenommen – da wurde mir schon eingeimpft, wie belohnend sich das Öffnen einer Schatztruhe anfühlt.
Der vierte Teil ist damals bei mir ziemlich in Ungnade gefallen; er fühlte sich immer ein bisschen nach Rip-Off an. Heute weiß ich die Beugung der Wario-Formel in die Action sehr zu schätzen. Ist bis heute auch eines der wenigen Spiele, in die der Zeitdruck-Aspekt meiner Meinung nach hervorragend hinein passt, weil man über den Verlauf des Spiels mit einer recht flachen Lernkurve zum großen, hektischen Showdown am Ende geführt wird. Und es hat meine Lieblingsart Sammelobjekte: eine mit Schallplatten bestückbare Jukebox. Musik finde ich bis heute (zB Assassin’s Creed Black Flag) eines der besten Belohnungssysteme.
Über die Belohnungsysteme von Nintendospielen müsste man eigentlich eine ganze Abhandlung verfassen – in wenig anderen gestehe ich Mario & Co. eine solche Meisterschaft zu.
Ich bin auch wirklich glücklich, dass sich WL1-3 so problemlos aus der Virtual Console laden lassen. Ebenso geht es mir zB mit den GBC-Zeldas Oracle of Seasons und Oracle of Ages. Bei denen verfolgt jedoch das gleiche Problem die Reihe wie bei Wario: Die GBA-Titel gehörten dringend ebenso verfügbar gemacht, und zwar nicht nur für 3DS Ambassadors…
Schlussendlich stimme ich dir absolut zu, dass es eine Neuauflage von Warios eigenen Spielen braucht. Das letzte von mir gespielte war Masters of Disguise auf dem 3DS. Das war eher noch nett und hatte wirklich nichts mehr mit der Wario Land-Reihe zu tun. Dafür war die Verkleidungsmechanik eine meiner Meinung nach sinnvolle, wenn auch nicht alternativlose Weiterführung der Transformationen. So richtig Wario-Feeling kam aber schon viel zu lange nicht mehr auf.
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Ich schäme mich zwar fast, dass ich hier nur so einen kurzen Kommentar abgeben kann, aber ich fand Wario auch schon immer interessanter als Mario :) Wirklich intensiv gespielt habe ich aber bis heute nur Wario Ware, was ich aber dafür absolut großartig finde. Nintendos Output ist ja in den letzten Jahren nicht sooo groß gewesen, dabei gibt es mit den Nebenfiguren ja eigentlich genug Gelegenheit, neue Titel zu bringen, ohne gleich eine komplett neue Marke aufbauen zu müssen. Vielleicht sollte man die Zusammenarbeit mit anderen Studios wieder intensivieren, denn das hat ja schon früher gut funktioniert.
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Manchmal, aber leider auch nicht immer, gerade bei Wario. Wario World auf dem GameCube, entwickelt von Treasure, war ganz originell, aber doch eher unrund. Master of Disguise, auf dem DS, habe ich selbst nicht gespielt, gilt allerdings als ziemlich schwach. Entwickelt wurde es laut Wikipedia vom wenig bekannten Studio Suzak (mittlerweile pleite). Für Nintendo haben die auch noch ein drittes F-Zero für den GBA entwickelt, das nur in Japan erschienen ist, und von dem ich bis gerade eben noch nie etwas gehört hatte. Es soll ungewöhnlich schlecht sein.
Das einzige, wirklich gelungene Wario-Spiel von einem Drittentwickler scheint mir The Shake Dimension von Good Feel zu sein. Leider hat Nintendo, mit der Wii damals auf dem Höhepunkt ihres Hypes, dem Spiel selbst nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt, zumindest in Sachen Marketing. Der Beginn einer fruchtbaren Zusammenarbeit war es dann aber allemal: Kirby’s Epic Yarn, Yoshi Yarn… Yarn Wario? Wohl eher nicht. Aber mit einem anderen originellen Stil, in 2,5D, das wäre klasse!
Eine Sache ist allen drei Wario-Kooperationen nach meiner Meinung gut gelungen: Warios besondere Persönlichkeit unverfälscht rüberzubringen.
So. Was mich mal interessieren würde: Hat irgendwer von euch schon einmal das Wario Land für den Virtual Boy gespielt? Das soll wohl auch sehr gut sein, wird oft als bester Titel des Systems gehandelt. Es ist schade, dass sich Nintendo hier noch an keinen Re-Release herangetraut hat…
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Fein säuberlich durchexerziert! Sehr schön!!
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