Ein Gastbeitrag von Nora Beyer
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Größe ist nicht alles. Und bevor jetzt das wilde Gekicher beginnt, hier das Ende des Satzes: – in Games. Die Spielmechanik der Open World ist nichts Neues, wir kennen sie seit Ultima (1981). Aber in den letzten Jahren scheint kein AAA-Titel mehr ohne sie auszukommen. Aber die Größe der Spielwelt und die Relevanz ihrer Inhalte stehen sich oft diametral entgegen. Allerorts werden wir von wild blinkenden Symbolen auf überdimensionalen Übersichtskarten aufgefordert, Kräuter zu sammeln, unbedeutende Nebenquests zu erfüllen und noch den hinterletzten Stofffetzen zu finden, der unsere Abenteurerhose so hübsch burgunderrot färbt. Zeit für die Sinnfrage.
Warum wir sammeln
Das Prinzip der Open World, wie es uns in letzter Zeit auf Schritt und Tritt begegnet, hat ein entscheidendes Merkmal. Die Verbindung zwischen offener Spielwelt und Banalität der in ihr wartenden Aufgaben. Im Klartext heißt das meist: Sammelaufgaben. Zwar dürfen wir eine riesige Welt entdecken. Aber was in ihr zu entdecken ist, ist oft der Zeit nicht wert. Dennoch: Es hält uns beschäftigt. Aus einem einfachen Grund: Es zielt auf eine banale menschliche Eigenschaft – den Drang zum Sammeln. Psychologisch unterlegt: „Von allen menschlichen Motiven gibt es kaum eins, das nicht seine zentrale Ursache im Sammeln hat“[1]. Das Sammeln befriedigt bestimmte Bedürfnisse des Menschen, allen voran das Streben nach existenzieller Absicherung. Dieses Streben wiederum gründet im Bedürfnis des Menschen nach Kontrolle.[2] Ob sich das Sammeln nun auf Euroscheine oder auf Erfahrungen bezieht – immer verweist es auf das menschliche Bedürfnis nach Kontrolle. Je mehr Geld ich habe, desto mehr habe ich meine Existenz, insoweit es finanzielle Fragen anbelangt, unter Kontrolle. Ganz ähnlich ist es mit Erfahrungen. Je mehr Erfahrungen ich sammle, desto größer ist der Pool an Handlungsmöglichkeiten, denen ich mich in einer bestimmten Situation bedienen kann. Ein etwas plakatives Beispiel: Wer schon zehnmal gegen einen Säbelzahntiger gekämpft hat, weiß sehr viel genauer, wie man sich in einer solchen Situation am besten verhält als jemand, der noch nie einen Säbelzahntiger von Nahem gesehen hat. Kurz: Die Freiheit des Reichen, Luxusgüter anzuhäufen ist genauso Zeichen von gesteigerter Kontrolle wie die Ansammlung eines Erfahrungsschatzes. Wir sammeln, weil wir uns dadurch Kontrolle erhoffen. Wir sammeln in Games, weil wir dadurch bessere Rüstungen bekommen, die uns im Kampf besser schützen. Und Kräuter, die wir zu Heiltränken brauen. Und wir sammeln eben sogar, weil wir dadurch unsere Abenteurerhose so hübsch burgunderrot färben können. Weil wir dadurch mehr Kontrolle über unsere Handlungen im Spiel bekommen. So weit, so menschlich.
Open World: Der Sandkasten menschlicher Instinkte
Das Open World-Prinzip nutzt diesen menschlichen Grundinstinkt. Und hält uns dadurch beschäftigt. Das ist nun zunächst nicht weiter problematisch. Im Gegenteil: Es gibt Spiele, die erst durch die Open World zu dem werden, was sie ausmacht. Witcher 3 etwa, oder auch die Elder-Scrolls-Reihe. Hier werden wir von Anfang an in eine Welt versetzt, in der selbst eigentlich unbedeutende Nebenquests packend erzählt sind. In der wir – ganz im Sinne von Kieron Gillen – auf fremde Kulturen treffen. In der wir unsere eigene Story in unserer eigenen Geschwindigkeit schreiben. Die Hauptgeschichte pausiert, solange wir uns unserem Erkundungs- und Sammlerinstinkt ergeben. Zum Ärgernis wird es dann, wenn das eintritt, was Peter Bathge „Viele Inhalte, wenig Substanz“[3] genannt hat. Der Trend der Open World rührt nämlich aus einer schlichten Erkenntnis der 2000er Jahre, als die Tendenz zu immer kürzeren Spielzeiten zum Problem wurde: Content muss her! Die Spieler wollen Inhalte für ihr Geld. Je mehr, desto besser. Sie wollen beschäftigt werden.[4] Die naheliegende Lösung: Eine möglichst große, möglichst offene Spielwelt. Check. Aber womit füllt man die jetzt? So eine riesige Welt will auch lebendig sein. Mit spannenden Quests, authentischen Begegnungen und und und. Das verlangt aber Aufwand. Und Geld. Wie also kann man die Spieler beschäftigt halten mit möglichst geringem Aufwand? Durch banale Sammelspiele. Es dauert, bis auch das letzte Blümchen gepflückt ist. Das Problem: Längere Spielzeit ist nicht gleich gutes Spiel. Ganz ähnlich wie beim analogen Sammeln: Es ist ein grundlegender Instinkt des Menschen und als solches wertungsneutral. Aber pathologische Ausprägungen sind freilich denkbar: „Natürlich gibt es auch krankhafte Züge des Sammelns“[5]. Nur weil die Karte der Spielwelt bis obenhin vollgestopft ist mit sammelbarem Plunder bedeutet das nicht, dass es auch erstrebenswert ist, diesen zu sammeln. Und es bedeutet vor allem nicht, dass das in Frage stehende Spiel dadurch gut ist.
Sammeln ist nicht gleich Spaß
Indem sich die Entwickler nämlich auf den Sammlerinstinkt versteifen, verlieren sie einen anderen menschlichen Instinkt aus den Augen, der gerade in Bezug auf Spiele grundlegend ist: Wir wollen Spaß haben. Das klingt jetzt zunächst banal. Nach Raph Koster ist das aber genau der ausschlaggebende Punkt und der wirkmächtigste Faktor an Spielen: In Spielen können wir in nicht-bedrohlichen, nicht-realen Isolationsräumen Handlungsspielräume austesten. Wir haben Spaß, weil es (a) um nichts geht, d.h. nicht ‚ernst‘ ist und (b) weil wir durch die Übung besser werden und Hindernisse überwinden. „It is the act of solving puzzles that makes games fun“[6] so Koster. Aber: Wollen die Entwickler diesen Spaß nicht eben das durch die offene Spielwelt und die Sammelmöglichkeiten erreichen? Wir bleiben beschäftigt, weil wir Spaß damit haben. Richtig. Und genau hier liegt das Problem. Das Prinzip der Open World, wie es in vielen Spielen durch immer ähnliche Aufgabenabfolgen reproduziert wird, versagt. Warum? Schauen wir uns Kosters Aussage noch einmal genauer an: „It is the act of solving puzzles that makes games fun“[7]. Ausschlaggebend ist hier der schmale Grat zwischen Frustration (Überforderung) und Langeweile (Unterforderung). Spiele, die uns konstant überfordern, führen zu Frustration. Im Extremfall: Vollständiger Verlust des Spielspaßes. ESC. Back to Desktop. Denken wir nur einmal an Dark Souls. Dasselbe gilt aber auch für Spiele, die uns unterfordern. Sie langweilen uns. Und haben schließlich denselben Effekt. Verlust des Spaßes. ESC. Back to Desktop. Das Todesurteil für ein Spiel ist der Verlust des Spielspaßes.
Warum muss Lara Croft Beeren sammeln?
Und genau das passiert in den monotonen Sammelaufgaben und halbgaren Quests einer gezwungen erscheinenden offenen Spielwelt: Der Verlust des Spielspaßes. Die Gründe dafür können im Einzelnen vielfältig sein. So bricht Alone in the Dark 5 mit der reihentypischen, dicht erzählten Survival-Horror-Narration, indem der packende Anfang des Spiels in einen bemühten mittleren Teil in Open-World-Manier ausfranst. In diesem muss Protagonist Edward Carnby durch die Open World, in diesem Fall der Central Park, rennen und sogenannte Wurzeln des Bösen zerstören. Davon gibt es, nun, eine ganze Menge. Diese repetitive Arbeit wird nach kurzer Zeit schlicht lästig und kostet dem Survival-Horror-Spiel sein kostbarstes und nebenbei definitorisches Gut: Die Survival-Horror-Atmosphäre. Die Dichte der Narration. Der Bruch mit der Narration ist eines der zentralen Probleme der Spiele, die das Prinzip der Open World integrieren, ohne genuin darauf ausgerichtet zu sein. Ein Open World Spiel muss, um zu funktionieren, gänzlich anders erzählt werden als ein lineares Spiel. Die Dynamik der Story und der Fokus auf dieser sind anders. Und genau hier liegt das Problem von Spielen, die linear angelegt und gedacht sind, der Spielzeitdauer wegen aber Elemente einer offenen Spielwelt hinzufügen. Die potenzielle Stärke dieser Spiele, die Verbindlichkeit und Dichte eines linearen Spielverlaufs, wird konterkariert durch die Unverbindlichkeit der Open World. In einer Welt, in der die Hauptstory auf mich wartet, bis ich auch wirklich alle Kräuter gesammelt habe, ist die Geschichte vom bedrohen Überleben eines Survival-Horrors nicht mehr glaubhaft. Der ‚Open World Müdigkeit‘ (Open World Fatigue[8]) ist also nur auf eine Art und Weise entgegenzuwirken – Mut zum Ausruf: Größe ist nicht alles. Auch nicht in Games.
Die Autorin:
Nora Beyer (@thebigwordsnora)
Schreibt auf thebigwords.wordpress.com sowie für gameZINE.de und die GameStar.
Nora ist 29 und sagt von sich, sie sei die wahrscheinlich einzige Person weltweit, die über einen gewissen Irenicus im finalen Boss-Kampf von Baldur’s Gate 2 mit einer Grippetemperatur von 39,2 Grad triumphiert habe. Als ob das der Qualifikation noch nicht genug wäre, hat die Nürnbergerin einen M.A. in Ethik der Textkulturen und schreibt seit neuestem für die altehrwürdige GameStar. Als engagierte Vertreterin eines New Game Journalism interessiert sich Nora vor allem für Metathemen und Kontroverses. Konsequenterweise mag sie Spiele, die Dinge anders machen als bisher – sammelt aber auch gern Schutt für ihre Blechvilla in Fallout 4.
- [1] https://www.academics.de/wissenschaft/das_sammeln_aus_psychologischer_perspektive_52381.html.
- [2] vgl. https://www.academics.de/wissenschaft/das_sammeln_aus_psychologischer_perspektive_52381.html.
- [3] http://www.pcgames.de/Rise-of-the-Tomb-Raider-Spiel-54451/Specials/Kolume-Open-World-Krankheit-Sammelwahn-1185052.
- [4] vgl. http://www.pcgames.de/Rise-of-the-Tomb-Raider-Spiel-54451/Specials/Kolume-Open-World-Krankheit-Sammelwahn-1185052.
- [5] https://www.academics.de/wissenschaft/das_sammeln_aus_psychologischer_perspektive_52381.html.
- [6] Koster, Raph: A Theory of Fun for Game Design. Sebastpol: O´Reilly 2014, S. 40.
- [7] Koster, Raph: A Theory of Fun for Game Design. Sebastpol: O´Reilly 2014, S. 40.
- [8] Anm. der Autorin: Der Begriff geistert ohne direkten Urheberanspruch durch die Foren.
- Abbildungsnachweise:
- Abb. 1 http://tombraiders.net/stella/walks/TR10walk/screenshots/soviet-installation-map.png
- Abb. 2 http://i.imgur.com/W5ZsBDf.png
- Abb. 3 http://guides.gamepressure.com/static/mapy/en/gfx/map_905.jpg
Schöner, fundierter Text mit herrlich philosophischer Unterfütterung. Meinen Dank! Die Problematik ist ja nicht neu – verwunderlich ist aber die Ausdauer, mit der der Ubi-Formel gefrönt wird. Offenbar gibt es tatsächlich sehr viele „Sammler“, die im Spiel 100 Prozent erreichen müssen. Und solange sich das nicht ändert …
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Die Kritik am Konzept der Open World ist derzeit vielerorts zu lesen. Jedoch kann ich diese Argumentation mit ihrer Generalisierung nicht wirklich nachvollziehen. Entwickler konstruieren ihre Spiele in solcher Weise, dass sie sich gut verkaufen. Sie verkaufen sich gut, weil viele Menschen die enthaltenen Elemente ansprechend finden. Und Open-World-Spiele sind nach wie vor überaus beliebt – nicht trotz, sondern wegen ihrer Sammelei.
Es ist in etwa so, als würde man der Tabakindustrie vorwerfen, dass Menschen rauchen, da diese den Massen das Mittel zur Befriedigung ihrer stumpfsinnigen Gelüste zur Verfügung stellt. Doch nicht der Verführer trägt die Schuld, sondern stets der Verführte, dem es an Stärke oder Willen fehlt, sich dem entgegenzustellen.
Ich teile die Ansicht, dass das Konzept der offenen Welt in den meisten Fällen nicht gut genutzt wird und sehe den Ursprung tatsächlich in den Elder-Scrolls-Spielen, welche damit begannen, eine stringente Handlung durch einen generischen Fantasy-Themenpark samt flachem Gameplay zu ersetzen. Den Menschen gefällt dergleichen jedoch, entsprechend wäre es doch überaus töricht, als Entwickler davon abzuweichen. Ein Spiel ist ein Konsumprodukt ergo ein gutes Spiel ist ein solches, welches sich gut verkauft. Die Forderung an die Entwickler kann in dieser Hinsicht auch als deckungsgleiches „Profit ist nicht alles“ formuliert werden.
Wenn man kritisieren will, dann sollte man sich über den Stumpfsinn der Käufer aufregen. Derlei driftet jedoch im Allgemeinen in elitäres Geschwafel ab, denn wer kann sich anmaßen, zu bestimmen, was der Masse zu gefallen hat? Letztlich dienen Spiele der Unterhaltung und wenn die Menschen sich durch das Sammeln unterhalten fühlen, ist der Zweck des Spiels erfüllt. Man muss diese Präferenz natürlich nicht teilen.
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Das ökonomische Argument ist sicherlich in sich valide, im Kontext meiner Argumentation unterliegt es allerdings einem klassischen naturalistischen Fehlschluss. Aus der Tatsache, dass Spiele so entwickelt werden, dass sie sich möglichst zahlreich verkaufen, folgt keine Norm. D.h. aus dem Sein ist kein Sollen abzuleiten. Es ist ähnlich wie die Argumentation, dass man über soziale Gerechtigkeit gar nicht diskutieren braucht, weil die menschliche Gesellschaft eh viel zu korrupt ist, als dass sie je funktionieren könnte. Ein Sein-Sollens-Fehlschluss eben. Mag sein, dass das faktisch so ist. Daaraus folgt aber nicht, dass es so sein soll. Genau darum geht es hier aber. Um den Versuch, wie es sein soll, d.h. um eine normative Aussage über Spiele/eine Bewertung. Der Text folgt ja gerade nicht der ökonomischen Logik, dass ein Spiel nur so gut ist wie seine Verkaufszahlen, sondern so gut wie es seine Aufgabe nach Koster erfüllt, „Spaß“ zu machen (wie im Text beschrieben).
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Wer definiert jedoch, was tatsächlich Spaß macht? Wenn nun gerade die spielerischen Möglichkeiten der offenen Spielwelt dem Großteil der Spielerschaft eben jenen Hormonausstoß verpasst, den man gemeinhin „Spaß“ zu nennen pflegt? Das eigentliche Problem sehe ich nicht in der Argumentation, welche ich durchaus gelungen finde und der ich mich auch in Bezug auf meine Person anschließen würde, sondern in der Generalisierung, die „Open World“ würde den Menschen keinen Spaß bereiten. Letztlich lassen sich zwei Forderungen ableiten: Man fordert entweder von der Industrie ein irrationales Vorgehen oder man maßt sich an, der Spielerschaft vorzuschreiben, was ihr zu gefallen hat. Beide Ansätze halte ich für nicht zielführend.
Wenn ist nur darum geht, persönliche Präferenzen darzustellen, kann man natürlich in den normativen Bereich abdriften, sollte das dann aber auch kennzeichnen.
Will man jedoch eine wirkliche Veränderung in der Industrie anstoßen (und ich gehe davon aus, dass die Argumentation in diese Richtung gehen sollte), muss stets die pragmatische Ebene mit einbezogen werden.
Mit der normativen Aussage „Gewalt ist schlecht.“ lässt sich schließlich auch in der Realität keine Politik machen.
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Natürlich ist Spaß ein subjektives Konzept. Manch einer hat Spaß daran, sein Lebtag lang vierblättrige Kleeblätter zu sammeln, ein anderer hat Spaß daran, Patronenüberbleibsel aus dem zweiten Weltkrieg an der Küste der Normandie zu suchen. Der Artikel bezieht sich hier aber auf etwas anderes. Einerseits auf den Spielen genuin eigenen Mechanismus im Sinne von Raph Koster, dass sich für ein gutes Spielerlebnis die Herausforderung eines Spiels im Flow-Kanal zwischen Über- und Unterforderung bewegen muss. Das Flow-Prinzip ist dabei natürlich auch abhängig vom Subjekt, also vom einzelnen Spieler und dessen Fähigkeiten. Gleichzeitig werden Spiele aber übersujektiv daraufhin entwickelt – Stichwort: Balancing. Die Entwickler selbst rechnen also eben nicht mit der individuellen Spielervoraussetzung (wie soll das auch gehen?), sondern mit einem verallgemeinerten Spaßprinzip: Wie kann ich Gegner mitleveln lassen, dass der Flow für den Spieler (und dass heißt: möglichst alle! Spieler d.h. potentielle Käufer) gewahrt ist. Insofern ist Spaß also auch für die Entwickler kein Begriff, den „halt jeder einfach für sich selbst hat oder eben nicht“. Andererseits, und das ist der eigentliche Punkt, geht es um die in vielen Spielen offensichtlich angelegte Gleichung: Mehr Content = gutes Spiel. Die grundlegende These des Artikels ist, dass die Gleichung schlicht hinkt. Da ist jetzt natürlich die große Frage im Raum: Und wie definiert sich ein „gutes“ Spiel. Hier darf und kann – wie du richtig schreibst – nicht die Antwort sein, irgendjemandem vorzuschreiben, was er tatsächlich für gut oder schlecht zu empfinden hat. Das war aber auch nicht die Aussage. Gleichwohl lassen sich für Spiele, wie für jedes andere Medium (Denken wir nur mal an die Literatur- oder Filmkritik), Eckpfeiler herausarbeiten, die eine Bewertung über den indivuellen Geschmack heraus, erlauben. Wir verhalten uns ja auch ganz ähnlich in unserem Alltag. Ich diskutiere ja auch nicht mit meinen Freunden über Independence Day 2 auf die Art: „Also, ich fand den schei***“ und dann sagt mein Gegenüber „Aber ich fand den voll geil“ und dabei belassen wir es dann . Wir versuchen voreinander zu argumentieren, was wir im Einzelnen daran gut oder schlecht fanden – immer vor dem Hintergrund bestimmter normativer Eckpfeiler, die natürlich oft – wenn wir nicht gerade professionelle Medienwissenschaftler sind – subjektiv bleiben. Aber genau das ist es eben, was Koster und andere (z.B. Miguel Sicart) versuchen: Auf übersubjektiver Ebene zu analysieren, was den spezifischen Spielspaß von Spielen ausmacht, um uns in diesem Sinne Bewertungskriterien an die Hand zu geben, damit wir sachlich (d.h. nicht subjektiv) argumentieren können, wo bei einem Spiel das Problem ist und wo nicht. Wissenschaft eben.
Hier ist auch der wichtigste Punkt: Das Konzept der Open World ist als solches natürlich nicht schlecht (wenn ich darüber nachdenke ist es auch nicht gut, es ist schlicht erstmal ein Spielkonzept und von daher mechanisch und nicht bewertbar). Das schreibe ich ja auch in dem Artikel. Aber: Der inflationäre Gebrauch des Konzepts z.B. in Spielen, die narrativ linear angelegt sind (Stichwort: Survival-Horror, hier: der narrativen Dichte wegen), untergräbt bei vielen Spielen das Spaßpotential des Spiels. Und damit bekommt das Spiel u.U. ein echtes Problem: Nämlich den Bruch mit der Immersion, die ausschlaggebend ist für unser Spielerlebnis und grundlegend für ein gutes Spiel. Der Bruch mit der Immersion setzt – und hier folge ich Miguel Sicart – dann ein, wenn die „world“ – also die Spielwelt – und das „system“ – die Spielregeln, also sämtliche Spielmechanismen, in Konflikt miteinander stehen. Bestes Beispiel: Manhunt (Rockstar). Da schlüpfen wir in die Figur eines ruthless Killers – die „world“. Gleichzeitig lässt das Spiel aber nicht zu, dass wir Unschuldige oder Polizisten töten – das „system“. Die Spielmechanismen brechen also mit der „Logik“ der uns vorgestellten Spielwelt. Nach Sicart – und da schließe ich mich an – ist das ein schlechtes Spiel, in dem Sinne, als es mit der Immersion bricht.
Kurz (und wenn man sich in der dazugeörigen Literatur so umschaut, tatsächlich keine sehr steile These): Ein Spiel ist genauso gut, wie seine Fähigkeit zum Spielspaß (i.S. des Flow-Prinzips) und die Tiefe der Immersion als Überlappen zwischen „world“ und „system“. Wenn auf Spiele unabhängig von deren spezifischer „world“ bzw. Narration einfach nur aus ökonomischen Gründen das Open World-Konzept übergestülpt wird, dann macht das viele Spiele zu schlechten Spielen im gerade genannten Sinne.
Übrigens: Zu Sicart und der Problematik zwischen „world“ und „system“ gerne auch mal auf meinen Blog schauen. Ich habe da gerade die Reihe „Game Studies Klassiker“ begonnen. Der Link zum ersten Artikel: https://thebigwords.wordpress.com/2016/12/15/game-studies-klassiker-vol-i-miguel-sicart-the-ethics-of-computer-games/
Und jetzt uns Allen erst einmal Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch und noch viel spannende Diskussionen mit den nächsten Gastbeiträgen!
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Der Umstand, dass Qualität der Quantität vorzuziehen ist, ist ein Prinzip, was bekanntermaßen auf das gesamte Leben anzuwenden ist und selbst dort keine universelle Zustimmung erhält. Ich halte die vermeintlich wissenschaftliche Analyse, was ein Spiel ausmachen muss, jedoch immer noch für problematisch, da mir durchaus Fälle bekannt sind, in denen Immersion und Spiellogik für Menschen keine Bedeutung haben. Diese empfinden Spaß ausschließlich auf Basis der Spielmechanik. Narration und Immersion sind für diese Menschen vollkommen unerheblich, sofern die Mechaniken interessant sind. Ähnlich wie auch Brettspiele ausschließlich durch ihre Mechanik funktionieren und keiner erzählerischen Logik bedürfen. Das Spiel funktioniert in diesem Kontext eher auf einer empirischen, denn auf einer geistigen Ebene. Neben dem recht bekannten Spielekritiker John Bain würde ich hierbei auf Speedrunner verweisen. Letztere werfen jegliche interne Logik des Spiels über Bord, versuchen die Regeln in maximaler Weise zu brechen und dennoch spielen sie und sie empfinden Spaß daran. Ab wann gilt ein Spiel dann als gelungen? Muss es einem hypothetischen Durchschnittsspieler gefallen oder darf es auch einem Speedrunner gefallen? Oder ist es nur gelungen, wenn es den Ansprüchen einer theoretischen, geisteswissenschaftlichen Argumentation genügt, in der Empirie jedoch bei keinem Menschen zur Ausschüttung von Glückshormonen führt? Und wie viele Menschen müssen Spaß daran empfinden?
Interessant finde ich den Einwand der Integration der „Open World“ in Genres, in denen diese untypisch ist. Betrachtet man bspw. das Alone in the Dark Reboot, dessen Vorgänger dem Survival Horror entsprechen, würde ich nicht sagen, dass die „Open World“ dem Genre des Spiels entgegen steht. Vielmehr entspricht das Reboot einfach nicht mehr dem Genre des Survival Horror.
Ein lineares Spiel ist linear. Durch die Integration einer offenen Spielwelt, entsteht keine Dissonanz. Ein Spiel mit einer offenen Spielwelt ist per se nicht linear. Entsprechend besitzt ein Spiel mit einer offenen Spielwelt per se keinen Handlungsfokus.
Aus dem Namen einer ehrwürdigen Spielereihe folgt keine notwendige Genrebezeichnung. Wenn Resident Evil 8 plötzlich eine offene Welt beinhaltet, ist dies kein logisches Problem. Das Spiel entspricht einfach nicht mehr dem Prädikat „Survival Horror“. Das Problem scheint mir eher in dem Umstand zu liegen, dass wir uns im Videospieldiskurs an unsauberen und beschränkten Genrebezeichnungen festkrallen.
Insgesamt gesehen empfinde ich es als problematisch, ein so empirisches Medium wie Videospiele, bei denen es in erster Linie um visuelle und akustische Reize geht und die vor allem archaische Instinkte in uns ansprechen, eine geisteswissenschaftliche Analyse vorzunehmen (zumindest wirkt die gegebene Argumentation auf mich in dieser Weise). Wollte man messen, ob ein Spiel gut ist, d.h. seinem Zweck entspricht, Spaß zu bereiten, dann wäre es wohl angemessener, Probanden an entsprechende Messgeräte anzuschließen und deren Hirnströme und Hormonspiegel zu messen oder aber zumindest im großen Stil Konsumentenbefragungen durchzuführen, ob sie beim Konsum des Produkts Spaß empfanden. Wobei Umfragen immer ein sehr unsauberes Mittel sind. Da mir der fachliche Hintergrund in diesem Bereich fehlt, weiß ich nicht, ob derlei empirische Messungen tatsächlich schon gemacht wurden.
Weiterhin muss ich anmerken, dass normative Aussagen im wissenschaftlichen Diskurs nicht erlaubt sind, da es darum geht, zu ergründen, wie die Welt beschaffen ist und nicht, wie sie beschaffen sein sollte. Sie gehören in den Bereich der intellektuellen Konstruktion, d.h. der Philosophie, da sie sich mit einer empirisch nicht greifbaren Ebene auseinandersetzen.
Zur Erklärung muss ich an dieser Stelle auch anmerken, dass ich die Intellektuelle Ebene bei der Frage, ob ein Kulturprodukt „gut“, d.h. zweckmäßig ist, für irrelevant halte. Gut impliziert hierbei weder intellektuell wertvoll, noch komplex oder tiefgründig. Ein Produkt kann banaler Schund sein – wenn es zum Zwecke der Unterhaltung erschaffen wurde und viele Menschen zu unterhalten weiß, ist es gut.
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Ja und nein. Speedrunner machen ihren Run nicht, um ein Game mit „Spaß“ zu spielen – denen ist das Spiel bei diesem Ritt egal. Sie wollen speedrunnen, eine Art Begsteiger, der nur einen Gipfel erklimmen will – egal welchen, Hauptsache hoch :-)
Und warum soll man nicht bewerten in gut/schlecht in der Kultur? Für mich ist das mehr als legitim: notwendig. Ansonsten verkommt Kunst in der Beliebigkeit des persönlichen Geschmacks …
Liebe weihvoll-weihnachtstolle Grüße!
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Ich verstehe den ersten Einwand nicht. Ein Bergsteiger, welcher einen Berg aus Ehrgeiz erklimmt, ist ein bergsteigender Bergsteiger, welcher auf einen Berg steigt. Seine Beweggründe sind unerheblich. Ein Mörder bleibt ein Mörder, auch wenn seine Ziele vermeintlich moralisch gerechtfertigt sind. Entsprechend spielt der Speedrunner ein Spiel. Er bewertet es lediglich nach anderen Grundsätzen. Aber er spielt immer noch ein Spiel, denn er tritt in die interaktive Interaktion mit einem auf mehreren empirischen Ebenen wirkenden Medium, dessen Zweck der Spaß ist.
Mich erinnert dies ein wenig an die Diskussion um die Cowclicker und die elitäre Haltung der „Core-Gamer“, welche Freunde von Farmville und Co. nicht als Videospieler ansehen, weil ihnen die banalen Spiele auf einer persönlichen Ebene nicht zusagen.
Tatsächlich sehe ich es auf der abstrakten Ebene so: Hauptsache unterhaltsam. Warum etwas unterhaltsam ist, ist hierbei doch vollkommen unerheblich. Ohne dieses strikte Grundprinzip wird die Sprache unsauber und alle reden aneinander vorbei.
Auch ist der Begriff „Spaß“ in dem Kontext nicht sauber gewählt. Man sollte eher von der allgemeinen Lusterfahrung sprechen, da sehr viele Spiele keinen „Spaß“ im klassischen Sinne machen, das Individuum aber mit einer Lusterfahrung erfüllen. Man denke hier nur an Horrorspiele oder Titel wie Spec Ops The Line.
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Ich antworte jetzt eigentlich nur, weil ich gespannt bin, wie klein diese Spalten noch werden :-) Muss Dir wiedersprechen: Speedrunner nutzen ein Spiel anders. Sie haben ihren Spaß, natürlich, aber das Spiel an sich ist völlig unwichtig. Ich nehme an, dass Du schon weißt, was ich meine (oder nicht)? Das ist eine Subebene, ein zusätzliches Spiel zum Spiel, unabhängig vom eigentlichen Spiel. Das ist doch mal sehr spielerisch formuliert :-)
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Nein, ich kann dem nicht folgen. Diese Argumentation würde nur funktionieren, wenn es richtige und falsche Varianten gäbe, ein Spiel zu spielen. Diese Idee lehne ich jedoch ab. Eine Katze, welche virtuelle Fische auf einem Tablet jagt, spielt für mich ebenfalls ein Spiel, auch wenn sie sich nicht darüber im Klaren ist. Spielen bezeichnet für mich lediglich die interaktive Interaktion, unabhängig von Intentionen oder hypothetischen Metaebenen, die mancher dort hinein interpretieren mag. Dem Speedrunner geht es in letzter Instanz auch nur um eine Lusterfahrung, die aus dem Spielen erwächst. Diese mag zwar auf sozialem Ansehen basieren, das ist in vielen Mehrspielertiteln aber ja nicht wirklich anders.
Die schmalen Spalten sind in der Tat ein wenig kurios. Glücklicherweise kann man sich hier anderer Möglichkeiten des Antwortens bedienen.
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Ich stimme simonsegur zu: Normative Aussagen (auch) über Games als Teil der Kultur zu treffen ist schlicht notwendig, damit wir eben das machen können, wovon du schreibst: Überhaupt darüber sprechen. So wie wir es gerade tun. Wenn wir sagen, ach, es gibt doch genauso viel leitende Prinzipien bei Spielen, wie es Menschen gibt, dann driftet das nicht nur ab in die Beliebigkeit und wir können keinerlei Aussagen mehr über Spiele treffen außer eben diese. Dann müssten wir aber auch die Diskussion gerade unterlassen. Normative Aussagen (auch) über Spiele sind aber auch – wie du in deiner letzten Argumentation selbst feststellst – unvermeidbar. Oder ist dir nicht aufgefallen, dass du dort eine lupenrein normative Aussage über Spiele trifftst – nur eben nicht auf Kosters Spaßprinzip und meiner Argumentation basierend, sondern auf einem hedonistischen Ansatz. Ich stimme dir zu: Wir sollten vorsichtig im Urteilen sein. Wir sollten aber auch vorsichtig sein, wenn wir davon überzeugt sind, nicht zu urteilen. ;)
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Ich treffe eine normative Aussage, das ist korrekt. Ich erhebe jedoch nicht den Anspruch, wissenschaftlich zu agieren, sondern formuliere subjektive Aussagen in einem Blogkommentar zum Zwecke des Erkenntnisgewinns und erhebe in keinster Weise den Anspruch, dass meine Aussagen der Wahrheit entsprechen.
Ich sehe das Problem im normativen Ansatz einfach darin, dass er beliebig ist, da man effektiv alles fordern kann, ohne dass dies irgendeine Relevanz für die realen Entwicklungen hätte. Man könnte ebenfalls argumentieren, alle Spiele sollten eine offene Welt beinhalten und gänzlich auf dieses Prinzip ausgelegt sein.
Ähnlich verhält es sich bei der kulturellen Interpretation, welche sich allzu oft von der eigentlichen Rezension entfernt und in geistiger Akrobatik ergeht, die mit dem eigentlichen Werk nichts mehr zu tun hat. Ich halte es für sinnvoller, möglichst nah am Objekt zu bleiben. Das Interpretieren mag amüsant sein, ist jedoch wenig hilfreich.
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Diese Logik beißt sich selbst in den Schwanz. Deine Kritik ist, dass keine normative Kritik geübt werden kann, weil keine normative Kritik möglich bzw. sinnvoll ist. Das ist aber nichts anderes als normativ Kritik.
Die Aussage, normative Ansätze seien „beliebig“, ist schlicht falsch. Ganz im Gegenteil: Eine normative Argumentation zeichnet sich eben dadurch aus, dass eine Behauptung durch die Unterfütterung von möglichst plausiblen Argumenten bewiesen werden soll. Was du unter „normativ“ verstehst, sind bloße Meinungen. Da hast du aber die Begriffe verwechselt. Das ist jetzt auch tatsächlich nicht bloß meine Meinung (wo wir´s grade mit Meinungen haben:), sondern grundlegendste Normtheorie. Da kann man natürlich jetzt auch widersprechen – wie man theoretisch allem widersprechen kann und darf – aber man wird´s schwer haben mit der Argumentation;).
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Ich sage nicht, dass normative Aussagen nicht möglich seien, denn das wäre Unsinn. Ich halte sie lediglich außerhalb der Philosophie für ineffizient, weil sie uneindeutig sind. Kurzum: Ich finde normative Aussagen im Kontext der Frage nach dem Spielspaß nicht sinnvoll, da Spaß ein körperlich messbares Konzept ist. Das Problem besteht darin, dass Argumente geistig und nicht empirisch sind. Die Aussage „Die Open World ist schlecht.“ besitzt den gleichen Gehalt wie die Aussage „Die Open World ist gut.“ Beide Positionen können auf Basis der gleichen Prämisse „Spiele sollen Spaß machen.“ argumentiert werden, ohne dass man am Ende eine relevante Folgerung für das praktische Handeln daraus ziehen kann, da man ab einem bestimmten Punkt der logischen Kette auf Argumente verweisen muss, welche man sowohl bejahen als auch verneinen kann. Wenn man der Aussage „Spaß benötigt Immersion“ nicht zustimmt, gibt es bereits Probleme.
Physikalische Gesetze basieren auf Interpretationen, gelten jedoch als absolut, sofern sie nicht widerlegt werden. Die Aussagen „Es existiert eine Schwerkraft.“ kann nicht parallel zu „Es existiert keine Schwerkraft.“ argumentiert werden. Eine der Aussagen ist auf Basis empirischer Beobachtungen immer falsch.
Wollte man eine absolute Aussage, d.h eine Generalisierung, um die es mir eigentlich geht, erreichen, müsste man zwei Testgruppen den Stimuli „Open World“ und „Linearität“ aussetzen und deren körperliche Reaktionen unter einer Zergliederung des Faktors „Spaß“ (bzw. sauberer formuliert „Lust“) in einzelne Variablen messen.
Käme dabei bspw. heraus „Open-World-Spiele induzieren per se keinerlei Lust“, könnte man aus der Prämisse „Spiele müssen Lust erzeugen“ ableiten: „Spiele dürfen keine Open World enthalten“
Es käme ja auch niemand auf die Idee, die Frage nach der Notwendigkeit einen Regenschirm mitzunehmen, auf Basis der Aussage „Regen ist schlecht. Folglich sollte es nicht regnen.“ zu treffen.
Entfernt man jedoch die Generalisierung aus dem Text, dann endet man entweder bei der Aussage: „Open World ist manchmal gut und manchmal schlecht“, oder bei der Aussage: „Ich persönlich finde die Open World schlecht und die Industrie sollte sich meinen Wünschen anpassen.“ Option 1 hätte keinen Informationsgehalt; Option 2 ist legitim und informativ, sollte aber entsprechend gekennzeichnet werden.
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Deine Argumentation hat leider dasselbe Problem. Sie ist nur so plausibel wie die Bereitschaft des Lesers, deinen Prämissen zu folgen – etwa Spaß als empirisch messbares anstatt z.B. ästhetisches Konzept zu fassen. Indem du schreibst, man dürfe bzw. Könne Keine Wahrheiten propagieren (wovon eigentlich auch nie die Rede war), weil x, widersprichst du dir selbst, da du mit x eben eine Wahrheit propagierst.
Ich habe nicht den Eindruck, dass das an diesem Punkt noch irgendwie relevant für die ursprüngliche Diskussion ist. Die Meinung, dass über Games deiner Logik nach keine normativen, sondern rein deskriptive Aussagen getroffen wrtden können, ist leider aus einem ganz einfachen Grund problematisch: Weil sie uninteressant ist. Es gäbe dann keine Diskussionen wie die hier oder Artikel über Black Characters in Games (sehr schön, Herr Gastgeber;) oder Spiele wie Papers Please. Und das – da sind wir doch alle einer Meinung nehme ich an – wäre unheimlich schade:)
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Ich stimme dir zu. Mir war nicht daran gelegen, die generelle Diskussion zu unterbinden. Auch sollte es hier gar nicht darum gehen, einen bestimmten Punkt zu erreichen. Tatsächlich befinde ich mich auf der Suche nach einem Ansatz, wie konkrete Aussagen getroffen werden können. In Anbetracht deiner sehr interessanten Antworten (für die ich an dieser Stelle einmal danken möchte), komme ich zu dem Schluss, dass mir bislang kein zufriedenstellender Ansatz bekannt ist. Entsprechend werde ich weitersuchen müssen.
Die Analyse von Spielen empfinde ich zwar als durchaus unterhaltsam, doch wenn sie sich zu weit vom eigentlichen Akt des Spielens eines Spiels löst bzw. nicht mehr für selbigen relevant ist, dann ist sie eben nicht mehr als eine amüsante, geistige Akrobatik.
Wenn man die Interpretation zu weit treibt, endet man letztlich bei Absurditäten, wie sie in einer South-Park-Folge auf die Spitze getrieben wurde.
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Sehr schöne schreibweise. Man merkt, hier ist ein Profi am Werk! Zum Thema selbst sehe ich es bei vielen Spielen eher als Option, zu Sammeln. Hat ein Open World Titel allein mit der Hauptquest 10-15 Stunden Spielzeit, ist das OK. Als Spieler aber die Option zu erhalten, das ganze auf 50 Stunden und mehr auszuweiten, finde ich ganz nett. Muss ja nicht. Aber wenn das Setting, die Story und die Atmosphäre mir derartig gefallen, macht es auch wieder Spaß. Grundsätzlich gebe ich aber recht, dass es viel „tote“ Welten gibt.
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Das ist ein wahres Wort! Betonung auf „Wenn das Setting, die Story und die Atmosphäre stimmt“ – dann ist es ein Open World-Spiel, das Sammelaufgaben nicht als Übersprungshandlungen bzw. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen einfach nur auf eine eigentliche lienare Narration aufstöpselt, sondern integriert. Womit wir wieder bei der Immersion wären:D Siehe Kommentar oben. Danke, Dennis!
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Entschuldigung. Da war die Unterhaltung im wahrsten Sinne des Wortes an ihre Grenzen gestoßen… :-)
Ich habe das Problem mit den zu kleinen Spalten allerdings beheben können. Glücklicherweise, denn der letzte Comment ist gar nicht mehr lesbar gewesen. Fünf Ebenen sind nun das Maximum (welches ich vor einiger Zeit unbedacht von 3 auf 10 erhöht hatte). Nun sollte alles noch gut sichtbar sein. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass man nach dem Erreichen der fünften Ebene nicht länger „antworten“ kann, sondern einen eigenständigen neuen Kommentar beginnen muss.
Leider fehlt mir gerade die Zeit, selbst tiefer in eure faszinierende Diskussion einzusteigen…
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Hm. Ich weiß nicht, ob sich ein Kommentar nach so langer Zeit noch lohnt ^^
Ich kann auch nicht mit so tiefgreifenden Analysen über Sinn und Unsinn einer Bewertung von Spielspaß dienen. Ich kann nur mit meiner Meinung dienen und die ist rein subjektiv. Trotzdem kann ich dem Artikel zustimmen.
Ich bin kein Fan von Open-World-Spielen. Hauptsächlich aus oben genannten Gründen. Ich bin wohl auch einer der wenigen der Rockstar-Spiele nicht mag. Das liegt vor allem daran, dass sich dort Story und Design der Open World oftmals widerspricht finde ich. Bestes Beispiel Red Dead Redemption. In einer Open World ist es mir nicht möglich zu meiner Familie zu reiten, obwohl sie augenscheinlich in Gefahr ist. Im Spiel selbst kann ich aber tun und lassen was ich will. Da kann ich persönlich die Geschichte einfach nicht mehr Ernst nehmen. Wie einem das Setting gefällt ist dann nochmal eine andere Frage.
Was Sammelquests angeht kommt es bei mir immer drauf an. Wenn es zum reinen Selbstzweck dient, bin ich kein Fan davon. Sammel 100 von den Töte so und soviel von denen. Nur damit die Welt gefüllt ist. Das macht mir dann einfach keinen Spaß.
Andererseits spiele ich grad mit großer Freude Monster Hunter Stories. Dem Spiel könnte man auch vorwerfen viele Nebenquests nur zum Füllen der Welt zu haben. Doch irgendwie klappt das bei mir. Was vor allem auch daran liegt, dass alle Nebenquests mit einer kleinen Geschichte verbunden ist und gibt mir somit auch Ansporn diese Quest zu erfüllen.
Es ist also nicht so einfach zu sagen Open World ist gut/schlecht. Dafür hängt das ganze von mehr ab als der reinen Genredefinition.
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Nein, zu spät ist’s nie! Ich weiß auch nicht warum, aber seit meinem letzten Retweet und deinem Kommentar erlebt dieser Artikel, was Klickzahlen angeht, seinen zweiten Frühling. Da häng ich mich doch gleich mal mit rein! ;)
Dass Open Worlds weder einfach gut noch einfach schlecht sind, darauf können wir uns sicher einigen. Der Artikel ist ja auch kein Manifest gegen Open Worlds an sich, sondern gegen ihre Probleme.
Ich selbst mag Open Worlds meist auch nicht. Einmal, weil derartige Spiele in der Regel so viel Zeit beanspruchen, viel Leerlauf haben und die Vielzahl der Handlungs- und Entwicklungsmöglichkeiten die Spielmechanik verwässert – letzteres lässt sich aber auch von Skill Trees und ähnlichen Mechaniken sagen. Was ich mit Open Worlds verbinde, ist in 95% der Fälle nicht Freiheit, sondern das Gefühl von Beliebigkeit.
Das heißt aber nicht, dass ich Open Worlds generell ablehne. Ich sehe darin ein konsequente Evolution des Mediums, die wir in Zukunft sicher nicht wieder loswerden. Die Frage ist, was man mit einer offenen Spielwelt tun könnte, als einfach nur möglichst viel von den Inhalten reinzupacken, die wir aus nicht-offenen Spielwelten kennen.
Ich weiß zwar nicht, wie sich das umsetzen ließe, ohne dass einige Spieler Frust und Stress empfinden. Aber statt eine Open World als Kulisse zu betrachten und mit Inhalten zu füllen, sollte die Entwicklung IMO eher dahingehen, die Welt selbst zu einem aktiven Element der Spielmechanik zu machen. Ansätze in die Richtung gibt es natürlich schon. Oder um ein Beispiel zu nennen: bitte aufhören, die Ausmaße der Spielwelt durch Fast-Travel-Optionen zu negieren! Liebe Entwickler, gebt der Spielwelt Gewicht!
Ich stelle mir etwa einen Thriller vor, in dem Person X in Gefahr ist und ein bestimmtes (vielleicht auch gar nicht exakt bekanntes) Zeitlimit existiert und wo die spielerische Herausforderung im Kern darin besteht, die Zeit möglichst gut zu nutzen. Lohnt es sich, mehrere in-game Stunden oder eine Summe Geld aufzuwenden aufzuwenden, um an Ort Y zu reisen, um dort vielleicht eine Spur oder Unterstützung zu finden? Mit welchem Verkehrsmittel gelange ich dorthin? Reicht evtl. ein Anruf, oder kann ich einen anderen Charakter hinschicken?
Beim Sammeln von Hinweisen und Unterstützung müsste ich nun den Faktor Zeit mit einplanen, müsste die schnellsten oder günstigsten Reisewege planen. Ein Open World-Spiel sozusagen, das nicht von einer reaktionskritischen Spielmechanik, sondern von entscheidungs- und vor allem von konfigurationskritischen Mechaniken dominiert ist, das hab ich bislang selten gesehen. Ich glaube, dass die Einbeziehung solcher Faktoren eine ganz neue Form der Auseinandersetzung mit der offenen Spielwelt begründen würde. Das Resultat wäre eine Welt, die bezwungen werden will, statt nur Kulisse zu sein, und wo meine Entscheidungen – trotz der Vielfalt der Möglichkeiten – Gewicht haben.
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Das ist ein sehr interessantes Setting. Könntest du dir dabei auch vorstellen, dass das Spiel auch eine Art Echtzeit-Faktor hat? Also das gewisse Ereignisse zu einem gewissen Zeitpunkt geschehen und wenn du nicht pünktlich da bist, musst du entweder warten oder die Situation ist für immer verloren. Oder es finden zwei Ereignisse zur gleichen Zeit statt und du musst dich entscheiden, wo du hingehst.
Ich bin auch für mehr Konsequenz bei Entscheidungen, auch wenn das ja an sich erstmal wenig mit Open World an sich zu tun hat. In diesem Fall meine ich das aber so, das ich eine Welt haben möchte die auch ohne mich weiterexistiert. Ich möchte nur ein Teil der Welt sein und nicht das Zentrum einer Welt die sich nur dann entwickelt, wenn ich eben den gewissen Fortschritt im Spiel erreicht habe.
Sowas klingt dann immer nach dem echten Leben, gefühlt, und die will ein Spiel (und auch ein Film, Serie, etc) auch nicht unbedingt nachahmen, aber es würde gerade einer ofenen Welt helfen noch glaubhafter zu sein.
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Kann ich mir absolut vorstellen!
Leider läuft das ziemlich stark der Vorstellung entgegen, die die meisten heute von einer Open World haben: Nämlich nicht nur räumliche Offenheit der Spielwelt, sondern auch die Möglichkeit, die dort verteilten Aufgaben weitestgehend nach eigenen Gutdünken angehen zu dürfen und beliebig viel Zeit in dieser Welt zu verbringen. Dieser Aspekt der Beliebigkeit, der mir an den meisten Open World Games so missfällt, ist offenbar gerade das, was viele Spieler dabei gar nicht missen wollen.
Dabei glaube ich, dass eine solche Form der Entscheidungskonsequenz, auch wenn sie dem Spieler auf den ersten Blick einige Freiheiten nimmt, das Gefühl eine Geschichte zu erleben erheblich verstärken könnte. Ich nannte ja eine Art Thriller als Beispiel. Da ist es im Film ja auch nicht so, dass der Held permanent nur auf Herausforderungen reagieren müsste und das täte, was er von anderen gesagt bekommt – viel häufiger steht im Zentrum der Handlung die Frage, was er tun kann, soll, muss und wie.
Das ist in Videospielen noch viel zu selten und fand IMO vor allem in Open Worlds noch fast gar keine Anwendung.
PS: Mir fällt da noch ein schönes Gegenbeispiel ein: In Mad Max: Fury Road verhält sich der Protagonist wie ein typischer Videospielheld. Kaum „agency“, fast reine Reaktion.
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Ja da geht es mir wie dir. Was auch ein Grund ist weshalb ich GTA kritisch gegenüberstehe. Da hab ich es bei Teil 4 so gemacht, dass ich zwei Spielstände erstellt hab. Eine für die Geschichte und der andere zum Spaß.
Das sollte aber natürlich nicht der Fall sein. Und ich verstehe auch nicht so ganz wo das Problem liegt. Ich möchte ja beides haben, Geschichte und Freiheit. Aber auch die Freiheit auf die Geschichte nach meinem Gutdünken Einfluss zu nehmen.
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