Nintendo darf zufrieden sein: »The Legend of Zelda: Breath of the Wild« war nachweislich das meistdiskutierte Spiel der E3 2016. Meine Aufmerksamkeit galt zur selben Zeit aber viel eher »Zelda: The Minish Cap«. Was der meistunterschätzte Hauptteil der Serie mit dem kommenden Hoffnungsträger zu tun hat, erfahrt ihr hier.
Es ist schwer zu sagen, warum ich als Zelda-Liebhaber Links GBA-Ausflug bis letzte Woche nie gespielt hatte. Es mag damit zu tun haben, dass ich nie eine besonders enge Beziehung zum GBA hatte und dass zum Release von »Minish Cap« der Nintendo DS bereits in den Startlöchern stand. Oder daran, dass ich die Sache mit der sprechenden Mütze und den Wichteln irgendwie dämlich und für Zelda unpassend fand. Vielleicht lag es aber auch an der wohl uninspiriertesten Cover-Art der Seriengeschichte.
Das ging nicht nur mir so: Unter allen konventionellen Zelda-Episoden ist »Minish Cap« die am wenigsten erfolgreiche. Mehr als zehn Jahre später bin ich nun aber kurz davor, den Titel im Rahmen der Virtual Console auf der Wii U abzuschließen und ich kann jetzt schon sagen: Kaum ein Handheld-Game bot mir je so packende Unterhaltung.
Gut, die Hintergrundgeschichte, die in Verbindung zu den beiden »Four Swords«-Titeln steht, ist im Gesamtkontext der Serie nicht mehr als eine Randnotiz und dient vor allem als Mittel zum Zweck, das zentrale Gameplay-Element von dieser Zelda-Episode zu etablieren. Links Mütze ist diesmal nämlich magisch, oder genauer noch belebt, und erlaubt es ihm, in Kombination mit speziellen Löchern in Baumstümpfen oder Krügen in erheblichen Maße zu schrumpfen. In dieser Gestalt erlangt Link Zugang zur Welt der Minish: Daumengroße – oder sollte man sagen: Pikmin-große? – Wichtel, die von den Menschen ungesehen Hyrule bevölkern: in Baumstämmen, auf Dachbalken, in Bücherregalen.
Geschrumpfter Flughörnchen-Kirby-Link mal vier!
Sogar für Nintendo-Verhältnisse ist über die Maßen beeindruckend, welche Kreativität und Originalität in »Zelda: The Minish Cap« steckt: Das Spielelement des Schrumpfens – und damit das Wandern zwischen der gewohnten Welt und dem Mikrokosmos der Minish – wird auf originelle und sehr vielfältige Art für Rätsel genutzt. Was mich dabei am meisten überrascht hat, ist aber, dass dieses Spielelement nur einen kleinen Anteil an der Gesamtheit aller Puzzles einnimmt: Weitere Rätsel basieren auf Links Fähigkeit, sich kurzzeitig zu duplizieren (worin das Spiel an »Four Swords« erinnert), auf der optischen und spielerischen Verknüpfung mehrerer Stockwerke in den Dungeons (womit »Minish Cap« ein Kernelement von »A Link Between Worlds« vorwegnimmt, das dort von den 3D-Fähigkeiten des 3DS Gebrauch machen sollte), sowie auf einer neuartigen, unkonventionellen Gestaltung der Oberwelt selbst, auf die ich noch zu sprechen komme. Für besonders viel frischen Wind sorgt allerdings eine Vielzahl nie (oder selten) zuvor dagewesener Items.
Dass mir die Rätsel in Zelda-Spielen über die Jahre hinweg zunehmend einfacher erschienen, ist unter anderem wohl damit zu erklären, dass bereits vertraute Rätsel mit oftmals nur kleinen Abwandlungen erneut auftauchen. Irgendwann ist einem Zelda-Routinier eben klar, wozu Bomben oder Pfeile gut sind. Bei »Minish Cap« hilft ein solches Vorwissen nur selten weiter. Einige Item-Klassiker gelangen natürlich auch in Links Inventar, verblassen aber im Vergleich mit den Neuheiten: Der Magische Krug etwa erlaubt es euch, Gegner, Objekte oder einfach nur Luft anzusaugen und in bester Kirby-Manier wieder auszustoßen. Mit den Maulwurfshandschuhen könnt ihr euch durch lockeres Erdreich graben, mit dem Kletter-Ring steilste Hänge erklimmen, und mit dem Greifenmantel schwingt ihr euch wie Flughörnchen-Mario in die Lüfte.
Kritisieren kann man, dass euch einige der vertrauten Zelda-Items allzu beiläufig vor die Füße geworfen werden. Gleiches gilt für manche Herzteile, die ihr fast schon im Vorbeigehen aufsammeln könnt. Teilweise mag das dadurch entschuldigt sein, dass das für Zelda-Verhältnisse eher kompakte Spiel so vollgepackt ist mit Items, Upgrades und sonstigen Collectibles. Klassischerweise erwartet euch bei Zelda in jedem neuen Dungeon genau ein neuer Gegenstand. In »Minish Cap« hingegen dürft ihr darüber hinaus auch zwischen zwei Dungeons mit ein oder sogar zwei vollwertigen neuen Gegenständen rechnen. Das Spiel wird damit deutlich weniger vorhersehbar: Mit einem Male tun sich ganz neue Bereiche der Oberwelt auf, ohne dass ihr dem nächsten Dungeon auch nur nahe gekommen seid.
Frischer Wind: Hidemaro Fujibayashi
Die besondere Gestaltung der Oberwelt war ohnehin das erste, was mir in »Minish Cap« ins Auge fiel: Die distinkten Oberwelt-Areale muten selbst wie Dungeons an – offener und etwas friedlicher zwar, aber dennoch nur unter Anwendung all eurer Fähigkeiten zu meistern. Die eigentlichen Dungeons, die euch am Ende eines solchen Oberwelt-Areals erwarten, sind dann eigentlich nur noch das Sahnehäubchen und sorgen als letzte Prüfung für den formalen Abschluss einer Episode. Ich fühlte mich durch diesen Spielaufbau und diesen Aspekt des Oberwelt-Designs sofort an »Skyward Sword« erinnert, in dem mir diese »Ver-Dungeon-izierung« der Oberwelt seinerzeit als hervorstechende Besonderheit erschien. Tatsächlich geht aber schon »Minish Cap« diesen Weg.
Das ist spätestens dann interessant, wenn man sich anschaut, wer bei beiden Spielen als Director verantwortlich zeichnet: Ein gewisser Hidemaro Fujibayashi. Während der Entwicklung von »Minish Cap« war der noch bei Capcom angestellt – Keiji Inafune ist übrigens der Producer des Spiels – wechselte dann aber zu Nintendo. Und genau dieser Hidemaro Fujibayashi wird auch beim kommenden »Zelda: Breath of the Wild« als Director fungieren. Konzentriert sich die Berichterstattung meist auf Eiji Aonuma und Shigeru Miyamoto, ist Fujibayashis Einfluss auf die jüngere Geschichte des Zelda-Franchise nicht zu unterschätzen. Sein Wikipedia-Eintrag weiß zu berichten, dass Fujibayashi eine besondere Vorliebe für das erste Zelda auf dem NES habe (als das erschien, war er gerade einmal dreizehn). Und mit eben diesem inzwischen 30 Jahre alten Ur-Zelda und den darin gebotenen Freiheiten ist »Zelda: Breath of the Wild« im Umfeld der gerade zu Ende gegangenen E3 immer wieder verglichen worden.
Bis zu einem gewissen Punkt mag hinter diesem Vergleich, den Nintendo selbst forcierte, die Absicht stecken, verunsicherten Zelda-Fans die Angst vor den zahlreichen Brüchen mit Serien-Konventionen zu nehmen, die von »Breath of the Wild« zu erwarten sind. Man argumentiert also, dass die bevorstehende Neuausrichtung überhaupt nicht in einem Widerspruch zur Essenz der Serie stehe, sondern anknüpfe an ihre Anfänge. Das Progressive an »Breath of the Wild« wird damit zugleich als »retro« (und damit als authentisch) deklariert. In jedem Fall bin ich ob der Regie Fujibayashis guter Dinge. Gewiss hatten »Wind Waker« oder »Twilight Princess« ihre eigenen Stärken – in Hinblick auf ihre Puzzles und den erschöpfenden Einsatz der Items erscheinen sie mir aber nicht annähernd so exzellent wie »Skyward Sword« oder eben »The Minish Cap«.
Flächenbrände? Check.
Damit noch einige Worte mehr zu dieser einzigen vollwertigen GBA-Neuentwicklung in der Geschichte des Franchise. Der Spielbeginn ist flott wie selten und sehr einsteigerfreundlich. Im weiteren Verlauf zieht der Schwierigkeitsgrad allerdings kräftig an. »Minish Cap« wird damit nicht zu einem harten Spiel, doch anders als in den letzten Heimkonsolen-Zeldas bin ich hin und wieder auch gestorben. Ferner dürfen sich gerade Spieler der alten Schule freuen, dass sie beim Lösen der Rätsel weitestgehend auf sich allein gestellt sind. Zwar kann Link jederzeit seine Mütze um Rat fragen, doch mehr als eine Erinnerung daran, welches denn das nächste größere Spielziel ist, bekommt er von Ezelo nicht zu hören. Auch was die Verwendungsmöglichkeiten der einzelnen Items anbelangt, müsst ihr in den meisten Fällen ganz von selbst draufkommen.
Ich sehe das keinesfalls negativ: Das befriedigende Gefühl, wenn man irgendwann dann doch auf die oft einfache Lösung stößt, ist riesig. Außerdem ist die Welt so vollgepackt mit Geheimnissen, dass ihr selbst in Phasen ratlosen Umherirrens immer wieder auf Neues stoßen könnt. »Minish Cap« lädt zum zwanglosen Erkunden ein. Einen Gegensatz dazu bilden die Dungeons: Die sind nämlich ungewohnt linear und gehören nicht gerade zu den raffiniertesten der Serie. Möglicherweise passt das damit einhergehende kontinuierliche Vorwärtsschreiten aber auch viel besser zu einem Handheld-Game, das man gern mal zwischendurch spielt, als die von zentralen Makro-Puzzles dominierten Dungeons eines »Majora’s Mask« oder »Skyward Sword«.
»Zelda: The Minish Cap« gehört übrigens zu den GBA-Spielen, die vom großen Bildschirm und der besseren Tonqualität beim Spielen auf der Wii U enorm profitieren. Die Grafiken erscheinen nicht annähernd so pixelig wie etwa bei »Mario & Luigi« und überhaupt bietet das Spiel ein überraschend cineastisches Erlebnis, was auch am Breitbild-Format des GBA liegen dürfte. »Minish Cap« ist schön, dynamisch und strotzt nur so vor liebevollen Details, die auf dem Fernseher (oder dem großen Screen des Wii U-Gamepads) so richtig zur Geltung kommen. Der Soundtrack ist großartig und zählt mindestens unter den Handheld-Entwicklungen zu den einprägsamsten der Serie.
Fragwürdig finde ich nur die Menüführung und Tastenbelegung. So ist etwa Select allein dafür reserviert, mit eurer Mütze zu sprechen, was nur selten notwendig ist. Warum die Entwickler diese Funktion nicht einfach auf die L-Taste gelegt hbent, die wiederum exklusiv dazu dient, eine bestimmte Gesprächsoption mit den NPCs aufzurufen, ist mir ein Rätsel. So fand ich es höchst umständlich, dass sowohl das Item-Menü als auch die Karte auf der Start-Taste liegen und das eine wie das andere somit nicht direkt aufgerufen werden kann. Auf dem GBA ist dies ein besonders großes Problem: Bedingt dadurch, dass ihr nur zwei Item gleichzeitig ausgerüstet haben könnt und euch keine Mini-Map zur Verfügung steht, ist das Aufrufen sowohl der Karte als auch des Item-Menüs ungleich häufiger vonnöten als dies bei den neueren Heimkonsolen-Zeldas der Fall ist. Dann noch zwischen den drei Seiten des Menüs blättern zu müssen, wird sehr schnell nervig.
Für ein Schmunzeln sorgt zu guter Letzt, dass viele bekannte Charaktere aus den Nintendo-64-Vorläufern »Ocarina of Time« und »Majora’s Mask« auch in »Minish Cap« auftreten: Boris der Totengräber, das Hühnermädchen Anju, oder Gorman, diesmal in der Rolle des Immobilienmaklers(!). Gleichwohl ist »Minish Cap« emotional nicht annähernd so einnehmend wie etwa »Link’s Awakening« oder »Majora’s Mask«. Das mag an der eher mechanisch konstruierten Story liegen, oder daran, dass praktisch alle Figuren Statisten ohne nennenswerte Persönlichkeit bleiben.
Lässt man dieses kleine erzählerische Defizit allerdings beiseite, kommt »Zelda: The Minish Cap« der Vollkommenheit ähnlich nahe wie die Episoden auf dem N64 es taten. In der jüngeren Geschichte der Serie ist mir kein Titel bekannt, der sich gerade mit Blick auf seine Spielmechanik so rund und so komplett anfühlt wie Links GBA-Abenteuer. Wer für die Zelda-Reihe etwas übrig hat, sollte sich dieses zu Unrecht kaum bekannte Kleinod nicht entgehen lassen. [sk]
The Legend of Zelda: The Minish Cap
Capcom & Flagship / Nintendo
Game Boy Advance (12. November 2004); Wii U Virtual Console (2014)
Director: Hidemaro Fujibayashi
Producer: Keiji Inafune
Diese Kritik wurde am 21. Februar 2021 umfassend überarbeitet.
Quelle Screenshots: Eigene Screenshots der Wii U Virtual Console
Foto Hidemaro Fujibayashi: Making of Breath of the Wild
Danke für dieses tolle Review! Da ich mir den Gamecube samt Gameboy-Player wieder aus dem Keller geholt habe, werde ich mir das Spiel wohl mal zulegen!
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Oh ja, an den GameBoy Player habe ich gar nicht gedacht (meiner kam erschreckend selten zum Einsatz). Dafür ist das Spiel sicherlich auch wie gemacht! Freut mich, dass dir mein Review gefallen hat. :)
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Liest sich besser als ich gedacht habe, danke! ^^
Den Titel habe ich seit Jahren auf dem 3DS rumliegen, aber irgendwie nie die noetigen Boecke gehabt, mal anzufangen.
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Der Spieleinsteig ist auf jeden Fall sehr schnell und unkompliziert, also vollkommen anders als bei den letzten vier Heimkonsolen-Zeldas. Kann dir also nur empfehlen, mal einen Versuch zu wagen!
Einige sagen auch, dass man das Spiel in 8 bis 10 Stunden durchspielen könne. Das kann ich nicht bestätigen und erscheint mir selbst dann eher knapp bemessen, wenn man geradewegs von Dungeon zu Dungeon marschiert. Ähnlich wie in MM oder WW gibt’s abseits der Dungeons das Meiste zu tun. Ich bin jetzt fast durch und habe auch fast alle Herzeteile, etc., und stehe mittlerweile bei 20 Stunden.
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The Minish Cap ist definitiv mein Lieblings Zelda- Teil. Ich kann überhaupt nicht verstehen, warum es sich damals so schlecht verkauft hat. Gerne spiele ich es original getreu auf meinem GBA, aber eventuell ist es gar nicht schlecht, wenn ich es mir nochmal für den 3DS hole. Bei dem Preis im eShop kann man da nicht meckern. :)
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Hatte schon immer Interesse daran Minish Cap zu spielen, aber jetzt wird es wohl endgültig mal Zeit mir Guthaben für den 3DS zu holen. Alleine schon wegen des einen Vergleich mit A Link Between Worlds.
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Ich muss dir leider sagen, das wird auf diese Weise nicht möglich sein. Im eShop des 3DS ist The Minish Cap leider nicht erhältlich. (Ich habe gerade noch einmal nachgesehen.) Das gibt es kurioserweise nur im eShop der Wii U. Auf dem 3DS hatte man nur im Rahmen des Ambassador-Programms die Gelegenheit, das Spiel (dann kostenlos) zu erhalten. In einem typischen Nintendo-Move hat Nintendo die dort enthaltenen GBA-Titel im Nachhinein nie separat veröffentlicht.
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Ach Schade. War davon ausgegangen, dass das auch da ist, weil auch die Oracle-Spiele da sind.
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Immerhin die, ja. GameBoy (Color)-Spiele hat Nintendo halt irgendwann auf den 3DS gebracht, GBA-Spiele hingegen nie. Und das, nachdem sie mit den Releases im Ambassador-Programm selbst gezeigt haben, dass die problemlos umsetzbar sind. Auf der Wii U gibt’s wiederum leider keine GameBoy (Color)-Spiele… Sonst hätte ich auf diese Weise Oracle of Seasons nachgeholt.
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