Part II: Spätphase: Redesigns und Abgesang

Holerö! In diesem mehrteiligen Feature möchte ich versuchen zu ergründen, wieso das deutsche Club Nintendo Magazin – ein regelmäßiges Printmagazin, dass Nintendo von 1989 bis 2002 kostenlos herausgab – in den Erinnerungen vieler Nintendo-Fans einen besonderen Stellenwert einnimmt, der mit Retro-Nostalgie allein nicht zu erklären ist und aus dem wir einiges lernen können – über gute Werbung und über das Geschichtenerzählen. Hier gelangt ihr zum ersten Teil.

„Wenn sich das Quietsche-Entchen in der Wanne schüttelt, aus dem Fernsehbildschirm Salzwasser tröpfelt und die Zuschauer vor Spannung an Eurer nagelneuen Schwimmweste nagen, könnt Ihr davon ausgehen, daß Wave Race 64 in Eurer Nintendo64-Konsole steckt und über den Bildschirm flimmert.“ (Wave Race 64, John D. Kraft; Club Nintendo Ausgabe 3/1997).

Und damit herzlich willkommen zum zweiten Teil. Bevor es ab dem nächsten Mal ans Eingemachte geht, möchte ich hier noch einen kurzen Blick auf die letzten Jahre der Magazinhistorie werfen. Von 1989 bis 2002 in Deutschland erschienen, erfasst die Geschichte des deutschen Club Nintendo Magazins ganze vier Heimkonsolengenerationen und sämtliche Modelle des Game Boy – und damit jenen Zeitraum, den man vielleicht als die „klassische Phase“ in der Videospielgeschichte Nintendos bezeichnen kann. Gerade in Hinblick auf seine bescheidenen Ursprünge und die Äquivalente in zahlreichen anderen Ländern ist die Geschichte des Club Nintendo Heftes zweifellos sehr interessant, soll der Schwerpunkt dieses Artikels allerdings nicht sein (wobei ich anmerken möchte, dass mir keine umfassende Darstellung der kompletten Magazinhistorie bekannt ist; und sollte sich einer befähigt fühlten, das zu ändern, ich würde mich sehr freuen). Ich werde an dieser Stelle nur auf die Entwicklung der Jahrgänge eingehen, die schließlich die Grundlage für die nachfolgende Analyse bilden sollen. Ich persönlich verbinde mit dem Club Nintendo Magazin nämlich die Jahrgänge 1997 bis 2000. Das entspricht ungefähr der Ära des Nintendo 64. Einen schönen Überblick über alle Heftcover findet ihr unter diesem Link.

Meinen ersten Kontakt mit dem Magazin hatte ich Mitte der 1990er. Von Ausgabe 1/1997 an war ich schließlich ein begeisterter und regelmäßiger Leser, auch wenn ich bis dahin nur ein transparentes Modell („Play It Loud!“) des klassischen Schwarz/Weiß-Game-Boys mein Eigen nannte. Um Nintendos Handheld war es damals vergleichsweise still geworden, der Game Boy Color lag noch in einiger Ferne, und so galt der Fokus der Presse und des Marketings ganz dem Nintendo 64. cn02Anlässlich des bevorstehenden Deutschland-Releases der Konsole erfuhr das Layout des Club Nintendo Magazins mit besagter Ausgabe 1/1997 eine umfassende Modernisierung. Obwohl im Zuge dessen sogar das Logo, das zuvor an den gewohnten Nintendo-Schriftzug angelehnt war, dem aktuellen 3D-Hype folgend angepasst wurde, markierte diese Neugestaltung noch keinen grundsätzlichen Bruch mit der farbenfrohen, reich bebilderter Aufmachung des Magazins. Dazu sollte es erst zwei Jahre später kommen, mit Ausgabe 1/1999. Diesmal war es das Logo, das unverändert blieb, während das Layout und einige Rubriken ein radikaleres Re-Design erfuhren als je zuvor. Professionell und wertig wie eh und je, zeigte sich das Magazin nun spürbar moderner und erwachsener. Das Layout erschien nun deutlich aufgeräumter, farbige Hintergründe und poppige Gestaltungselemente wichen schlichtem Weiß und einem progressiven Techno-Look. Einzig am unkonventionellen, auf eine junge Zielgruppe gemünzten Schreibstil änderte sich nach meinem Empfinden wenig oder nichts.

Die Änderungen kamen nicht bei allen Lesern gut an. Einerseits war die nun verwendete Schriftart wohl allzu futuristisch geraten: Abgedruckte Leserbriefe zeugen davon, dass sich zahlreiche Fans über schlechte Lesbarkeit beklagten. Darüber hinaus vermissten wohl vor allem die jüngeren Leser die Farbe. Die Kritik beherzigend tat die Redaktion schon mit der übernächsten Ausgabe einige vorsichtige Schritte zurück: Die Schriftart wich einer konventionelleren Variante und es wurde wieder etwas bunter. Damit wurde das ursprüngliche Gesamtkonzept (und das fand ich auch damals schon) meiner Meinung nach leider ein wenig verwässert, war aber allemal noch sehr schön anzuschauen. Tatsächlich gehe ich deswegen so detailliert auf diese Neugestaltung ein, weil dieses Layout – gerade in seiner Urform – für mich persönlich und noch bis heute zu den gelungensten Zeitschriftenlayouts gehört, die mir je untergekommen sind. Der kühle Techno-Look mag dem heutigen Zeitgeist nicht länger entsprechen (dafür dem damaligen umso mehr), doch hat die Gestaltung gerade hinsichtlich der Stringenz ihres Gesamtkonzeptes für mich bis heute Vorbildcharakter. cn03Auch darin zeigt sich, welchen Stellenwert das Club Nintendo Magazin noch 1999 für Nintendo hatte und wie ambitioniert die Redaktion unter dem langjährigen Chefredakteur Claude M. Moyse (auf den übrigens auch die deutschen Texte zahlreicher Nintendospiele der 90er zurückgehen) mit dem Heft umging.

Rückblickend muss ich allerdings konstatieren, dass dieses qualitative Aufbäumen des Magazins im Jahre 1999 leider auch dessen letzte große Leistung war. Nintendo verlagerte den Fokus seines Marketings zunehmend auf die eigene Internet-Page und individuelle Spielewebsites. Um genau zu sein, Nintendo ist in Deutschland seit dem 1. Mai 1997 online, wovon in Ausgabe 3/1997 des Magazins auch berichtet wird. Obwohl schon damals unter der schlichten wie naheliegenden Adresse http://www.nintendo.de erreichbar, firmierte die Homepage zu diesem Zeitpunkt noch unter dem Namen Club Nintendo Online. Tatsächlich zeigte sich die Redaktion des Printmagazins auch für den Onlineauftritt verantwortlich. Den Worten des Chefredakteurs folgend, ging man davon aus, dass das Online-Angebot „besonders für die älteren Leser unter Euch interessant sein dürfte“.

Daneben waren 2000 und 2001 keine einfachen Jahre für Nintendo. Zwar hatte sich Pokémon auch im Westen zu einem Riesenphänomen entwickelt und bescherte dem Game Boy seinen „zweiten, dritten, vierten Frühling“ (es war, wie ich glaube, die Total!, die das seinerzeit einmal so treffend ausdrückte). Das Nintendo 64 hingegen hatte auf lange Sicht nicht den erhofften Erfolg verzeichnen können und lag in seinen letzten Zügen. Neue Spiele waren rar (worunter reguläre Nintendo-only-Printmagazine sehr stark litten, sofern sie es nicht vermochten, ihre Leserschaft aus dem Kreis der jungen Pokémon-Fans zu rekrutieren) und mit dem Release des Game Boy Advance und des GameCube standen gleich zwei Generationenwechsel bevor, im Zuge derer auch Nintendos Marketingstrategien einer Prüfung unterzogen werden sollten.

Ich habe zumindest subjektiv den Eindruck, dass sich in den späten 2000er-Ausgaben das baldige Ende des Magazins, wie man es kannte, bereits erahnen lässt: Die Umsetzung des vormals ambitionierten Layouts wirkte nunmehr bestenfalls routiniert denn engagiert, und einige Artikel entwickelten sich stärker als zuvor zu eher lieblos formulierten Werbefloskel-Allgemeinplätzen. Dass der Anfang vom Ende dann aber so schnell kam, war kaum abzusehen: Abonnenten und Stammleser dürften nicht schlecht gestaunt haben, als sie mit Ausgabe 1/2001 plötzlich und ohne jede Vorankündigung ein Heft in den Händen hielten, das abermals mit einem komplett veränderten Layout daherkam – das noch dazu deutlich schmaler und schon in Sachen Papierqualität minderwertiger ausfiel, und bei dem einige Begleitrubriken ganz auf der Strecke geblieben waren. cn04Auf dem zweiten Blick zeigte sich, dass sich auch die Artikeltexte irgendwie ganz anders „anfühlten“, plötzlich als „Tests“ bezeichnet wurden und die charakteristische Komponente der Hilfestellung (auf die ich später noch zu sprechen komme) vermissen ließen.

Damit markierte Ausgabe 1/2001 den radikalsten Bruch in der Geschichte des Magazins seit der noch eher turbulenten Frühphase in SNES-Zeiten. Was war geschehen? Interne Umstrukturierungen bei Nintendo hatten zur Folge, dass die komplette Redaktion um Chefredakteur Claude M. Moyse, der diese Position seit 1994 innehatte, ihrer Aufgaben enthoben worden war. Nintendo hatte die Produktion des Heftes an den Computec Verlag „outgesourced“, und so zeigte sich von nun an die Redaktion der N-Zone um Hans Ippisch für Gestaltung und Inhalt verantwortlich.

Ich gehöre nicht zu denen, die den Redakteuren der N-Zone grundsätzliche Antipathien entgegenbringen (und bin der Ansicht, dass das Magazin gerade heute ganz ordentlich gemacht ist, berücksichtigt man die Zielgruppe und die beschränkten Mittel eines Printmagazins mit niedriger Auflage). Dennoch sehe ich in dieser Entwicklung den Anfang vom Ende des Magazins. Inwiefern Nintendo den Niedergang der Print-Sparte schon sehr früh antizipierte und das Magazin unter der N-Zone-Redaktion von vornherein nur als Experiment mit Interimscharakter gedacht war, oder ob man in schwierigen Zeiten einfach Kosten sparen und sich keine eigene Print-Redaktion mehr leisten wollte, ist eine interessante Frage. In jedem Fall waren die durchaus kompetenten Redakteure der N-Zone der speziellen Herausforderung offenbar nicht gewachsen, redaktionelle bzw. journalistische Arbeit mit Werbebotschaften zu verbinden. Das Heft hatte nun einen 08/15-Videospielmagazin-Look und las sich in seinen letzten zehn Ausgaben tatsächlich nur noch wie eine Werbebroschüre – und wie eine ausgesprochen langweilige, oft geradezu unbeholfene noch dazu. Mitte 2002 erfolgte schließlich ohne Vorankündigung die vollständige Einstellung des Magazins. Der Name Club Nintendo sollte einige Jahre später im Rahmen von Nintendos Online-Bonussystem Verwendung finden, welches im vergangenen Jahr sein Ende fand.

Für mich persönlich endet die Club-Nintendo-Geschichte gleichwohl bereits mit dem Ende der Moyse-Ära, da dem Magazin in der Folge entscheidende Charakteristika fehlten. Wenn ich mich im nächsten Teil dieses Artikels dann mit den Heftinhalten selbst beschäftige, bilden die Grundlage dafür die Jahrgänge 1997 bis 2000 – aus dem einfachen Grund, dass ich diese Jahre lückenlos aus eigener Hand wahrgenommen habe. Unter anderem möchte ich den Fragen auf den Grund gehen: Handelte es sich beim Club Nintendo Magazin um eine ungewöhnliche Form der Werbebroschüre oder um ein journalistisch ernstzunehmendes Spielemagazin? Mit welchen Absichten finanzierte und veröffentlichte Nintendo die Hefte? Welchen Mehrwert boten sie den Lesern, und wie gingen diese mit der offensichtlichen Werbe-Komponente um? Vor allem aber: Wie kommt es, dass viele damalige Nintendo-Fans das Magazin bis heute so emotional in Erinnerung haben?

Bis dahin. Und in der Zwischenzeit, seid so frei und hinterlasst eure persönlichen Erinnerungen und Meinungen in den Comments.

Hier gelangt ihr zum dritten Teil.