„I’m sorry but this review is inherently wrong.“

Hierbei handelt es sich um die Fortsetzung des Beitrags von letzter Woche. Ich hatte eigentlich gar nicht die Absicht, meinen Kommentar Metal-Gear-Solid-V-Ground-Zeroes-01zum Dead or Alive Xtreme 3 Review von NplusX.de zu einer solchen, recht umfangreichen Auseinandersetzung mit der Gattung des Spieletests im Allgemeinen zu entwickeln, aber was passiert ist, ist passiert… Doch zuerst noch einmal zurück zum Ausgangspunkt:

NplusX-Redakteur Andreas Held mutmaßt nicht nur, dass „subjektive Grundhaltungen […] zu bestimmten gesellschaftspolitischen Themen“ Wertungen selbst dort negativ beeinflusst haben könnten, wo diese Haltungen im Rezensionstext nirgendwo zum Ausdruck kommen. Er ist auch der Ansicht, dass Sexismuskritik äußernde „Redakteure […] ein Review zu einem Videospiel als Plattform für ihre persönliche gesellschaftspolitische Agenda missbrauchen könnten“. Wenig später beklagt er: „[Es gibt] Aktivisten, die gegen solche Spiele vorgehen, als hätten wir keine größeren Probleme in unserer Gesellschafft [sic] – wie zum Beispiel Atomwaffen oder den IS.“ Ich brauche wohl kaum zu erklären, wie dumm dieser Vergleich ist (möchte allerdings anregen, dass vor einem solchen Hintergrund eine entschiedenere Kritik am reaktionären Militarismus gewisser Shooter-Franchises angebracht sein könnte). Doch sei’s drum. Was Held mit seinem krummen Vergleich eigentlich sagt, ist dieses: Sexismus in Videospielen ist irrelevant (womit er spätestens hier selbst eine „gesellschaftspolitische“ Position zum Ausdruck bringt, was er innerhalb von Videospiel-Reviews zuvor noch selbstgerecht als Missbrauch verurteilte). Ferner ist Helds Kritik an dieser Stelle nicht länger auf Spieletests beschränkt, sodass nicht klar ist, ob er damit der kritischen kulturellen und auch sozio-politischen Betrachtung von Videospielen grundsätzlich jede Legitimität absprechen möchte.

Ohnehin bleibt der Autor gern vage – „bestimmte gesellschaftspolitische Themen“, „auch andere Faktoren“, „solche Spiele“ – tatsächlich spricht Held im gesamten Review nirgendwo explizit aus, gegen welche Formen von Kritik an Xtreme 3 er all die Zeit lang eigentlich ankämpft. Auch in diesem Punkt zeigt sich, dass Held einer ernsthaften Debatte aus dem Weg geht, anstatt die Vorwürfe beim Namen zu nennen und seine – in Anklängen durchaus vorhandenen – Gegenargumente sprechen zu lassen. Lieber unterstellt er der Diskussion, wortwörtlich, „die komplette Lächerlichkeit“, was ich für ausgesprochen anmaßend halte. Ferner, mit dieser, seiner vagen Berichterstattung lässt der Autor, ob nun bewusst oder unbewusst, Projektionsflächen entstehen, auf die voreingenommene Leser einmal mehr jedwedes Halbwissen und jedwedes fantasievolle Vorurteil bzgl. Sexismus-Kritik oder Gender-Mainstreaming projizieren können. Da überrascht es nicht, dass jemand wie Kommentarschreiber Tobsen davon ausgeht, fragliche Kritiker störten sich an „erotischen“ Darstellungen bzw. an Sex in Games per se.

Eine Sache stellt Held mit dem Vorwurf des „Missbrauchs“ von Games-Reviews jedoch klar: sozio-politische Diskurse haben in Spieletests nicht zu suchen. Dieser Standpunkt ist nicht nur typisch für viele Spieler, wohl gerade für Intensivspieler, sondern sogar für eine beträchtliche Zahl von Games-Redakteuren. Im folgenden soll es mir nicht darum gehen, ob etwa Kulturkritik an Videospielen erlaubt ist (natürlich ist sie das) oder ob Videospiele hinsichtlich ihrer Implikationen zu – ich sag’s hier einfach mal klassisch marxistisch – Klasse, Rasse und Geschlecht, besprochen werden sollten. Natürlich sollten sie das, und keiner käme auf die Idee, ein solches in Bezug auf Literatur oder Film zu verneinen. Doch „seien wir mal ehrlich“, wie man bei NplusX gern sagt, so unbedarft und widersprüchlich Helds Argumentation auch ist, und so legitim all diese anderen Fokuspunkte von Kritik – meiner Meinung nach – auch sind, so ist doch offensichtlich, dass kritische Theorie und Spieletests zunächst einmal unterschiedliche Dinge sind, deren Ziele sich grundlegend unterscheiden.

Grundsatzfragen

Die interessanteren Fragen lauten daher so: Welche Art von Kritik darf in einem Spieletest geäußert werden; auf welchen Kriterien sollten Games-Rezensenten ihr Urteil aufbauen?

In diesem Zusammenhang scheint es mir recht vielsagend, dass sich im deutschen Sprachgebrauch neben dem aus dem Englischen entlehnen Review eigentlich nur der Begriff des „Spieletests“ festgesetzt hat – nicht aber die Begriffe „Rezension“ oder „Kritik“. Ein „Test“ – das suggeriert eine objektiv-qualitative Einschätzung – eine, die einem „Warentest“ näher steht als dem Feuilleton. Als die Computer Bild Spiele um die Jahrtausendwende auf die erstaunliche Idee kam, Spiele entlang eines starren Kriterienkatalogs mit auf Nachkommastellen festgelegten Gewichtungen zu bewerten, wurde das belächelt und verständlicherweise wurde eingewandt, Videospiele ließen sich nicht auf die selbe Weise testen wie Waschmaschinen. Gleichwohl haben sich numerische Gesamtwertungen als Kulminationen der meisten Spieletests bis heute erhalten, und noch immer müssen Redakteure dann, wenn sie etwa moralische Kriterien auch nur ansprechen, mit vehementem Widerstand und persönlichen Anfeindungen rechnen. Mit wenigen Ausnahmen wird auch weiterhin nicht kritisiert und rezensiert – es wird „getestet“: knallharte Fakten, richtig oder falsch, und am Ende zählt: natürlich die Note.

Nun gibt es zweifellos gute Gründe dafür, subjektive Kriterien (ob vermeintliche, tatsächliche oder vorgebliche) in Spieletests abzulehnen, und es gibt Spieletest-Autoren, die die Kunst der objektiven Beurteilung auf hohem Niveau beherrschen, ohne dabei dröge, limitierte Texte zu fabrizieren. Wir sehen uns hier mit einer Grundsatzfrage konfrontiert; nämlich ob ein einzelnes Games-Review (und ich spreche hier insbesondere von solchen in größeren, „meinungsbildenden“ Publikationen) nun besser die persönliche und damit auch unverfälscht ehrliche Meinung des Rezensenten wiedergeben, oder soweit um Distanz und Objektivität bemüht sein sollte, dass die individuellen Empfindungen des Rezensenten ganz hinter dem Geschmackskonsens der Spielergemeinschaft zurücktreten.

Letzteres stellt selbstverständlich eine nie zu erreichende Utopie (oder Dystopie) dar, die, rigoros angewandt, dem Rezensenten noch dazu kaum mehr die Möglichkeit zur eigenen Meinungsfindung ließe. Man braucht da gar nicht so weit gehen, zu sagen, dass letztlich doch „alles“ irgendwie subjektiv ist, denn dann könnte man sich die Testerei ganz sparen. Interessanter ist die Frage, wo die Grenze zu ziehen ist, wenn irgendwo: Darf ein als objektiv konzipierter Spieletest noch berücksichtigen, ob Charakterdesigns „ansprechend“ sind, oder einem Spiel seinen gelungenen Humor positiv anrechnen – oder ist das nicht Geschmackssache? Darf man Punkte abziehen, wenn ein Spiel keinen Multiplayer bzw. keinen Singleplayer umfasst, oder nur dann, wenn „vergleichbare“ Spiele das bieten, oder nie? Sollte man solche Aspekte womöglich ansprechen – nicht aber in die Punktewertung einfließen lassen? Letzteres würde die objektiv kaum messbaren Qualitäten eines Conker oder Shenmue unberücksichtigt lassen; Games würden auf ihr Tragwerk aus Regelwerk und Technik reduziert, und Spieletests würden den Interessen all der Spieler (und das dürften tatsächlich fast alle Spieler sein) nicht gerecht, die auf solche, objektiv nicht messbare Kriterien sehr wohl Wert legen.

Natürlich tut sich diese Problematik insbesondere aus dem Grund auf, weil numerische Endwertungen die Qualität eines Spiels in seiner Gesamtheit widerspiegeln sollen. Dieses realitätsferne Ideal stößt an seine Grenzen, wenn Kriterien in die Bewertung einfließen, über deren Relevanz die Meinungen der Leser auseinander driften. Dabei ist es gleich, ob diese Kriterien politischer Natur sind oder etwa die Festlegung auf eine Bewegungssteuerung betreffen.

Gefangen in der Vergangenheit

Die besondere Betonung der Objektivität in Spieltests hat durchaus ihre videospielhistorische Legitimation: Reviews waren nie eine Plattform für anspruchsvolle kritische Diskurse (oder nicht primär), sondern erfüllten zuallererst die Funktion der Kaufberatung. latestIm Laufe jener Jahre, in denen die Form des Spieletests großgeworden ist, waren Print-Magazine meinungsbildend; tatsächlich fand die öffentliche Diskussion des kulturell noch nicht anerkannten Mediums fast nur in solchen statt. Für viele Spieler konnte die persönliche Entscheidung für oder gegen den Erwerb eines individuellen Spiels von einem einzigen Test im Magazin des Vertrauens abhängen – auch weil es im vergangenen Jahrtausend ungleich schwieriger war, sich schon vor dem Kauf eine eigene Meinung zu einem Spiel zu bilden. Auch sollte man nicht vergessen, dass ein einzelnes Videospiel – gerade im Retail-Only-Zeitalter – mit deutlich mehr Geld zu Buche schlug, als ein Kinobesuch oder ein Buchkauf. Vor diesem Hintergrund war der Wunsch nach objektiven Betrachtungen sehr verständlich.

Heute jedoch, in einer Zeit, in denen sich Interessierte oft schon vor dem Kauf einen eigenen Eindruck verschaffen können, einer Zeit, in der doch eigentlich all jene, die Spieltests (noch) lesen, ohnehin mehrere Tests aus verschiedenen Quellen sichten, gibt es für die Limitierungen, die mit dem Wunsch nach möglichst hoher Objektivität notgedrungen einhergehen, eigentlich kaum noch eine Grund. Im Gegenteil – es könnte die Diskussion ungemein bereichern und auf andere Ebenen hin erweitern, würden Rezensenten verstärkt solche Themen und Aspekte ansprechen, deren Einbeziehung offensichtlich kontroverser ist – und das auch aus dem Grund, weil es sich dabei um Bereiche handelt, in denen Videospiele besonders großes Potential zur Entwicklung aufweisen: Aktuellen Triple-A-Produktionen kann man selten vorwerfen, dass sie es nicht verstünden, eine beeindruckende Grafik auf den Schirm zu bringen – wenn es aber um innovative Formen des Storytellings geht, ist die Situation eine andere.

Ich bin der Meinung: Möchten klassische Spieltest-Magazine (offline und online) nicht schleichend zu Relikten der Vergangenheit werden – sondern ernstgenommen – dann müssen sie die Möglichkeiten ihrer Kritik früher oder später erweitern. Videospiele haben noch einen langen Weg vor sich, sind aber auch nicht in den 80ern stehen geblieben. Mag es bei einem NES-Game tatsächlich noch möglich gewesen sein, mit nahezu objektiver Akkuratesse sowohl Gameplay als auch Grafik zu evaluieren, so sind heutige Videospieltests selbst im Bereich dieser, ihrer klassischen Themenfelder stärker auf subjektive und weniger auf rein technische Betrachtungen angewiesen, da letztere die höhere Komplexität der Spiele, als auch die veränderten Erwartungen der Spieler nicht länger erfassen können. Zeitgenössische Triple-A-Produktionen leisten sich kaum noch objektiv zu fassende Schnitzer – und so wird zum Beispiel die Qualität ihrer Grafiken zunehmend vom Art Style abhängig gemacht, während technisch messbare Kriterien ein wenig in den Hintergrund treten. Gleichzeitig „erlauben“ sich Spiele aber auch schon heute und immer häufiger ganz bewusst gesellschaftspolitische Kommentare und fordern auch dafür Beachtung ein. Man kann sich daher noch so sehr um die „Reinheit“ von Spieletests bemühen – die Problematik wird nicht verschwinden, sondern sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen.

Das Urteil

Gerade professionelle Rezensenten – die potentiell einflussreichen „Sturmgeschütze“ der öffentlichen Videogames-Rezeption – sollten sich daher der Frage stellen, unter Einbeziehung welcher Kriterien und ggf. auf Grundlage welcher Methodik sie ihre Kritiken gestalten wollen, und ob es nicht verstärkt in ihrem (eigenen) Interesse sein sollte, einen Beitrag zur differenzierteren Diskussionen von Spielen, und damit auch zur weiteren Entwicklung des Mediums zu leisten, als sich auf die Bereitstellung bloßer Kaufberatung zu beschränken. Die Art und Weise, wie die Fachpresse Spiele rezipiert – die Tiefe ebenso wie die Vielfalt ihrer Betrachtungen – hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluss darauf, wie Spieler Spiele wahrnehmen – und darauf, welche Leute sich von Videospielen überhaupt angesprochen fühlen.

Davon unabhängig ist festzuhalten, dass viele Kriterien, die in Spieletests traditionell und unumstritten eine Rolle spielen, nicht mehr oder weniger subjektiv sein dürften, als etwa solche, die man einer „politischen“ Betrachtung zurechnen würde – vorausgesetzt natürlich, dass sich den einen wie den anderen Kriterien fundiert und fair genähert wird. Es ist nicht ohne Ironie, dass eine Forderung nach „rein objektiver Betrachtung“ vom selben Mann kommt, der vor einigen Jahren Project Zero 2 noch dahingehend kritisierte, dass es ein „sehr leises Spiel [ist], was der Atmosphäre oft nicht gut tut, da man selbst beim Spielen mit Kopfhörern oft von Nebengeräuschen gestört wird, die einen daran erinnern, dass man gerade lediglich zu Hause vor seinem Fernseher sitzt und nicht vollständig in die Spielwelt eingetaucht ist“. Wenn die Spielwelt nun aber ein verlassenes, altertümliches Bergdorf bei Nacht ist, welche weniger leisen Sounds wären dem Eintauchen dann bitte dienlich? Wie sehr könnte das plötzliche Auftauchen eines bösen Rachegeistes noch schocken, wenn es ohnehin unablässig aus den Boxen dröhnt? Aber ich merke schon, ich komme vom Thema ab.

In jedem Fall drängt sich mir der Eindruck auf, dass dieses geradezu militante Verlangen nach Objektivität nicht selten vorgeschoben ist und eigentlich nur dort darauf bestanden wird, wo die angeblich subjektive Kritik und ihre impliziten Forderungen im Widerspruch zur politischen Einstellung des Lesers/Spielers stehen oder, häufiger noch, wenn dieser das Gefühl hat, der Konsum von „Sex-“ und Gewaltdarstellungen solle ihm verboten werden. Mitunter genügt es aber auch schon, wenn das Lieblingsspiel nur nicht die gewünschte Wertung erhalten hat, um eine Welle der Empörung ins Rollen zu bringen. Ich habe noch keinen Fan sich beschweren sehen, wenn GTA IV und V für ihre Gesellschaftskritik gelobt werden. Und mit der Doppelmoral ist es auch so eine Sache.

Es ist vollkommen natürlich, dass Meinungen zu Spielen auseinander gehen – egal ob es dabei um den Schwierigkeitsgrad, die spielerischen Auswirkungen von Framerate-Einbrüchen oder die aufreizenden Darstellungen von Frauen geht; und weil Meinungen sich unterscheiden, ist es auch legitim, sich mit dem Urteil oder der Urteilsfindung eines Rezensenten nicht einverstanden zu erklären. Dieses ist sogar erstrebenswert, da der konstruktive Austausch von Meinungen zielführender und spannender ist, als ihr bloßes Nebeneinander. Für essentiell halte ich allerdings, dass nicht aneinander vorbei argumentiert wird, wann immer einem das Urteil eines anderen missfällt: Wenn ein Rezensent der Meinung ist, ein Spiel sei sexistisch (oder militaristisch, oder rassistisch, oder, oder), dann kann es legitim und sinnvoll sein dagegen zu argumentieren, warum es das nicht ist, bzw. warum das „okay“ ist – anmaßend und engstirnig ist es allerdings, solchen Meinungen grundsätzlich ihre Legitimität und (subjektive) Relevanz abzusprechen, wie Held es tut, wenn er Redakteuren, die das Kriterium des vom Spiel vermittelten Frauenbildes in ihre Rezensionen einbeziehen, den „Missbrauch“ von Reviews unterstellt, oder wenn er einer solchen Diskussion „die absolute Lächerlichkeit“ attestiert.

Um die Sache einmal umzukehren: Ein Review, das Dead or Alive Xtreme 3 daraufhin abklopft, wie viel „Fanservice“ es bietet, und wie sexy und halbnackt seine Protagonistinnen sind – und bei guter Erfüllung dieser Anforderungen eine gute Wertung vergibt – das wäre dann natürlich genau so legitim (und würde genau so in den Metascore eingehen). Dead-or-Alive-Xtreme-3-3-minDenn zumindest im Falle von Xtreme 3 ist diese sexualisierte Form der Darstellung ja Kern der Sache, und ist keine skurrile Randerscheinung wie im Falle von Project Zero, wo sie mit der künstlerischen Gesamtvision viel eher kollidiert, als dass sie diese unterstützte. Ein Fußballspiel möchte kein Basketballspiel sein, und Xtreme 3 möchte sogenannten Fanservice bieten – und nicht ein zeitgemäßes Frauenbild vermitteln. Aus diesem Grund gefällt mir auch das 4Players-Review zu dem Spiel so gut, obwohl ich mir nicht sicher bin, bis zu welchem Punkt ich persönlich das (mutmaßlich) professionelle Interesse des Autors am Umfang dieser Fanservices teilen würde. Oertels Review ist ein Paradebeispiel dafür, wie sich eine objektive Betrachtung ausgehend von der bewussten Schwerpunktsetzung des Spiels her entwickeln lässt. Das bedeutet trotzdem nicht, dass sich der Rezensent mit den Absichten und Präferenzen der Entwickler einverstanden erklären muss und nicht auch diese im Rahmen eines Reviews kritisieren darf. Die Qualität und Relevanz eines Kulturgegenstandes (und damit auch sein langfristiger Einfluss) hängen nämlich nicht nur davon ab, ob dieser seinen eigenen Ansprüchen gerecht wird, sondern ganz zentral auch davon, welches seine Ansprüche sind. Auch wenn das mit dem eigentlichen Thema jetzt nichts mehr zu tun hat: Interessanterweise kommen mir da zwei Dreamcast-Klassiker in den Sinn. Wirft man etwa einen Blick auf Shenmue oder auch Metropolis Street Racer, kann man durchaus der Meinung sein, dass diese an ihren eigenen Ansprüchen scheitern – Meilensteine der Videospielgeschichte sind sie dennoch, und zwar deswegen, weil sie mutig und ambitioniert danach strebten, in fremdes Terrain vorzustoßen.

Falls nun einer meint, ich mag Helds Review aus dem Grund nicht, weil ich Xtreme 3 für sexistisch hielte und er nicht, dann hat er meinen Beitrag nicht verstanden. Es wäre ohnehin verfehlt, versuchte man Andreas Held davon zu überzeugen, dass Xtreme 3 ein sexistisches Spiel ist – denn das ist nicht sein Thema, das spricht er kaum an, und das war, aus dem selben Grund, auch hier nur ganz am Rande von Bedeutung. Was mich aufregt hat, ist, erstens, dass Held impliziert, Sexismus in Videospielen sei grundsätzlich irrelevant und bedürfe keiner Diskussion. Zweitens, dass er es pauschal als „Missbrauch“ eines Spiele-Reviews ansieht, wenn der Rezensent sozio-politische Kriterien in seine Wertungsfindung einfließen lässt; und schließlich, drittens, dass er kritischen Journalisten selbstgerecht unterstellt, dass sie das zweitgenannte sogar dann tun, wenn es in ihren Texten nirgendwo zum Ausdruck kommt. Letzteres ist einfach schlechter Stil.